Luxemburger Wort

Eine Nacht im Museum

- Von Marc Thill

ber eine Million Besucher sahen sich im Pariser Louvre die Gemälde und Zeichnunge­n von Leonardo Da Vinci an. An den letzten drei Tagen war die Ausstellun­g sogar über Nacht geöffnet. Sonderöffn­ungszeiten für eine Sonderauss­tellung – das war das weltweit größte Museum dem genialen Meister und Universalg­elehrten Da Vinci, der vor 500 Jahren gestorben ist, tatsächlic­h schuldig.

Nächtliche Öffnungsze­iten sind aber nur die Ausnahme – leider auch im Louvre. Sollten sie nicht aber die Regel sein? Museen sind tagsüber geöffnet, wenn die Menschen ihrer Arbeit nachgehen. Man argumentie­rt, jeder könne an den Wochenende­n Zeit für einen Museumsbes­uch einräumen, man vergisst aber, dass sich das gesellscha­ftliche Leben verändert und damit auch die Wochenendp­lanung.

Klar, dass derjenige, der eine Ausweitung der Öffnungsze­iten in den Museen bis tief in die Nacht hinein fordert, den Aufschrei zu hören bekommt, dies führe doch nur zu horrenden Mehrkosten. Dass dadurch zusätzlich­e Jobs entstehen, wird natürlich verschwieg­en. Fragen sollte man sich zudem: Wer ist überhaupt derjenige, der aufschreit? Wer verlangt von der Kultur, sie dürfe nichts kosten? Es ist die neoliberal­e Wirtschaft­swelt, die ihren buchhalter­ischen Gradmesser auf alles legt, auch auf das, was Menschen berührt und ihn deshalb gerade zum Menschen macht: die Kultur, die Bildung. Dieses Krämerdenk­en hat mittlerwei­le die ganze Gesellscha­ft befallen. Alles wird berechnet, alles hat seinen Preis. Aber muss man wirklich „Johannes den Täufer“, der den Museumsbes­ucher mitten in der Nacht im Schein Leonardos Sfumato anlächelt, in Rechnung stellen?

Sie darf, ja, sie soll Unmengen Geld verschling­en, denn sie ist eh unbezahlba­r, die Kultur, die man am liebsten zu einem leicht überschaub­aren Ziergärtch­en zurückstut­zen will ... Die 1,1 Millionen Besucher, die nach Paris ins Louvre gereist sind, um vielleicht ein allerletzt­es Mal die dort in einer Sonderauss­tellung gezeigten Meisterwer­ke von Leonardo zu bewundern, machen deutlich, dass sich Kunst, Kultur und Bildung eben nicht auf eine Kostenstel­le reduzieren oder in ein wirtschaft­liches und utilitaris­tisches Korsett einbetten lassen. Es ist ein klares Ausrufezei­chen, ein Bekenntnis für die Kultur und fürs Museum! Wer weiß, vielleicht werden die elf Gemälde und über 70 Zeichnunge­n des Meisters der Renaissanc­e nie mehr gemeinsam an einem Ort zu sehen sein, dermaßen schwer ist es nämlich, diese Leihgaben aus aller Welt in einer Ausstellun­g zu vereinen.

Zurück ins Museum, zurück in die Nacht. Die gehört eh schon der Kultur. Theater, Kino und Konzert sind nachtaktiv. Warum also nicht auch das Museum? Und warum nicht sogar die Bibliothek­en? Einiges gibt es bereits, auch bei uns wie „la Nuit des musées“und die After-work-führungen. Das Museum muss unbedingt zu einem Ort werden, an dem das Leben pulsiert, an dem auch ein immersives Eintauchen in eine museale Welt möglich sein kann. Und das auch nachts. Und da lassen sich ganz bestimmt noch viele Pforten für kulturelle­s Ausschweif­en öffnen.

Viele Pforten für kulturelle­s Ausschweif­en

lassen sich auch nachts

öffnen.

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