Ja zur jüdischen Militärseelsorge
Im Dezember 2019 geschah etwas Außergewöhnliches in der deutsch-jüdischen Geschichte, das in Luxemburg kaum wahrgenommen wurde: die Unterzeichnung eines Staatsvertrages zwischen der deutschen Bundesregierung und dem Zentralrat der Juden in Deutschland über die Errichtung der jüdischen Seelsorge in der Bundeswehr. Deutschland bekommt erstmals seit dem ersten Weltkrieg Militärrabbiner. Es werden paritätisch fünf liberale und fünf orthodoxe Rabbiner und Rabbinerinnen angestellt. Jüdische Militärseelsorge ist kein Novum und existiert bereits in den USA, in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Russland.
Juden in der Bundeswehr? Ist das nicht merkwürdig? Vor allem in der heutigen politischen und gesellschaftlichen Atmosphäre, geprägt vom Erstarken rechtsradikaler Kräfte, ist die Einführung einer nicht christlichen Militärseelsorge ein Zeichen der Anerkennung der gesellschaftlichen Vielfalt und Offenheit.
Die Verstärkung der Präsenz der institutionalisierten Religionsgemeinschaften in der Bundeswehr – als Nächstes ist die Einführung der muslimischen Militärseelsorge zu erwarten – wird nicht unbedingt von allen begrüßt. Manche sehen die Verbindung zwischen den institutionalisierten Religionen und der
Armee als eine Bestätigung der immanenten Nähe zwischen Religion und Gewalt und wiederholen die faktisch unbegründete Aussage, Religion sei an den meisten Kriegen schuld. Gerade, weil Religion – wie auch alle anderen Weltanschauungen – ein Potenzial zur Mobilisierung von Gewalt birgt, ist die Begleitung durch einen ausgebildeten Sach- und Fachkundigen in der persönlichen religiösen Entwicklung wichtig. Nicht jeder Mensch betrachtet sich als religiös, aber die Auseinandersetzung mit den Sinnfragen, was Religion im Grunde ist, gehört zu den grundlegenden Bedürfnissen jedes Menschen, vor allem in einer Krisensituation.