„Ein Laboratorium für Mobilität“
Luxemburg führt morgen als erstes Land der Welt den kostenlosen öffentlichen Transport ein
Luxemburg. R&B, Hip-hop, Tanzeinlagen und schicke Filmchen über das multimodale Verkehrsangebot in Luxemburg – die Botschaft, die das Mobilitätsministerium gestern vermitteln wollte, ist klar: Die öffentlichen Verkehrsmittel in Luxemburg sind nicht nur in Zukunft gratis, sondern sie werden auch immer moderner, performanter und qualitativ hochwertiger. Rund 60 Medienvertreter aus dem In- und Ausland waren zur Pressekonferenz im Tramdepot in Kirchberg akkreditiert – jenem Ort, zu dem morgen auch die Bürger geladen sind, um den Auftakt des Gratistransports gebührend zu feiern (siehe Kasten).
Einen Tag früher als geplant – schon zum morgigen 29. Februar – wird Luxemburg als erstes Land der Welt den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr einführen. Ein Schritt, den Mobilitätsminister François Bausch gestern nochmals eingehend erklärte. „Die Regierung möchte, dass Luxemburg in Sachen Mobilität ein Laboratorium wird“, so Bausch. Mobilitätsprobleme gebe es auf der ganzen Welt, insbesondere im urbanen Raum, und überall suche man nach Lösungen. „Luxemburg bietet sich perfekt an, um Experimente durchzuführen“, so der Minister mit Verweis auch auf die zahlreichen Pendler, die sich täglich nach Luxemburg begeben.
Geringe Kostendeckung
Auch das Gratisangebot sei als solches zu betrachten. Der Kostendeckungsgrad bei den Bussen liege heute bei lediglich sechs Prozent, bei der Bahn sind es zehn. Die Tarife in Luxemburg gehörten derweil zu den günstigsten in Europa. „Das, was nun wegfällt, macht somit nur einen kleinen Teil des Gesamtkostenpunkts aus.“In Euro bedeute dies für den Staat 41 Millionen Euro Mehrausgaben – hinzu kommen 16 Millionen Euro, die die Stadt Luxemburg durch den Wegfall der Ticketeinnahmen zusätzlich aufbringen muss. „Es ist nicht so, als ob dies keine nennenswerte Summe sei. Aber im Vergleich zu jener, die wir in das öffentliche Verkehrsnetz investieren, ist sie gering.“
Gratis bedeute aber natürlich nicht wirklich gratis. „Wenn ich sage Gratistransport, dann heißt das natürlich nicht, dass niemand mehr bezahlt“, so Bausch. „Der Transport wird über Steuergelder finanziert. Wir finden das insofern gerechter, als dass diejenigen, die hoch besteuert werden, auch einen größeren Anteil beisteuern als jene mit geringem Einkommen.“Demnach sei es auch als soziale Maßnahme zu begreifen.
Das Gratisangebot gilt für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel – Bus, Zug und Tram. Auch Grenzgänger profitieren, da der Luxemburger Anteil bei den grenzüberschreitenden Fahrten wegfällt. Kostenpflichtig bleibt lediglich die erste Klasse im Zug. Was das Personal angeht, unterstrich der Minister: „Ich bin ein absoluter Gegner von leeren Zügen und Bahnhöfen. Das Personal erhält andere Aufgaben, um Dienst am Kunden zu leisten – ihn zu beraten, für Sicherheit zu sorgen und sich auf seine wichtigste Mission, den Service au client, zu konzentrieren.“
Klare Ziele bis 2025
Der Minister betonte einmal mehr, dass es sich bei der Einführung des Gratistransports lediglich um einen Aspekt von vielen handele, und verwies auf die Mobilitätsstrategie Modu 2.0 für die kommenden Jahre, die „ein riesiges Investitionsprogramm“vorsehe. Die Ziele darin sind klar: 20 Prozent mehr Passagiere sollen bis 2025 mit den öffentlichen Verkehrsmitteln transportiert werden. Parallel dazu müsse sich aber auch beim Autoverkehr etwas ändern. „Jeden Morgen fahren 250 000 leere Autositze durch die Landschaft“, so Bausch. Im Schnitt ist jedes Auto heute mit nur 1,2 Personen besetzt – künftig soll diese Zahl auf 1,5 steigen. Schließlich müsse das öffentliche Verkehrsangebot viel attraktiver gestaltet werden als heute.
Allein in den Zugverkehr investiere der Staat zwischen 2018 und 2027 fast vier Milliarden Euro. Im europäischen Vergleich liegt Luxemburg mit 600 Euro pro Einwohner und Jahr somit auf dem ersten Platz. Zum Vergleich: In der Schweiz sind es 378 Euro, in Deutschland 64. All das spiegele sich auch in den Nutzerzahlen wider. Bei der CFL sei die Zahl der Passagiere binnen 15 Jahren um 70 Prozent gestiegen. Die Investitionen ins Tramnetz und den Busverkehr kommen noch hinzu. Neben der Erweiterung der Tramstrecke wird derzeit das komplette Rgtr-busnetz überarbeitet.
Bewusstsein schaffen
Auch Bürgermeisterin Lydie Polfer brachte die Herausforderung in Sachen Mobilität mit Zahlen auf den Punkt: „Die Hauptstadt macht zwei Prozent der Gesamtfläche des Landes aus. Die Hälfte davon sind Grünflächen und Wälder. Auf dem anderen einen Prozent der Fläche leben 20 Prozent der Einwohner. Auf ihr befinden sich aber auch 40 Prozent der Arbeitsplätze. All das erklärt, warum jeden Tag über 200 000 Pendler in die Hauptstadt kommen.“Eine Entwicklung, die sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren noch beschleunigt habe. „Wir müssen uns dieses Problems gemeinsam annehmen“, so Polfer. Vom Gratisangebot erwarte man sich, ein Bewusstsein bei den Menschen herbeizuführen, „dass sich manches ändern muss“– um auch in Zukunft eine hohe Lebensqualität zu bieten.