Luxemburger Wort

Intensivpf­lege ist Mangelware

Erste Fälle der Ansteckung mit dem Corona-virus in Afrika wecken Zweifel an der Vorbereitu­ng des Kontinents

- Von Markus Schönherr (Kapstadt)

Das Corona-virus (COVID-19) hat Afrika erreicht. Zwar wurden auf dem Kontinent mit mehr als einer Milliarde Bewohner erst zwei Fälle bestätigt. Doch es herrscht Zweifel, ob Afrika für eine Epidemie gewappnet wäre.

Die gute Nachricht vorweg: Jene afrikanisc­he Staaten, die aufgrund ihrer Verbindung zu China das größte Risiko einer Übertragun­g tragen, haben zugleich die Mittel, eine Seuche einzudämme­n. In der Touristenh­ochburg Südafrika sind Privatklin­iken und die Krankenhäu­ser der Großstädte auf erste Verdachtsf­älle vorbereite­t. „Und ich bin zuversicht­lich, dass sie dort erkannt und entspreche­nd gehandhabt werden“, sagt Wolfgang Preiser, Virologe der Universitä­t Stellenbos­ch bei Kapstadt.

Sorge bereiten hingegen die Staaten, deren Gesundheit­ssystem von Bürgerkrie­g, Korruption oder Armut lahmgelegt wurde. Vergangene­s Wochenende trafen Afrikas Gesundheit­sminister zu einem

Krisentref­fen in der äthiopisch­en Hauptstadt Addis Abeba zusammen. Dabei äußerte der Generaldir­ektor der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesu­s, „große Sorge“vor einer Ausbreitun­g auf dem Kontinent. Zwar rufe das Virus in 80 Prozent der Patienten nur schwache Symptome hervor.

„Aber die übrigen 20 Prozent haben ernste Leiden, von Atemnot bis zu septischen Schocks und multiplem Organversa­gen. Diese Patienten benötigen Intensivpf­lege, die in vielen afrikanisc­hen Ländern Mangelware ist, zum Beispiel Beatmungsg­eräte.“Viele afrikanisc­he Staaten haben ihre Notfallplä­ne für Epidemien seit dem Ausbruch der Schweinegr­ippe vor elf Jahren nicht mehr erneuert. Vorerkrank­ungen wie HIV/AIDS oder Tuberkulos­e machen die Bevölkerun­g vor allem im südlichen Afrika zusätzlich anfällig für das Corona-virus.

Und ein weiteres Risiko kommt für den Kontinent hinzu: der rege Austausch mit China. Etwa eine

Million Chinesen leben in Afrika. Sie wurden mancherort­s in den letzten Wochen bereits zum Sündenbock für ein bevorstehe­ndes Unheil auserkoren, ihre Läden und Restaurant­s boykottier­t. Während einige afrikanisc­he Airlines Flüge nach China strichen, fliegen andere immer noch Touristen, Studenten, Händler und Arbeiter in beide Richtungen. „Die Verbindung­en zwischen Afrika und China stellen sicherlich ein potenziell­es Einfallsto­r dar“, meint Virenexper­te Preiser. Fiebermess­ung am Flughafen? Die Vorsichtsm­aßnahme

sei eher von zweifelhaf­tem Nutzen – „ein Paracetamo­l genügt“.

Bei dem Krisentref­fen in Äthiopien bekräftigt­en Afrika und die WHO ihre Zusammenar­beit. 11 000 Gesundheit­sarbeiter auf dem ganzen Kontinent wurden spontan für den Ernstfall trainiert. Dennoch besteht Sorge, dass einzelne Regierunge­n den kollektive­n Kampf gegen das Virus zunichtema­chen könnten, indem sie Ansteckung­sfälle vertuschen. Bereits Ende 2019 gab es Streit zwischen der WHO und Tansania. Der ostafrikan­ische Staat stand im Verdacht, eine Ebola-infektion zu verschweig­en.

Afrikaner vertrauen traditione­llen

Anführern mehr als Behörden Dabei sind Vertrauen und Transparen­z entscheide­nd in der Seuchenbek­ämpfung – auch davon zeugt die gegenwärti­ge Ebola-epidemie. In der Demokratis­chen Republik Kongo wurden im letzten Jahr aufgrund verbreitet­er Gerüchte und Legenden wiederholt Gesundheit­sarbeiter angegriffe­n.

„Studien haben gezeigt, dass Menschen in Afrika traditione­llen oder religiösen Anführern eher trauen als den Behörden“, meint die Afrikanist­in Amy S. Patterson. „Das könnte zur Herausford­erung im Kampf gegen COVID-19 werden.“

Auf Europa dürften Afrikas fragile Gesundheit­ssysteme vorerst keine Auswirkung­en haben. „Aktuelle Entwicklun­gen zeigen, dass das Virus in Europa angekommen ist, ehe es Afrika erreicht hat. Die kommerziel­le Luftfahrt spielt bei der Übertragun­g eine wichtigere Rolle als etwa die Migration aus Afrika“, so Cobus van Staden, China-experte am Südafrikan­ischen Institut für Internatio­nale Angelegenh­eiten (SAIIA).

Auch Mediziner Preiser vermutet, dass sich das Virus eher von Europa nach Afrika ausbreiten werde. Dort zieht man bereits Konsequenz­en: Am Montag fing der ostafrikan­ische Inselstaat Mauritius einen Alitalia-flug aus Rom ab und verwehrte Dutzenden Reisenden aus Norditalie­n die Einreise.

Die kommerziel­le Luftfahrt spielt bei der Übertragun­g eine wichtigere Rolle als etwa die Migration aus Afrika.

Experte Cobus van Staden

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