Geländekutsche für den Adel
Das absolute Lieblingsauto der Queen – der Range Rover – feiert in diesem Jahr 50. Geburtstag
Solihull. Klimaschützer und Stadtplaner mögen jenen Tag irgendwann Mitte der 1960er-jahre verfluchen, als Charles Spencer King die Geschichten vom Jeep Wagoneer oder dem Ford Bronco zu viel wurden. Aber Tausende Mütter aus besseren Kreisen und Heerscharen von Abenteurern im Anzug sind dem Briten zu ewigem Dank verpflichtet – und die Queen hätte Mr. King eigentlich zum Ritter schlagen müssen. Schließlich hat er ihr absolutes Lieblingsauto gebaut, mit dem sie bis heute und tatsächlich gelegentlich selbst am Steuer sitzend ins Wochenende startet.
Denn King war Entwicklungschef bei Rover, hatte von seinen Onkeln Spencer und Maurice Wilks als Urvätern des Defender viel Land Rover im Blut und deshalb die Idee von einem Geländewagen, der nicht nur für die Highlands, sondern auch für die High Society taugt. Das war die Initialzündung für die Entwicklung des Range Rover, der als Mutter aller luxuriösen Allradler den Boden für Autos wie den Porsche Cayenne, den BMW X5, den Rolls-royce Cullinan oder demnächst sogar einen feldwegtauglichen Ferrari bereitet hat. Oldtimer-spezialist Frank Wilke sieht im ersten Range Rover eine Pionierleistung: „Mit der Idee, nicht einen Kombi geländegängig, sondern einen echten Geländewagen für die Straße komfortabler und schneller zu machen, haben die Briten unbeabsichtigt das Fahrzeugsegment der SUV erfunden.“
Welch großen Schritt die Briten mit dem Range Rover gemacht haben und wie weit sie ihrer Zeit damit voraus waren, kann man noch heute ermessen: Wenn man mit einem Klassiker aus dem ersten Jahren durch sein natürliches Habitat in den schottischen Highlands rollt.
Man thront über den Dingen, der V8-motor flutet den Innenraum mit molliger Wärme wie ein prasselndes Kaminfeuer. Der Beifahrer sitzt einen halben Meter weiter drüben, dazwischen eine Mittelkonsole von schier epischer Breite. Und wenn man sich erst einmal durch die großen, aber anfangs nur vorne vorhandenen Türen auf die Rückbank gefaltet hat, geht es auch dort ausgesprochen geräumig zu. Vom Kofferraum mit der bereits damals horizontal geteilten Klappe fürs Picknick auf dem Parkplatz im Grünen ganz zu schweigen.
Zwar rühmt sich der Range Rover als die Mutter aller Luxusgeländewagen, doch im Vergleich zu aktuellen Modellen geht es im Erstling noch vergleichsweise spartanisch zu. Das Armaturenbrett ist nicht etwa aus Wurzelholz, Karbon oder gebürstetem Aluminium, sondern aus schnödem Kunststoff. Auf den Böden liegen beige Wirkwaren und die Sitze sind mit einem Stoff bezogen, den man heute nicht einmal im Retro-hotel akzeptieren würde.
Durstiger Achtzylinder aus dem Hause Buick
Unter der Haube arbeitet ein bei Us-hersteller Buick eingekaufter Achtzylinder mit 3,5 Litern Hubraum und 99 kw (135 PS). Der Range Rover wiegt trotz der unverwüstlichen Aluminiumkarosserie rund zwei Tonnen, ist so windschnittig wie der Buckingham Palace und hat gefühlt einen Wendekreis wie ein Londoner Doppeldecker-bus. In engen Kurven wankt er wie die Queen Mary bei schwerer See – Eile ist fehl am Platz.
An der Tankstelle geben sich der alte Range Rover und die neuen SUV nicht viel: Sie können einen guten Schluck vertragen und stehen darum vergleichsweise oft an der Zapfsäule. Die Abkürzung SUV kennt bei der Premiere des Range Rover vor 50 Jahren indes noch kein Mensch.
Bis Mitte der 1980er-jahre war das Auto damit nahezu konkurrenzlos, sagt Oldtimer-analyst Wilke. „Erst dann zogen Firmen wie Jeep mit dem Cherokee und Mercedes-benz mit der aufgepeppten G-klasse nach.“Die Kunden verlangten laut Wilke immer mehr Luxus und Leistung, der Allradantrieb wurde eher zur Dreingabe und Einsätze im harten Gelände zur Ausnahme: So ist es kein
Wunder, dass mittlerweile Rollsroyce, Bentley und selbst Lamborghini Geländewagen bauen.
So sehr sich das Segment der Luxusgeländewagen weiter entwickelt hat, ist der Range Rover auch als Oldtimer immer noch sehr beliebt. Gefragt sind dabei laut Wilke vor alle die ganz frühen, spartanischen Range-rover-modelle, die noch einen „Suffix A“in der Fahrgestellnummer tragen, sowie die ganz späten Exemplare mit großen Motoren und Vollausstattung. Aber genau wie seine modernen Nachfahren ist auch ein klassischer Range Rover ein teures Vergnügen: Ordentliche Autos aus den ersten Jahren kosten in der Regel zwischen 30 000 und 40 000 Euro, gut erhaltene Fahrzeuge gibt es selten unter 50 000 Euro. Für komplett restaurierte Fahrzeuge muss man mit mehr als 80 000 Euro rechnen.
Kaufinteressenten sollten einige neuralgische Punkte beachten. So sollte man den Rahmen immer auch innen auf Korrosion prüfen, da der meist nur gesäubert und schwarz überlackiert wird. Bei der größtenteils aus Alu gefertigten Karosserie sollte man neben Korrosion auch auf gespachtelte Oberflächen achten und bei der Innenausstattung auf Vollständigkeit und Unversehrtheit. Ersatzteile, gerade Kunststoffteile fürs Cockpit, sind schwer zu beschaffen. Wem das zu heikel ist, dem bietet Land Rover eine vergleichsweise teure, aber sichere Alternative: Weltweit kauft die Abteilung Special Vehicle Operations des Autoherstellers handverlesene Klassiker auf, restauriert sie im Werk und verkauft sie als „Reborn“-modelle. Dann entspricht allerdings nicht nur der Zustand einem Neuwagen, sondern auch der Preis. dpa/tmn