Das Kalkül hinter dem Budget-nein
Österreichs Jungkanzler Sebastian Kurz gibt in der EU wieder einmal den Ton an
Österreich ist ein kleines Land in der Europäischen Union, aber eines, das entgegen dem vermeintlichen Mainstream der Großen gerne den Ton anschlägt. Das war bei der großen Flüchtlingswelle 2015 so, als der damalige Außenminister Sebastian Kurz gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel querschoss und die Schließung der sogenannten Mittelmeerroute propagierte. Das ist seit geraumer Zeit so, wenn sich Kanzler Kurz als zumindest Verbindungsglied zwischen Brüssel und den aufmüpfigen Visegrad-staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei sieht (und Verständnis für Viktor Orban oder die polnische PIS zeigt). Und das ist bei den Verhandlungen um das Eu-budget so, wo Österreich mit den Nettozahlern Dänemark, Schweden und Niederlande auf der Bremse steht: ein Prozent der Wirtschaftsleistung ins Eu-budget, nicht mehr, lautet die Devise, mit der die „Sparsamen Vier“vergangene Woche den Eu-sondergipfel zum Scheitern brachten.
Kleinere EU soll sparen
Dabei war Eu-haushaltskommissar Johannes Hahn, ein Österreicher und aus der ÖVP wie Sebastian Kurz, davor noch optimistisch gewesen: Er drängte auf ein höheres Eu-budget mit höheren Beitragsleistungen und rechnete mit einer Einigung. Aber Kurz sah das anders: „Nun, da wir eine kleinere Union von 27 Staaten sind, müssen wir uns nach der Decke strecken.“Durch den Brexit fehlen laut Diplomaten zwar 60 Milliarden Euro, aber, so die Regierungschefs Mark Rutte (Niederlande), Mette Frederiksen (Dänemark), Stefan Löfven (Schweden) und Kurz in einem Gastkommentar für die „Financial Times“: „Wir sind bereit, deutlich mehr an die EU zu zahlen, als wir zurückbekommen. Es gibt aber Grenzen.“Man bestehe auf „dauerhaften Nettokorrekturen, um exzessive
Ungleichgewichte beim Budget zu verhindern.“
Fakt ist: Österreich zahlte 2018 3,5 Milliarden Euro ins Eu-budget und erhielt 1,95 Milliarden für Euprojekte im Land über diverse Fonds und Förderungen retour. Für den Finanzrahmen 2021-2027 hatte die Eu-kommission eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge auf 1,114 Prozent des Bruttonationaleinkommens gefordert, das Euparlament gar 1,3 Prozent (und Ratspräsident Charles Michel 1,074 Prozent). Das hätte für Österreich Mehrzahlungen von 800 Millionen respektive 1,5 Milliarden Euro bedeutet.
Dabei hatte es beim Gipfel offenbar Zugeständnisse an die Nettozahler gegeben, ihre sogenannten „Rabatte“bei den Zahlungen zu behalten. Für Österreich sei zudem ein Rabatt von 100 Millionen Euro vorgesehen gewesen, hieß es, während hingegen die österreichischen Delegationen von SPÖ und Grünen im Eu-parlament für ein Auslaufen der Rabatte plädierten
– plus Othmar Karas von der ÖVP. Der ehemalige Delegationsleiter liegt mit den Türkisen in Wien bei Eu-themen immer wieder quer und sprach von „Rosinenpickerei“.
Die Kritik an den „Sparsamen Vier“lautet, dass man nicht für einen Green Deal und ein umfangreiches Klimaschutzpaket beziehungsweise, wie im Falle Österreichs, für einen verstärkten Außengrenzschutz sein könne und gleichzeitig nicht die notwendigen Ressourcen dafür bereitstellen mag. „Nicht akzeptabel“, nannte das Eu-parlamentspräsident David Sassoli.
Österreichs Position dagegen lautet, dass eine verkleinerte EU nicht mehr Geld brauche und auf ihren Haushalt schauen müsse. Und, so Eu-ministerin Karoline Edstadler: Regierungen, die sich nicht an Grundwerte halten, sollen weniger Geld aus dem Eu-topf bekommen. Das ist dann doch – trotz aller Kurz-freundlichkeiten gegenüber Viktor Orban & Co. – eine deutliche Position vor allem zu Ungarn und Polen, die beim Thema Rechtsstaatlichkeit mit Brüssel im (Verfahrens-)clinch liegen. Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis reagierte beim Gipfel vergangene Woche auch besonders sauer auf diese Position: Gleichzeitig bestünden Österreich und die anderen Nettozahler auf ihren Rabatten, „das bezahlen die anderen. Hier geht es um 14,5 Milliarden Euro“.
Es ist noch offen, wann. Aber am Ende wird es eine Einigung geben. Und Österreich, diese Signale hört man, wird im Gegenzug für die Beibehaltung der Rabatte von der strikten 1-Prozent-forderung abgehen.
Kurz hat sein Image gefestigt
Aber, was Sebastian Kurz mit seiner Hartnäckigkeit – wieder einmal – erreicht hat: das Bild in der Öffentlichkeit, dass er sich nicht von Europa treiben lässt, sondern dass er gewillt ist, in Europa den Ton mit anzugeben. Der junge Kanzler nimmt es mit den Granden wie Angela Merkel und Emmanuel Macron ungeniert auf, ist souverän in der Argumentation und zeigt dem Wahlvolk daheim: Ich kämpfe für Euch, ob das in Sachen Flüchtlinge oder Geld ist. Und das mit relativ geringem Risiko: Der Koalitionspartner, die Grünen, ist insgeheim ohnehin für mehr Mittel ins Eu-budget, und wenn’s dann tatsächlich ein bisschen mehr werden sollte, werden vielleicht die Freiheitlichen den „Umfaller“geißeln – aber FPÖ und SPÖ werden als Opposition im Moment ohnehin kaum wahrgenommen. Wahrgenommen wird hingegen Kurz als Europäer im Dienste seines Landes, so der wohl beabsichtigte Spin im Kanzleramt. Und für einen Jungpolitiker, dem nachgesagt wird, dass er früher oder später nach höheren Weihen in der EU strebt, ist das ständige Markieren und Allianzen-schmieden in Europa ja auch nicht schlecht.