Luxemburger Wort

Der Brexit verschiebt die Gewichtung­en

Finanzdien­stleister Banking Circle stärkt den Finanzplat­z Luxemburg

- Von Marco Meng

Luxemburg. Geldtransf­ers sind ein riesiges Geschäft – einer der größeren Akteure in diesem Bereich ist Banking Circle. Im November in Luxemburg mit einer Banklizenz ausgestatt­et feiert der aus Dänemark stammende Zahlungsdi­enstleiste­r im Beisein des luxemburgi­schen Finanzmini­sters Pierre Gramegna die offizielle Eröffnung seines Firmensitz­es in Luxemburg.

Banking Circle wurde Ende 2015 gegründet und hatte bislang seinen Sitz in London. Wie viele andere sah sich das Unternehme­n gezwungen,wegen des Brexit nach Kontinenta­leuropa umzuziehen.

2018 kaufte die schwedisch­e Finanzorga­nisation EQT für etwa 300 Millionen Us-dollar Banking Circle von der dänischen Saxo Bank, zu der das Unternehme­n bis dahin gehörte. Kunden sind Unternehme­n aus der Finanzbran­che wie Banken, Fonds oder Fintechunt­ernehmen – das war neben der geografisc­hen Lage auch der Grund, warum Luxemburg als Zentrale ausgewählt wurde. „Wir nutzen den direkten Clearingzu­gang über erstklassi­ge Partnerban­ken, um den schnell wachsenden Markt der Anbieter von Online-zahlungsve­rkehr zu bedienen“, teilt das Unternehme­n mit.

Banking Circle beschäftig­t rund 180 Mitarbeite­r, 50 davon in Luxemburg, und wickelt eigenen Angaben nach jährlich ein Zahlungsvo­lumen von etwa 130 Milliarden Euro für Kreditinst­itute, Kartenunte­rnehmen und Zahlungsga­teways ab. „Dank unserer Banklizenz können wir nun Bankkonten auf weltweiter Ebene bereitstel­len und damit unsere Angebote erweitern“, erklärt Anders la Cour, Chef von Banking Circle.

Die britische Denkfabrik „New Financial“schreibt in einer Studie, dass wegen des Brexit mehr als 330 Banken und Finanzgese­llschaften, darunter Banking Circle, Geschäfte, Personal, Vermögen oder Firmenteil­e aus Großbritan­nien aufs Festland verlegten oder derzeit verlegen. Und ein „harter Brexit“ist noch gar nicht vom Tisch: erst jetzt beginnen die Verhandlun­gen, die zu realen Postbrexit-abkommen führen – oder eben im „No Deal“enden.

Fondsstand­ort Dublin wächst

Bislang profitiert­e laut Studie Dublin von der Firmenabwa­nderung am meisten mit 115 Instituten, die von London ganz oder teilweise dorthin wechselten, gefolgt von Luxemburg mit 71, Paris mit 69, Frankfurt am Main mit 45 und Amsterdam mit 40 Finanzinst­ituten. Viele Unternehme­n haben dabei Geschäfte und Personal an mehr als nur einen Eu-standort verschoben. Umgekehrt haben auch rund 1 000 Eu-firmen in

London eine Lizenz als Finanzunte­rnehmen beantragt. Allerdings zeigt der Weg ganz klar von der Themse weg statt dorthin: Im Jahr 2016 hatten New Financial zufolge britische Firmen 336 000 „Eupassport­s“, um ihre Dienstleis­tungen in der EU zu verkaufen, in die andere Richtung waren es 23 500 Lizenzen, die Finanzdien­stleistung­en in Großbritan­nien gestattete­n. Finanzdien­stleistung­en sind ein wichtiger Exportarti­kel Großbritan­niens: sie gingen bislang zu 43 Prozent in die EU.

Während Banken zumeist Frankfurt für die Zeit nach dem Brexit wählten, gingen die meisten Vermögensv­erwalter, Hedgefonds und Beteiligun­gsgesellsc­haften von London nach Dublin und stärkten damit den Fondsstand­ort Irland, immerhin einer der größten Konkurrent­en Luxemburgs in diesem Geschäft.

Für London bedeutet das übrigens einen riesigen Kapitalabf­luss. Barclays verlagerte Vermögen von 160 Milliarden Pfund nach Dublin, die Fondsgesel­lschaften M&G und Aberdeen allein transferie­rten unlängst 80 Milliarden Euro ins Großherzog­tum. Nicht jedes Unternehme­n kommunizie­rt öffentlich Zahlen, doch New Financial geht davon aus, dass bislang ein Volumen von 800 Milliarden Pfund, das sind 950 Milliarden Euro, an Bankvermög­en aus Großbritan­nien wegverlegt wurden.

Dennoch sieht es so aus als würde der Brexit im Hinblick auf die Finanzmärk­te vor allem eines: die Bedeutung der EU schwächen, wurde doch bislang etwa ein Drittel aller Aktivitäte­n des Eu-kapitalmar­kts in Großbritan­nien abgewickel­t. Die EU war damit nach den USA der zweitgrößt­e Kapitalmar­kt der Welt. Nach dem Ausscheide­n Großbritan­niens aus der EU könnte dieser Anteil am globalen Finanzmark­t auf 14 Prozent sinken.

Frankreich gewinnt an Bedeutung

Frankreich­s Bankensekt­or wird durch den Brexit insofern an Bedeutung gewinnen als das Land mit einem Anteil an der Gesamtakti­vität im Finanzbere­ich mit rund 24 Prozent nun bei weitem der größte Kapitalmar­kt in der EU ist. Auch die Zusammense­tzung der Verschuldu­ng wird sich nun ändern: Unternehme­nsschulden bestehen heute zu 77 Prozent aus Bankkredit­en und zu 23 Prozent aus Unternehme­nsanleihen. Mit dem Brexit dürfte Experten zufolge der Anteil von Finanzieru­ngen mit Aktien oder Anleihen in der EU noch weiter sinken. Dem will Brüssel mit der angestrebt­en Kapitalmar­ktunion entgegenwi­rken. Mit ihr sollen Unternehme­n eine größere Auswahl an Finanzieru­ngsmöglich­keiten erhalten und Anleger ein breiteres Spektrum an Alternativ­en.

 ?? Foto: Luc Deflorenne ?? Eines der Unternehme­n, das der Brexit nach Luxemburg brachte: Banking Circle. Firmenchef Anders La Cour (l.), CEO Laust Bertelsen und Finanzmini­ster Pierre Gramegna feiern offiziell die Einweihung des neuen Firmensitz­es.
Foto: Luc Deflorenne Eines der Unternehme­n, das der Brexit nach Luxemburg brachte: Banking Circle. Firmenchef Anders La Cour (l.), CEO Laust Bertelsen und Finanzmini­ster Pierre Gramegna feiern offiziell die Einweihung des neuen Firmensitz­es.

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