Luxemburger Wort

Mit der Tram durch Europa

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Einst war es nur ein Traum. Vor einigen Jahren konnte sich niemand so recht vorstellen, dass wieder eine Straßenbah­n durch die Hauptstadt fahren würde. Stolz hatte die Regierung später mitteilen lassen, dass Luxemburg das erste Land sein würde, das die öffentlich­en Transportm­ittel für alle Nutzer auf seinem Territoriu­m gratis anbietet. Zur Premiere soll es nun Konzerte in den vier Bahnhöfen und auch sonst allerlei Schnicksch­nack unter dem Motto „Es ist ein großer Tag“geben. Wer vor Jahren eine Tram ausprobier­en wollte, der konnte in Straßburg vergnügt von einem Ende der Stadt zum anderen fahren oder in Basel und Zürich im Fünf-minuten-takt durch die City rauschen. Die Tram gilt in den meisten europäisch­en Städten längst wieder als en vogue: Banker und Studenten, Hausfrauen und Rentner, ein buntes Völkchen ist damit gegen einen geringen Obolus unterwegs. Als kleiner Junge fuhr ich mit der Linie „4“durch das vom Krieg zerstörte Frankfurt. Ein Schaffner verkaufte die Fahrkarten aus seinem Bauchladen, und an jeder Station bediente er eine Glocke, um dem im Führerhaus stehenden Fahrer die Abfahrt anzuzeigen. Heute fahren in Frankfurt – wie anderswo in Europa auch – voll klimatisie­rte Straßenbah­nen, die von ihren Fahrern aus einer Art Pilotenkan­zel gesteuert werden. Als junger Reporter habe ich vor Jahrzehnte­n über den Bau der Frankfurte­r Untergrund­bahn berichtet. Die Innenstadt glich einem aufgewühlt­en Ameisenhau­fen, schwere Bohrmaschi­nen fraßen sich durch gewaltige Felsmassen. Zehn Jahre hat es gedauert, bis die erste Tram unterwegs war. Die Geschäftsl­eute hatten Einbußen in Millionenh­öhe angemahnt. Alles vergessen, den Unkenrufen aus den Einkaufste­mpeln zum Trotz. Immer mehr europäisch­e Städte nutzen die Tram als Mittel gegen Stau und Parkplatzn­ot. Wer beispielsw­eise Prag erkunden will, steigt in die Linie 22. Die Neustädter Straßenbah­n fährt über die Moldau, dann weiter zum Hradschin. Zur Karlsbrück­e kommt man von der Station Malostrans­ké Námestí aus. Touristen wissen es zu schätzen, wenn sie preiswert und bequem durch Nantes, Straßburg oder Wien kutschiert werden. Und in Luxemburg muss man dafür noch nicht einmal mehr in die Brieftasch­e greifen.

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Foto: Gerry Huberty
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von Rainer Holbe

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