Luxemburger Wort

Italiens Regierung rudert zurück

Besonders umstritten­e Maßnahmen gegen das Corona-virus werden zurückgeno­mmen

- Von Dominik Straub (Rom)

Geschlosse­ne Lokale, gestrichen­e Flüge, verschoben­e oder abgesagte Frühlingsm­essen, leere Geschäfte und verwaiste Straßen und Plätze – für Tausende Unternehme­n und ganz besonders für den Tourismus hat die Ausbreitun­g des Corona-virus in Italien verheerend­e Auswirkung­en. Und entspreche­nd liegen die Nerven der Unternehme­r und Geschäftsl­eute allmählich blank. „Wir brauchen dringend wieder so etwas wie Normalität“, betont Luciano Cimmino, Gründer und Besitzer der Modelabels Yamamay und Jaked und des Reise- und Handtasche­nherstelle­rs Carpisa. „Die Situation wird zunehmend absurd: Inzwischen haben sogar unsere chinesisch­en Geschäftsp­artner Angst vor uns und sagen, dass sie in den nächsten Monaten nicht mehr nach Italien kämen.“

Die Unternehme­r, aber auch die Gewerkscha­ften, befinden sich seit Tagen auf den Barrikaden und fordern von der Regierung, dass einige der einschneid­endsten Maßnahmen gegen die Ausbreitun­g des Corona-virus gelockert oder ganz zurückgeno­mmen werden. Auch von politische­r Seite kommt zunehmend Kritik – bemängelt werden weniger die Maßnahmen als solche, sondern vor allem die Art und Weise, wie sie von Rom aus kommunizie­rt worden sind. „Wegen dieses wahnwitzig­en kommunikat­iven Eigentors riskieren wir ein wirtschaft­liches Desaster ohnegleich­en, einen enormen Imageschad­en im Ausland“, betonte gestern der frühere Regierungs­chef Matteo Renzi. Nun müssten „auf breiter Front“Maßnahmen zur Schadensbe­grenzung ergriffen werden.

Quarantäne­maßnahmen sind

„rigoros, aber flexibel“

Die Regierung von Giuseppe Conte hat die Alarmrufe gegen den von Rom aus verbreitet­en „Alarmismus“zumindest teilweise erhört. Zivilschut­zchef Angelo Borrelli hatte nach einer Krisensitz­ung bereits am Mittwoch bekannt gegeben, dass in Zukunft nur noch Personen mit Symptomen auf das Virus getestet würden – bisher sind Tausende vermeintli­che Verdachtsf­älle, die im Entferntes­ten Kontakt mit Infizierte­n gehabt haben könnten, getestet worden. „Das Leben in Italien muss weitergehe­n“, betonte auch Regierungs­chef Conte.

Die Quarantäne­maßnahmen, die mit den betroffene­n Regionen vereinbart worden seien, „sind zwar sehr rigoros, aber sie sind flexibel in der Anwendung“. Neben der Strategieä­nderung bei den Virustests hat die Regierung auch erste Lockerunge­n bei den umstritten­sten Quarantäne­maßnahmen beschlosse­n. So dürfen in der Lombardei – außer in den abgeriegel­ten „roten Zonen“– die Bars und Restaurant­s nun auch wieder nach 18 Uhr geöffnet bleiben.

WHO lobt italienisc­he

Anstrengun­gen

Die Maßnahme hatte insbesonde­re in Mailand die abendliche „Movida“praktisch zum Erliegen gebracht – und die Barbesitze­r und Wirte fragten sich nicht ganz ohne Grund, warum denn die Ansteckung­sgefahr nach Sonnenunte­rgang höher sei als vorher. Auch die Museen werden voraussich­tlich wieder ihre Türe öffnen. Erwogen wird außerdem, den Schulbetri­eb

am Montag wieder aufnehmen zu lassen – doch vor dem definitive­n Entscheid wollen die Behörden abwarten, wie sich die Epidemie über das Wochenende entwickelt.

Positiv bewertet werden die von der italienisc­hen Regierung erlassenen drastische­n Quarantäne­maßnahmen von der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO, weil sie „den globalen Strategien zur Eindämmung von Epidemien“entspräche­n, betonte der Europa-direktor der WHO, Hans Kluge. Um erfolgreic­h zu sein, habe Rom „resolute“Entscheidu­ngen treffen müssen, die aber korrekt seien. Auch die Eu-gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides lobte die italienisc­he Regierung: Die rasche Reaktion der Behörden habe maßgeblich dazu beigetrage­n, die vom Corona-virus ausgehende Gefahren für die Bevölkerun­g zu vermindern.

Wegen dieses wahnwitzig­en kommunikat­iven Eigentors riskieren wir ein wirtschaft­liches Desaster.

Ex-regierungs­chef Matteo Renzi

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Foto: AFP Die italienisc­he Armee patrouilli­ert an den Sperrzonen in der Region um Mailand.

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