Intensivpflege ist Mangelware
Erste Fälle der Ansteckung mit dem Corona-virus in Afrika wecken Zweifel an der Vorbereitung des Kontinents
Das Corona-virus (COVID-19) hat Afrika erreicht. Zwar wurden auf dem Kontinent mit mehr als einer Milliarde Bewohner erst zwei Fälle bestätigt. Doch es herrscht Zweifel, ob Afrika für eine Epidemie gewappnet wäre.
Die gute Nachricht vorweg: Jene afrikanische Staaten, die aufgrund ihrer Verbindung zu China das größte Risiko einer Übertragung tragen, haben zugleich die Mittel, eine Seuche einzudämmen. In der Touristenhochburg Südafrika sind Privatkliniken und die Krankenhäuser der Großstädte auf erste Verdachtsfälle vorbereitet. „Und ich bin zuversichtlich, dass sie dort erkannt und entsprechend gehandhabt werden“, sagt Wolfgang Preiser, Virologe der Universität Stellenbosch bei Kapstadt.
Sorge bereiten hingegen die Staaten, deren Gesundheitssystem von Bürgerkrieg, Korruption oder Armut lahmgelegt wurde. Vergangenes Wochenende trafen Afrikas Gesundheitsminister zu einem
Krisentreffen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zusammen. Dabei äußerte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, „große Sorge“vor einer Ausbreitung auf dem Kontinent. Zwar rufe das Virus in 80 Prozent der Patienten nur schwache Symptome hervor.
„Aber die übrigen 20 Prozent haben ernste Leiden, von Atemnot bis zu septischen Schocks und multiplem Organversagen. Diese Patienten benötigen Intensivpflege, die in vielen afrikanischen Ländern Mangelware ist, zum Beispiel Beatmungsgeräte.“Viele afrikanische Staaten haben ihre Notfallpläne für Epidemien seit dem Ausbruch der Schweinegrippe vor elf Jahren nicht mehr erneuert. Vorerkrankungen wie HIV/AIDS oder Tuberkulose machen die Bevölkerung vor allem im südlichen Afrika zusätzlich anfällig für das Corona-virus.
Und ein weiteres Risiko kommt für den Kontinent hinzu: der rege Austausch mit China. Etwa eine
Million Chinesen leben in Afrika. Sie wurden mancherorts in den letzten Wochen bereits zum Sündenbock für ein bevorstehendes Unheil auserkoren, ihre Läden und Restaurants boykottiert. Während einige afrikanische Airlines Flüge nach China strichen, fliegen andere immer noch Touristen, Studenten, Händler und Arbeiter in beide Richtungen. „Die Verbindungen zwischen Afrika und China stellen sicherlich ein potenzielles Einfallstor dar“, meint Virenexperte Preiser. Fiebermessung am Flughafen? Die Vorsichtsmaßnahme
sei eher von zweifelhaftem Nutzen – „ein Paracetamol genügt“.
Bei dem Krisentreffen in Äthiopien bekräftigten Afrika und die WHO ihre Zusammenarbeit. 11 000 Gesundheitsarbeiter auf dem ganzen Kontinent wurden spontan für den Ernstfall trainiert. Dennoch besteht Sorge, dass einzelne Regierungen den kollektiven Kampf gegen das Virus zunichtemachen könnten, indem sie Ansteckungsfälle vertuschen. Bereits Ende 2019 gab es Streit zwischen der WHO und Tansania. Der ostafrikanische Staat stand im Verdacht, eine Ebola-infektion zu verschweigen.
Afrikaner vertrauen traditionellen
Anführern mehr als Behörden Dabei sind Vertrauen und Transparenz entscheidend in der Seuchenbekämpfung – auch davon zeugt die gegenwärtige Ebola-epidemie. In der Demokratischen Republik Kongo wurden im letzten Jahr aufgrund verbreiteter Gerüchte und Legenden wiederholt Gesundheitsarbeiter angegriffen.
„Studien haben gezeigt, dass Menschen in Afrika traditionellen oder religiösen Anführern eher trauen als den Behörden“, meint die Afrikanistin Amy S. Patterson. „Das könnte zur Herausforderung im Kampf gegen COVID-19 werden.“
Auf Europa dürften Afrikas fragile Gesundheitssysteme vorerst keine Auswirkungen haben. „Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass das Virus in Europa angekommen ist, ehe es Afrika erreicht hat. Die kommerzielle Luftfahrt spielt bei der Übertragung eine wichtigere Rolle als etwa die Migration aus Afrika“, so Cobus van Staden, China-experte am Südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA).
Auch Mediziner Preiser vermutet, dass sich das Virus eher von Europa nach Afrika ausbreiten werde. Dort zieht man bereits Konsequenzen: Am Montag fing der ostafrikanische Inselstaat Mauritius einen Alitalia-flug aus Rom ab und verwehrte Dutzenden Reisenden aus Norditalien die Einreise.
Die kommerzielle Luftfahrt spielt bei der Übertragung eine wichtigere Rolle als etwa die Migration aus Afrika.
Experte Cobus van Staden