„Technoblabla“
LCGB kritisiert Umgang der Behörden mit den Krankenversicherten
Bei Christophe Knebeler, beigeordneter Generalsekretär beim LCGB und verantwortlich für Sozialpolitik, hatte sich scheinbar einiges an Unzufriedenheit angestaut. Während satter 55 Minuten prangerte er auf der gestrigen Pressekonferenz des christlichen Gewerkschaftsbundes den Umgang der Verwaltungen mit den Krankenversicherten in unterschiedlichen Bereichen an und machte den Behörden mehr als einmal den Vorwurf, sich hinter „Technoblabla“zu verstecken und die Menschen eher als „Störfälle“denn als Kunden zu betrachten.
Als Beispiel führt Knebeler die Ablehnungsentscheidungen der Pflegeversicherung an. Bei diesen handele es sich um bloße Abschriften von Gesetzestexten, die kein Mensch verstehe. Als Gewerkschaftler stehe man zudem vor dem Problem, dass sich Beamte bei Nachfragen meist auf den Datenschutz beriefen, um ihre Entscheidungen nicht rechtfertigen zu müssen.
Reserven in Höhe von 236,1 Millionen Euro
Angesichts der Finanzlage sei die Grundhaltung der Pflegeversicherung viel zu restriktiv. Letzten Schätzungen vom 31. Dezember 2019 zufolge verfüge diese nämlich über ein kumuliertes Saldo von 305,7 Millionen Euro, womit 43,9 Prozent der laufenden Ausgaben gedeckt werden könnten. Auch die tatsächliche Reserve falle mit 236,1 Millionen Euro noch sehr beachtlich aus.
Doch die Kritik beschränkte sich nicht nur auf die Pflegeversicherung. Beim LCGB kann man auch nicht nachvollziehen, warum die 2016 beziehungsweise 2017 beschlossenen Anpassungen bei der Rückerstattung von Zahnarztkosten respektive der Kosten beim Brillenkauf noch immer nicht in die Realität umgesetzt wurden. „Drei Jahre sind für jemanden, der regelmäßig Geld vorstrecken muss, eine lange Zeit“, so Knebeler. Die Gewerkschaft fordert, dass der Leistungskatalog der Zahnärzte, der seit rund 40 Jahren nicht mehr angepasst wurde, reformiert wird.
Besonders am Herzen liegt dem LCGB die Einführung des allgemeinen Tiers payant. Momentan dauere die Rückerstattung, vor allem bei Behandlungen im Ausland, zu lange. Aus diesem Grund würden viele Arbeitnehmer auf Arztbesuche verzichten. Beispielsweise hätten im Jahr 2013 8,5 Prozent aller Arbeitnehmer mit Zahnproblemen deshalb den Gang zum Zahnarzt ausfallen lassen.
Verbesserungsbedarf sieht man auch bei der Kommunikation und dem Internetauftritt der Krankenkasse. Viele Dokumente würden den Versicherten oft nur in französischer Sprache zugestellt, wobei viele nicht über ausreichende Französischkenntnisse verfügten, um den Inhalt zu verstehen. Außerdem finde man auf den unterschiedlichen Internetseiten teils widersprüchliche Informationen.
Überhaupt hinke man bei der Digitalisierung hinterher, obwohl der Aktionsplan esanté bereits 2006 lanciert wurde. Der Zugang zu vielen Dokumenten sei zu umständlich und dauere zu lange. Abhilfe könnte eine App schaffen, wie sie bereits von der Ärztevereinigung AMMD angeboten wird. „Wir hätten uns eine solche Initiative eigentlich von der Regierung erwartet“, meint Knebeler. Eine staatliche App müsse jedoch auf jeden Fall kostenlos sein.
In Bezug auf die Arbeitsunfähigkeit soll im Fall eines Reclassement interne die fällige Entschädigung integral vom Arbeitgeber bezahlt werden. Dieser soll später einen Teil der Summe vom Fonds de l’emploi zurückerstattet bekommen. Auch soll die Maßnahme des Reclassement künftig für jeden zugänglich sein.
Gesetz zu den Babyjahren soll
klarer formuliert werden
Eine weitere Baustelle ist laut Knebeler die Anerkennung der sogenannten Babyjahre. Wenn ein oder beide Elternteile nicht arbeiten, weil sie sich um die Erziehung ihres Nachwuchses kümmern wollen, können sie sich bis zu 24 Monate pro Kind bei ihrer Rente anrechnen lassen. Diese können auch zwischen den Partnern aufgeteilt werden. Bedingung ist, dass es sich um ein leibliches respektive adoptiertes Kind handelt, das zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Berufskarriere jünger als vier Jahre alt war. Sollte zwischen den Eltern keine Einigkeit herrschen, wem die Babyjahre zustehen, gehen sie an den, der sich hauptsächlich um die Erziehung der Kinder gekümmert hat.
Hier fordert der LCGB eine Überarbeitung des Gesetzes mit einer klareren Formulierung und konkreten Kriterien. Außerdem soll es künftig möglich sein, dass sich Eltern die Babyjahre später anders aufteilen, wenn beide Partner damit einverstanden sind. Zurzeit ist dies nämlich nicht der Fall. Kritisiert wird ebenfalls, dass wenn der Antrag eines Elternteils abgelehnt wird, jener des anderen ebenfalls keine Chance auf Annahme hat.
Generell kann man beim LCGB nicht nachvollziehen, wieso sich die Umsetzung so vieler Projekte verzögert. „Wir sind uns alle sechs Monate in der Quadripartite einig, dass es zu langsam vorangeht, aber es passiert nichts.“Es sei Aufgabe der beiden für Soziales zuständigen Minister, hier für Verbesserungen zu sorgen.
Wir sind uns alle sechs Monate in der Quadripartite einig, dass es zu langsam vorangeht, aber es passiert nichts. Christophe Knebeler