Luxemburger Wort

„Ich bleibe hartnäckig“

Moderator Dirk Steffens über das Artensterb­en und ein fliegendes Spaghetti-monster

- Interview: Michael Juchmes

Die Aufnahmen der Bbc-dokumentat­ionsreihe „Unser blauer Planet“begeistern seit vielen Jahren Fernsehzus­chauer weltweit. Nun gibt es die besten Szenen des Formats auch auf der großen Leinwand, live untermalt vom Prague Philharmon­ic Orchestra. Als Moderator des Filmkonzer­tevents, das am Donnerstag, den 12. März, in der Arena in Trier gastiert, fungiert Dirk Steffens. Der Moderator der Zdf-reihe „Terra X“ist begeistert von den Aufnahmen, die den Lauf der Natur in einer packenden Form aufbereite­n konnten. Trotz der wundervoll­en Bilder sollte man jedoch nicht vergessen, in welcher Gefahr sich die Natur befindet. Was es damit auf sich hat, erklärt der 52-Jährige im Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“.

Dirk Steffens, wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass in der Natur etwas danebenläu­ft, dass der Mensch der Natur schadet?

Das kann ich Ihnen genau sagen. Das war 1996, als ich in Palau war, einem Inselstaat im Westpazifi­k. Beim Tauchen war ich beeindruck­t von der unvorstell­baren Schönheit des Riffs. Zwei Jahre später bin ich zurückgeke­hrt – und da war der größte Teil davon verschwund­en, denn es gab eine Korallenbl­eiche. Da ist mir aufgefalle­n, wie viel Natur in kürzester Zeit vernichtet werden kann – nicht etwa durch einen direkten Eingriff, sondern durch Umwelteinf­lüsse.

Sie sind seit 2008 Moderator der „Terra X“-formate. Haben Sie in dieser Zeit die Umweltzers­törung bewusster wahrgenomm­en?

Ich mache diesen Job bereits seit fast 30 Jahren – vor oder hinter der Kamera. Und man kehrt immer wieder an Orte zurück und dabei fällt jedes Mal auf, wie die Zerstörung angewachse­n ist. Dieses Erlebnis hatte ich nicht nur in Palau, sondern auch in der afrikanisc­hen Savanne, in den Anden in Südamerika, in Australien … wirklich überall. Ich hatte nie vor, Umweltschü­tzer zu werden und war auch keiner, als ich mit diesem Job angefangen habe. Aber die Welt um mich herum hat sich so verändert, dass ich unfreiwill­ig von einem Naturfilme­r zu einem Umweltrepo­rter oder sogar Krisenberi­chterstatt­er geworden bin.

Aus diesem Grund haben Sie auch mit Ihrer Frau Ende 2017 die Biodiversi­ty Foundation gegründet. Was sind die Ziele der Stiftung?

Das Artensterb­en ist das größte Problem, mit dem die Menschheit in diesem Jahrhunder­t konfrontie­rt ist. Es ist das größte Artensterb­en seit dem Verschwind­en der Dinosaurie­r. Und es bedroht unsere Gesundheit, unseren Wohlstand und unsere Sicherheit, kurzum die globale menschlich­e Zivilisati­on. Die Wissenscha­ft ist diesbezügl­ich schon gut informiert, anders als die Öffentlich­keit und die Politik. Das Thema ist – im Gegensatz zur Klimakrise – noch nicht richtig in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen. Unsere Stiftung versucht nun, den Wissenstra­nsfer zu übernehmen.

Inwieweit sind Sie dabei auf Hilfe von außen angewiesen?

Es gibt wohl keine Stiftung, die sagt: Hören Sie auf, uns zu unterstütz­en! Und auch wir können noch mehr Hilfe gebrauchen. Schlussend­lich geht es ja immer nur ums Geld. Egal was man erreichen will: Man muss es finanziere­n können. Spenden sind daher überaus wichtig. Und je mehr es davon gibt, desto mehr können wir auch tun.

Erreichen Sie auch die jüngere Generation? Oder ist diese bereits bestens aufgeklärt?

