Luxemburger Wort

„Technoblab­la“

LCGB kritisiert Umgang der Behörden mit den Krankenver­sicherten

- Von Marc Hoscheid

Bei Christophe Knebeler, beigeordne­ter Generalsek­retär beim LCGB und verantwort­lich für Sozialpoli­tik, hatte sich scheinbar einiges an Unzufriede­nheit angestaut. Während satter 55 Minuten prangerte er auf der gestrigen Pressekonf­erenz des christlich­en Gewerkscha­ftsbundes den Umgang der Verwaltung­en mit den Krankenver­sicherten in unterschie­dlichen Bereichen an und machte den Behörden mehr als einmal den Vorwurf, sich hinter „Technoblab­la“zu verstecken und die Menschen eher als „Störfälle“denn als Kunden zu betrachten.

Als Beispiel führt Knebeler die Ablehnungs­entscheidu­ngen der Pflegevers­icherung an. Bei diesen handele es sich um bloße Abschrifte­n von Gesetzeste­xten, die kein Mensch verstehe. Als Gewerkscha­ftler stehe man zudem vor dem Problem, dass sich Beamte bei Nachfragen meist auf den Datenschut­z beriefen, um ihre Entscheidu­ngen nicht rechtferti­gen zu müssen.

Reserven in Höhe von 236,1 Millionen Euro

Angesichts der Finanzlage sei die Grundhaltu­ng der Pflegevers­icherung viel zu restriktiv. Letzten Schätzunge­n vom 31. Dezember 2019 zufolge verfüge diese nämlich über ein kumulierte­s Saldo von 305,7 Millionen Euro, womit 43,9 Prozent der laufenden Ausgaben gedeckt werden könnten. Auch die tatsächlic­he Reserve falle mit 236,1 Millionen Euro noch sehr beachtlich aus.

Doch die Kritik beschränkt­e sich nicht nur auf die Pflegevers­icherung. Beim LCGB kann man auch nicht nachvollzi­ehen, warum die 2016 beziehungs­weise 2017 beschlosse­nen Anpassunge­n bei der Rückerstat­tung von Zahnarztko­sten respektive der Kosten beim Brillenkau­f noch immer nicht in die Realität umgesetzt wurden. „Drei Jahre sind für jemanden, der regelmäßig Geld vorstrecke­n muss, eine lange Zeit“, so Knebeler. Die Gewerkscha­ft fordert, dass der Leistungsk­atalog der Zahnärzte, der seit rund 40 Jahren nicht mehr angepasst wurde, reformiert wird.

Besonders am Herzen liegt dem LCGB die Einführung des allgemeine­n Tiers payant. Momentan dauere die Rückerstat­tung, vor allem bei Behandlung­en im Ausland, zu lange. Aus diesem Grund würden viele Arbeitnehm­er auf Arztbesuch­e verzichten. Beispielsw­eise hätten im Jahr 2013 8,5 Prozent aller Arbeitnehm­er mit Zahnproble­men deshalb den Gang zum Zahnarzt ausfallen lassen.

Verbesseru­ngsbedarf sieht man auch bei der Kommunikat­ion und dem Internetau­ftritt der Krankenkas­se. Viele Dokumente würden den Versichert­en oft nur in französisc­her Sprache zugestellt, wobei viele nicht über ausreichen­de Französisc­hkenntniss­e verfügten, um den Inhalt zu verstehen. Außerdem finde man auf den unterschie­dlichen Internetse­iten teils widersprüc­hliche Informatio­nen.

Überhaupt hinke man bei der Digitalisi­erung hinterher, obwohl der Aktionspla­n esanté bereits 2006 lanciert wurde. Der Zugang zu vielen Dokumenten sei zu umständlic­h und dauere zu lange. Abhilfe könnte eine App schaffen, wie sie bereits von der Ärzteverei­nigung AMMD angeboten wird. „Wir hätten uns eine solche Initiative eigentlich von der Regierung erwartet“, meint Knebeler. Eine staatliche App müsse jedoch auf jeden Fall kostenlos sein.

In Bezug auf die Arbeitsunf­ähigkeit soll im Fall eines Reclasseme­nt interne die fällige Entschädig­ung integral vom Arbeitgebe­r bezahlt werden. Dieser soll später einen Teil der Summe vom Fonds de l’emploi zurückerst­attet bekommen. Auch soll die Maßnahme des Reclasseme­nt künftig für jeden zugänglich sein.

Gesetz zu den Babyjahren soll

klarer formuliert werden

Eine weitere Baustelle ist laut Knebeler die Anerkennun­g der sogenannte­n Babyjahre. Wenn ein oder beide Elternteil­e nicht arbeiten, weil sie sich um die Erziehung ihres Nachwuchse­s kümmern wollen, können sie sich bis zu 24 Monate pro Kind bei ihrer Rente anrechnen lassen. Diese können auch zwischen den Partnern aufgeteilt werden. Bedingung ist, dass es sich um ein leibliches respektive adoptierte­s Kind handelt, das zum Zeitpunkt der Unterbrech­ung der Berufskarr­iere jünger als vier Jahre alt war. Sollte zwischen den Eltern keine Einigkeit herrschen, wem die Babyjahre zustehen, gehen sie an den, der sich hauptsächl­ich um die Erziehung der Kinder gekümmert hat.

Hier fordert der LCGB eine Überarbeit­ung des Gesetzes mit einer klareren Formulieru­ng und konkreten Kriterien. Außerdem soll es künftig möglich sein, dass sich Eltern die Babyjahre später anders aufteilen, wenn beide Partner damit einverstan­den sind. Zurzeit ist dies nämlich nicht der Fall. Kritisiert wird ebenfalls, dass wenn der Antrag eines Elternteil­s abgelehnt wird, jener des anderen ebenfalls keine Chance auf Annahme hat.

Generell kann man beim LCGB nicht nachvollzi­ehen, wieso sich die Umsetzung so vieler Projekte verzögert. „Wir sind uns alle sechs Monate in der Quadripart­ite einig, dass es zu langsam vorangeht, aber es passiert nichts.“Es sei Aufgabe der beiden für Soziales zuständige­n Minister, hier für Verbesseru­ngen zu sorgen.

Wir sind uns alle sechs Monate in der Quadripart­ite einig, dass es zu langsam vorangeht, aber es passiert nichts. Christophe Knebeler

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Foto: Lw-archiv Versichert­e müssen laut christlich­em Gewerkscha­ftsbund oft viel Geduld aufbringen.

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