„Wichtiger Moment für die Psyche“
Für Jempy Drucker beginnt die heiße Phase der Saison mit zwei wichtigen Terminen in Belgien
Die Nervosität steigt. Die Vorfreude ebenfalls. Für Jempy Drucker beginnt am Wochenende ganz offiziell die schönste Periode der Radsportsaison. Es ist Klassikerzeit. In den kommenden zwei Monaten möchte der 33-Jährige seine Klasse abrufen und gerne auch für Furore sorgen. Die belgische Radsportsaison wird am Wochenende mit den beiden Eintagesrennen Omloop Het Nieuwsblad (Samstag) und Kuurnebrüssel-kuurne (Sonntag) eröffnet. Da darf Drucker natürlich nicht fehlen.
Jempy Drucker, kribbelt es schon etwas in Ihren Beinen?
So kann man es ausdrücken.
Ich bin sehr froh, dass die ersten Wettkämpfe in Belgien anstehen. Es ist immer wieder ein ganz besonderer Moment. Es handelt sich um das erste große Rendezvous des Jahres. Im Winter im Training sind dies die Rennen, für die man sich gerne quält, auch wenn das Wetter schlecht ist. Ich sehne mir die Eintagesrennen in Belgien stets herbei. Und wenn sie dann vor der Tür stehen, geht es plötzlich ganz schnell und sie sind Geschichte. Ich hoffe, die kommenden Wochen genießen zu können.
Im vergangenen Jahr endete Ihre Klassikerkampagne frühzeitig, weil Sie bei Dwars door Vlaanderen übel stürzten und Ihre anvisierten Saisonhöhepunkte anschließend verletzt verpassten. Haben Sie deshalb nun noch mehr Lust auf die anstehenden Wettkämpfe?
Die Fraktur des Querfortsatzes des sechsten Halswirbels war die bislang mit Abstand schwerste Verletzung in meiner Laufbahn. Ich musste vier Monate pausieren. Das war eine lange Zeit.
Doch ich bin wieder zurück. Im Herbst des vergangenen Jahres bestritt ich die Binckbank-tour mit einer Etappe, die in Geraardsbergen endete. Nun kehre ich endgültig auf mein Lieblingsterrain zurück. Es wird auch ein Test sein. Es ist ein wichtiger Moment für die Psyche. Ich bin sehr motiviert. Ich will zeigen, dass ich wieder der Alte bin und beispielsweise auf dem tückischen Terrain keine Probleme mit den Positionskämpfen habe. Ich will mir selber beweisen, dass ich nicht zögere.
Besteht die Gefahr, dass Sie Angst verspüren?
Nein. Das würde mich sehr wundern. Ich weiß, dass es keinen Moment der Ungewissheit oder des Zweifelns geben wird.
Sind Sie zufrieden mit Ihrem derzeitigen Formzustand, oder anders gefragt: Wie gut ist Ihre körperliche Verfassung derzeit?
Mir geht es gut. Die vergangenen Wochen verliefen ohne Probleme (knapp 2 000 km in zwölf Renntagen, Anmerkung der Redaktion). Ich konnte gut trainieren. An meiner physischen Verfassung habe ich nichts zu beanstanden. Ich bin bereit, um die kommenden Herausforderungen in Angriff zu nehmen.
Bei optimalen Bedingungen sammelt Jempy Drucker vergangene Woche wichtige Rennkilometer bei der Algarve-rundfahrt.
Mit welchen Ambitionen starten Sie am Wochenende? Was haben Sie sich vorgenommen?
Ich bin in etwa genauso gut in Form wie im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt. Wenn ich am Wochenende ähnlich abschneiden würde als 2019, wäre ich zufrieden. Ich wurde damals Sechster beim Omloop Het Nieuwsblad und regelte den Sprint der ersten Gruppe. Ich mag es nicht, über eine genaue Platzierung zu spekulieren. Ob Top 15, Top Ten oder Top Fünf, das ist eigentlich nur Nebensache. Ich will einfach ein gutes Rennen fahren und mein Leistungsmaximum abrufen. Gelingt mir dies, werde ich eine interessante Rolle spielen. Ich habe alles getan, um in Form zu sein. Meine Ambition ist es, in der ersten größeren Gruppe dabei zu sein. Welche Platzierung herausspringt, wird sich zeigen.
In Kuurne waren Sie bereits zwei Mal Sechster (2015 und 2018). Das Gleiche gilt für den Omloop
Het Nieuwsblad (2014, 2019). Welches der beiden Rennen liegt Ihnen besser?
Eigentlich gefällt mir der Omloop besser. Es ist ein schöneres Rennen, dementsprechend gehe ich dort stets etwas fokussierter an den Start. Ich kann auf dem Parcours meine Qualitäten ausspielen. Aber Tatsache ist auch, dass der Wettkampf rund um Kuurne am Sonntag die perfekte Gelegenheit zur Revanche bietet, sollte es am Samstag nicht so gut laufen. Vieles hängt davon ab, wie man sich von den Anstrengungen des Vortages erholt hat.
Meine Ambition ist es, in der ersten größeren Gruppe dabei zu sein.
Ihre Teamkollegen Peter Sagan, Daniel Oss und Pascal Ackermann sind alle am Wochenende nicht am Start. Schlüpfen Sie demnach in die Kapitänsrolle?
Lukas Pöstlberger (A) und ich besitzen einige Freiheiten. Diese wollen wir nutzen. Wir wollen an beiden Tagen im Finale in den entscheidenden Gruppen dabei sein und dann unsere Karten ausspielen. Wir müssen aufmerksam sein. Ich kann mir vorstellen, dass vor allem beim Omloop die richtige Attacke weit vor dem Ziel erfolgt. Vergangenes Jahr hat gezeigt, dass solche Angriffe von Erfolg gekrönt sein können. Ich denke, dieser Trend setzt sich während der Saison fort. Die Klassiker in Belgien sind immer animiert. Das schlechte Wetter mit Regen, Wind und kühlen Temperaturen wird die Aufgabe nicht einfacher machen. Aber das sind wir alle gewohnt.