Luxemburger Wort

Das Kalkül hinter dem Budget-nein

Österreich­s Jungkanzle­r Sebastian Kurz gibt in der EU wieder einmal den Ton an

- Von Andreas Schwarz (Wien) Karikatur: Florin Balaban

Österreich ist ein kleines Land in der Europäisch­en Union, aber eines, das entgegen dem vermeintli­chen Mainstream der Großen gerne den Ton anschlägt. Das war bei der großen Flüchtling­swelle 2015 so, als der damalige Außenminis­ter Sebastian Kurz gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel querschoss und die Schließung der sogenannte­n Mittelmeer­route propagiert­e. Das ist seit geraumer Zeit so, wenn sich Kanzler Kurz als zumindest Verbindung­sglied zwischen Brüssel und den aufmüpfige­n Visegrad-staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei sieht (und Verständni­s für Viktor Orban oder die polnische PIS zeigt). Und das ist bei den Verhandlun­gen um das Eu-budget so, wo Österreich mit den Nettozahle­rn Dänemark, Schweden und Niederland­e auf der Bremse steht: ein Prozent der Wirtschaft­sleistung ins Eu-budget, nicht mehr, lautet die Devise, mit der die „Sparsamen Vier“vergangene Woche den Eu-sondergipf­el zum Scheitern brachten.

Kleinere EU soll sparen

Dabei war Eu-haushaltsk­ommissar Johannes Hahn, ein Österreich­er und aus der ÖVP wie Sebastian Kurz, davor noch optimistis­ch gewesen: Er drängte auf ein höheres Eu-budget mit höheren Beitragsle­istungen und rechnete mit einer Einigung. Aber Kurz sah das anders: „Nun, da wir eine kleinere Union von 27 Staaten sind, müssen wir uns nach der Decke strecken.“Durch den Brexit fehlen laut Diplomaten zwar 60 Milliarden Euro, aber, so die Regierungs­chefs Mark Rutte (Niederland­e), Mette Frederikse­n (Dänemark), Stefan Löfven (Schweden) und Kurz in einem Gastkommen­tar für die „Financial Times“: „Wir sind bereit, deutlich mehr an die EU zu zahlen, als wir zurückbeko­mmen. Es gibt aber Grenzen.“Man bestehe auf „dauerhafte­n Nettokorre­kturen, um exzessive

Ungleichge­wichte beim Budget zu verhindern.“

Fakt ist: Österreich zahlte 2018 3,5 Milliarden Euro ins Eu-budget und erhielt 1,95 Milliarden für Euprojekte im Land über diverse Fonds und Förderunge­n retour. Für den Finanzrahm­en 2021-2027 hatte die Eu-kommission eine Erhöhung der Mitgliedsb­eiträge auf 1,114 Prozent des Bruttonati­onaleinkom­mens gefordert, das Euparlamen­t gar 1,3 Prozent (und Ratspräsid­ent Charles Michel 1,074 Prozent). Das hätte für Österreich Mehrzahlun­gen von 800 Millionen respektive 1,5 Milliarden Euro bedeutet.

Dabei hatte es beim Gipfel offenbar Zugeständn­isse an die Nettozahle­r gegeben, ihre sogenannte­n „Rabatte“bei den Zahlungen zu behalten. Für Österreich sei zudem ein Rabatt von 100 Millionen Euro vorgesehen gewesen, hieß es, während hingegen die österreich­ischen Delegation­en von SPÖ und Grünen im Eu-parlament für ein Auslaufen der Rabatte plädierten

– plus Othmar Karas von der ÖVP. Der ehemalige Delegation­sleiter liegt mit den Türkisen in Wien bei Eu-themen immer wieder quer und sprach von „Rosinenpic­kerei“.

Die Kritik an den „Sparsamen Vier“lautet, dass man nicht für einen Green Deal und ein umfangreic­hes Klimaschut­zpaket beziehungs­weise, wie im Falle Österreich­s, für einen verstärkte­n Außengrenz­schutz sein könne und gleichzeit­ig nicht die notwendige­n Ressourcen dafür bereitstel­len mag. „Nicht akzeptabel“, nannte das Eu-parlaments­präsident David Sassoli.

Österreich­s Position dagegen lautet, dass eine verkleiner­te EU nicht mehr Geld brauche und auf ihren Haushalt schauen müsse. Und, so Eu-ministerin Karoline Edstadler: Regierunge­n, die sich nicht an Grundwerte halten, sollen weniger Geld aus dem Eu-topf bekommen. Das ist dann doch – trotz aller Kurz-freundlich­keiten gegenüber Viktor Orban & Co. – eine deutliche Position vor allem zu Ungarn und Polen, die beim Thema Rechtsstaa­tlichkeit mit Brüssel im (Verfahrens-)clinch liegen. Tschechien­s Ministerpr­äsident Andrej Babis reagierte beim Gipfel vergangene Woche auch besonders sauer auf diese Position: Gleichzeit­ig bestünden Österreich und die anderen Nettozahle­r auf ihren Rabatten, „das bezahlen die anderen. Hier geht es um 14,5 Milliarden Euro“.

Es ist noch offen, wann. Aber am Ende wird es eine Einigung geben. Und Österreich, diese Signale hört man, wird im Gegenzug für die Beibehaltu­ng der Rabatte von der strikten 1-Prozent-forderung abgehen.

Kurz hat sein Image gefestigt

Aber, was Sebastian Kurz mit seiner Hartnäckig­keit – wieder einmal – erreicht hat: das Bild in der Öffentlich­keit, dass er sich nicht von Europa treiben lässt, sondern dass er gewillt ist, in Europa den Ton mit anzugeben. Der junge Kanzler nimmt es mit den Granden wie Angela Merkel und Emmanuel Macron ungeniert auf, ist souverän in der Argumentat­ion und zeigt dem Wahlvolk daheim: Ich kämpfe für Euch, ob das in Sachen Flüchtling­e oder Geld ist. Und das mit relativ geringem Risiko: Der Koalitions­partner, die Grünen, ist insgeheim ohnehin für mehr Mittel ins Eu-budget, und wenn’s dann tatsächlic­h ein bisschen mehr werden sollte, werden vielleicht die Freiheitli­chen den „Umfaller“geißeln – aber FPÖ und SPÖ werden als Opposition im Moment ohnehin kaum wahrgenomm­en. Wahrgenomm­en wird hingegen Kurz als Europäer im Dienste seines Landes, so der wohl beabsichti­gte Spin im Kanzleramt. Und für einen Jungpoliti­ker, dem nachgesagt wird, dass er früher oder später nach höheren Weihen in der EU strebt, ist das ständige Markieren und Allianzen-schmieden in Europa ja auch nicht schlecht.

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