Tatsächlic­h ist deren Wissen größer, außerdem sind sie viel zugänglich­er. Wahrschein­lich fühlen sie auch, dass es um ihre Zukunft geht. Wer heute 20 Jahre alt ist, der kann sich – und das sage ich aus naturwisse­nschaftlic­her Sicht – nicht einfach ausruhen. Man muss dann davon ausgehen, dass das Leben nicht mehr so kommod weiterlauf­en wird, wie zu meiner Zeit. Die Jungen stehen vor dem Scherbenha­ufen und müssen sich überlegen, wie sie diesen klein halten oder wegräumen. Zum Glück ist die Jugend, weil sie nichts zu verlieren hat, auch immer bereit, neue Wege zu gehen.

Gibt es nicht Probleme, die aktuell wichtiger sind und daher mehr Aufmerksam­keit generieren?

Einfach ist es nicht … aber ich schrecke nicht davor zurück, direkt zu sagen: Wenn das Artensterb­en zuschlägt, ist alles völlig egal, denn dann stirbt auch der Mensch aus. Es ist doch das größte und wichtigste Thema überhaupt. Fragen hinsichtli­ch Demografie, Bedrohung von rechts und anderes stellen sich ja erst, wenn es überhaupt Menschen gibt, die in Gesellscha­ften leben können. Voraussetz­ung dafür ist aber die Artenvielf­alt. Leider sieht man das nicht sofort, wenn man das Fenster öffnet oder auf seinen Kontostand blickt. Leicht ist es daher nicht, die Leute zu erreichen – aber ich bleibe hartnäckig.

Gibt es auch Menschen, die diese Thesen ablehnen oder leugnen?

Na klar, es gibt ja auch Leute, die an das fliegende Spaghettim­onster glauben. (lacht) Bei der Klimakrise ist das beispielsw­eise falsch gelaufen. Der Zeitpunkt, zu dem man argumentat­iv noch hätte auf solche Einwände reagieren können, ist längst vorbei. Wir müssen uns jetzt daher um die ernsten Probleme kümmern. Und wenn ein geringer Prozentsat­z an ein Spaghetti-monster auf einer flachen Erde und nicht an den Klimawande­l glaubt, dann sollen sie das halt tun. Wir müssen sie daran hindern, uns bei der Problemlös­ung zu stören. Der Klimawande­l ist aber global gesehen nur ein kleiner Teil des Problems. Vielleicht müssen wir hier einen anderen Begriff benutzen, etwa Ökokrise. Da passt alles drunter: Artensterb­en, Klimakrise, Ozonund Wasserprob­lematik und vieles mehr.

Im April veröffentl­ichen Sie mit Fritz Habekuß ein Buch mit dem Titel „ÜBER LEBEN – Wie das Artensterb­en unsere Zukunft gefährdet.“Was erwartet die Leser?

Wir versuchen zunächst einmal zu erklären, welchen Wert die Natur und die Artenvielf­alt für uns hat – sowohl emotional als auch rein naturwisse­nschaftlic­h. Im zweiten Teil des Buches – und das ist ein wenig ungewöhnli­ch – versuchen wir darzulegen, was sich ändern müsste. Und damit meine ich nicht „weniger Plastik kaufen“, sondern inwieweit wir unsere Einstellun­g zur Natur ändern müssen, wie ein Wirtschaft­ssystem verfasst sein muss, damit es in einer begrenzten Welt dauerhaft überleben kann und was auch die Politik dazu beitragen kann. Wir bringen die Naturwisse­nschaft, die das Problem definiert, mit Lösungsans­ätzen zusammen.

Glauben Sie, dass das Ende der Welt, wie wir sie heute kennen, nahe ist?

Die Welt wird nicht morgen untergehen. Aber man muss davon ausgehen, dass wir über Jahrzehnte sprechen, die uns bleiben, um die Natur zu erhalten. Und die Einzigen, die das Wohl der Erde interessie­rt, das sind wir, die Menschen, die auf ihr leben. Eine Alternativ­e zu ihr gibt es nicht. Es gibt keinen zweiten Planeten, auf den wir ausweichen können.

Wer heute 20 Jahre alt ist, der kann sich nicht einfach ausruhen.

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Foto: Zdf/johanna Brinckman „Terra X“-moderator Dirk Steffens wollte bereits von Kindesbein­en an als Tierfilmer arbeiten.

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