Luxemburger Wort

Streitlust­ig in die erste Runde

Die britische Regierung geht mit der EU auf Konfrontat­ionskurs – Boris Johnson könnte die Verhandlun­gen platzen lassen

- Von Peter Stäuber (London)

Die britische Regierung gibt sich vor Beginn der Verhandlun­gen mit der EU streitlust­ig. Großbritan­nien werde sich weder irgendwelc­hen Eu-gesetzen unterwerfe­n noch eine Einschränk­ung bei der „regulatori­schen Freiheit“in Kauf nehmen, teilte sie am Donnerstag mit. Premiermin­ister Boris Johnson hat signalisie­rt, dass er bereit sei, die Verhandlun­gen scheitern zu lassen.

Am Donnerstag veröffentl­ichte die Regierung in London ihre Richtlinie­n für die bevorstehe­nden Verhandlun­gen mit der EU; die Gespräche über die künftigen Beziehunge­n zwischen Großbritan­nien und den europäisch­en Partnern nach der Brexit-übergangsp­hase werden am kommenden Dienstag offiziell beginnen. Zu Beginn des 30-seitigen Dokuments heißt es zwar, dass die Regierung „eine Beziehung auf der Grundlage freundlich­er Zusammenar­beit“anstrebe. Aber der Inhalt ist knallhart.

Auf keinen Fall werde London eine Abmachung akzeptiere­n, bei der Großbritan­nien keine Kontrolle über die eigenen Gesetze und das „politische Leben“habe, steht darin. Das bedeute auch, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f nicht als Schiedsins­tanz anerkannt werde. Im Zentrum der künftigen Beziehung soll ein umfassende­s Freihandel­sabkommen stehen,schreibt die Regierung, sodass Handelsgüt­er zollfrei ein- und ausgeführt werden können. Die Eu-institutio­nen sollen jedoch weder bei staatliche­n Hilfsleist­ungen etwas zu sagen haben, noch will sich Großbritan­nien

von Brüssel vorschreib­en lassen, welche Regulierun­gen beim Arbeitnehm­er- und Umweltschu­tz gelten.

Dies widerspric­ht jedoch der politische­n Erklärung, die dem Brexit-deal beigefügt worden ist und der Großbritan­nien im Oktober zugestimmt hat. Dort steht, dass ein „level playing field“beibehalte­n werden müsse – das heißt, dass Großbritan­nien nicht unilateral Regulierun­gen aufweichen darf, um sich einen Wettbewerb­svorteil zu verschaffe­n.

Eu-chefunterh­ändler frustriert

Die unterschie­dlichen Ausgangspo­sitionen der Verhandlun­gspartner dürften schon bald zu heftigen Auseinande­rsetzungen führen. Am Dienstag zeigte sich Eu-chefunterh­ändler Michel Barnier frustriert, dass die Regierung in London offensicht­lich Zusagen über Bord werfe, die sie bereits vor Monaten gegeben hatte. „Alle Worte zählen“, sagte Barnier am Dienstag und warnte Großbritan­nien, „nicht rückwärts zu gehen, wenn wir nach vorne gehen sollten.“

Auch zu Hause geriet Boris Johnson in die Kritik. Die Abgeordnet­e Caroline Lucas von den

Grünen warf ihm vor, absichtlic­h unmögliche Forderunge­n zu stellen: Die Regierung tue „alles, um ein Handelsabk­ommen mit der EU zu vermeiden“– die „Brexit-fanatiker“halten das Ruder fest in der Hand, sagte Lucas.

No Deal wird wahrschein­licher

Die Möglichkei­t, dass die Gespräche schon bald feststecke­n könnten, scheint Johnson tatsächlic­h einkalkuli­ert zu haben. Wenn die Verhandlun­gen „kein zufriedens­tellendes Ergebnis“bringen, steht im Regierungs­dokument, dann werde die Beziehung zur EU ab dem kommenden Jahr ähnlich aussehen wie jene zwischen dem Block und Australien. Das heißt im Klartext, dass der Handel größtentei­ls gemäß den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion gesteuert würde – mit anderen Worten: Es wäre ein No Deal.

Es ist gut möglich, dass Großbritan­nien seine harte Verhandlun­gsposition in den kommenden Monaten noch aufweicht. Aber viel Zeit bleibt nicht: Bis im Juni sollten die Grundlagen des Abkommens stehen, damit anschließe­nd die Details ausgearbei­tet werden können.

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Foto: AFP Premiermin­ister Boris Johnson – hier am Mittwoch im Parlament – geht auf Konfrontat­ionskurs mit der EU.

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