Der Ernst im Witz
So gut wie früher funktioniert der Politische Aschermittwoch nicht mehr – Aber die CSU lacht trotzdem
Selbstverständlich weiß Andreas Scheuer genau, was Politischer Aschermittwoch heißt. Der Mann ist nicht nur deutscher Verkehrsminister – er ist auch Csu-bezirksvorsitzender von Niederbayern. Und er ist Passauer, von Geburt und von Überzeugung. Dort, im südöstlichsten Bayern, treffen drei Flüsse aufeinander und außerdem jedes Jahr am ersten Fastentag die Csu-basis und ihr aktueller Chef. Erfunden hat die Veranstaltung einst der Bayerische Bauernbund, das ist 101 Jahre her, und die Landwirte nahmen den Vieh- und Rossmarkt im nahe gelegenen Vilshofen zum Anlass, dort beim Bier nicht bloß die Qualität der Tiere und
Geschäfte durchzunehmen, sondern auch die der Politik. „Dischk’rier’n“heißt das hier – und es klingt nicht nur sehr anders als das Hochdeutsche „diskutieren“; es hört und es fühlt sich auch sehr anders an. Selbst heute noch.
Zweiter und letzter
Auftritt für AKK
Dabei ist der Politische Aschermittwoch längst keine Csu-spezialität mehr. Inzwischen treffen sich in Niederbayern sämtliche Bundestagsparteien – und im
Rest der Republik ist man auch auf den Geschmack gekommen. Im tiefsten Nordosten etwa redete jahrelang Bundeskanzlerin Angela Merkel, nun gastiert in der kleinen Hansestadt Demmin zum zweiten – und wohl schon wieder letzten Mal – ihre Nachfolgerin als Cdu-vorsitzende, Annegret Kramp-karrenbauer. Allerdings hat diese Vorpommern-version nur sehr entfernte Ähnlichkeit mit dem bayerischen Original. Knapp vor der Küste wird das Büttenreden
gepflegt samt Pointentusch. Knapp vor den Alpen geht es darum, bei Bier und Blasmusik, zu Käse und Semmeln mit Fisch – Fleisch ist zumindest bei der CSU streng verboten – dem politischen Gegner möglichst wirkungsvoll verbal aufs Maul zu hauen. Wobei sich dieser Gegner durchaus auch in der eigenen Partei befinden kann.
Anderswo im deutschen Sprachraum hält man das gern für mindestens derb, in Bayern denkt man sich: Wenn es schon im Wirtshaus und unter dem Jahr um Deutlichkeit geht – dann doch bitte erst recht „am längsten Stammtisch der Welt“. So nennt die CSU den Aschermittwochstreff ihres Obersten mit ein paar tausend Fans.
Aus bayerischer Sicht ist das Thema der Ausgabe 2020 – „das“in Großbuchstaben – die Kommunalwahl am 15. März. Es geht da um 40 000 Mandate. Und um die Vorherrschaft der CSU. Weil es um die einfach immer geht.
Mit Berliner Blick – und außer bei der CSU und den Freien Wählern reden ja überall die Bundespolitiker, beispielsweise die neue Vorsitzende Saskia Esken bei der SPD, ihr Kollege Robert Habeck bei den Grünen und bei den Linken ihr Brillanzrhetoriker Gregor Gysi – mit Berliner Blick also geht es dieses Mal vor allem um die Partei, die in Bayern nicht mitreden darf: die CDU. Vor Ort sieht das aber ganz anders aus. Csu-vorsitzender Markus Söder zielt am liebsten auf die Grünen – die ja gerade in Bayern wie in Berlin der Unionisten ernst zu nehmendste Konkurrenz sind. Spd-chefin Esken konzentriert sich bei ihrer Premiere auf den eigenen Laden – denn: „Die Kraftmeierei ist nicht so meine Sache.“Nur ihr grüner Kollege Robert Habeck stichelt: „Das Schiff der Union hat sich losgerissen. Kein Anker mehr, kein Ruder mehr, kein Hafen in Sicht.“
Schwarze und Grüne
giften sich an
Dass Söder wiederum Habecks Auftritt als „Tupper-tofu-party“schmäht und ihn den „Küstenkavalier und Käpt’n Iglu der Grünen“heißt: Das ist ein Hauch vom alten, polternden Aschermittwochsgeist. Der aktuelle ist längst nicht mehr so verschwitzt und bierdampfig und grob, sondern medien- und vor allem fernsehtauglich zahm.
Am Ende ist, für die Republik, das Wichtigste, wie alle sich von der AFD distanzieren; „von innen raus völkisch“nennt Söder sie, und die bayerische Spd-chefin Natascha Kohnen warnt vor „Machtspielchen mit Faschisten“– adressiert an die CDU.
Die muss sich von Söder dann doch noch ein paar Ermahnungen anhören. Er spreche aus eigener Erfahrung, wenn er für die Vorsitzendenwahl „Einsicht, Geduld und auch Großmut“empfehle. Im Übrigen mische sich die CSU beim CDU-CHEF nicht ein – werde aber „natürlich mitreden“beim Kanzlerkandidaten. Weil: Ohne die Stimmen aus Bayern könne ein Unionist niemals Kanzler werden.
Das ist fürs CSU-EGO. Fürs eigene gönnt sich Söder den Hinweis, ohne „diese mutlose FDP wäre Jamaika gekommen … und der Andi glücklicher in einem anderen Ministerium“. Gemeint ist Andreas Scheuer, den Söder wegen der Ausländermaut-affäre gern los wäre in Berlin. Im Saal wird gelacht – und Söder behauptet, „der Andi“täte das auch. Hinter dem Scherz aber steckt bitterer Ernst. Und das ist am Politischen Aschermittwoch die Kunst. Lustiger tun, als man es meint.