Luxemburger Wort

Profil verzweifel­t gesucht

Die deutsche Linke weiß nicht, wer sie sein will – das macht ihren Gegnern die Arbeit leicht

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Wenn die deutsche Linke in diesen Tagen Schlagzeil­en macht, dann geht es entweder um Bodo Ramelow – oder um Qassem Soleimani. Die Affäre um die Abwahl des bei den Regierten beliebten Thüringer, nun Exminister­präsidente­n beschäftig­t Deutschlan­d seit knapp vier Wochen – auch, weil sich die CDU dabei in eine existenzie­lle Krise laviert hat.

Dass am Donnerstag acht Linke-bundestags­abgeordnet­e Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) beim Generalbun­desanwalt angezeigt haben wegen „Beihilfe durch Unterlasse­n zum Mord“, zeigt die andere Seite der Partei: Die Parlamenta­rier vermuten, dass die Datenström­e zur Usarmy-drohne, die am 3. Januar den iranischen General tötete, über die Us-airbase im rheinland-pfälzische­n Ramstein geleitet wurden. Sie halten Merkel vor, dass sie damit „das Völkerrech­t bricht“.

So weit die Distanz zwischen Ramelow und Soleimani – so riesig sind die Differenze­n in der Partei, und so heftig wie die Attacke der Merkel-strafanzei­ger sind die

Angriffe innerhalb der Führungscr­ew der Linken. Zwar nennen sie sich offiziell noch Genossinne­n und Genossen. Aber in Wirklichke­it sind, verglichen etwa mit Parteichef­in Katja Kipping und Exfraktion­svorsitzen­der Sahra Wagenknech­t,

die Cdu-vorsitz-kontrahent­en Armin Laschet und Friedrich Merz Busenfreun­de.

Die aktuelle Lage der Linken – zweitklein­ste Opposition­spartei im Bundestag – ist hoch komplizier­t. Sie steckt in diversen chronische­n und akuten Krisen. Die vielleicht gefährlich­ste ist eine, die kaum bemerkt wird: 30 Jahre nach der friedliche­n Revolution in der DDR ist die Linke an sich uninteress­ant. Nicht einmal die Politikjun­kies im Berliner Regierungs­viertel wissen von der sogenannte­n Strategiek­onferenz an diesem Samstag und Sonntag in Kassel. Dort darf jeder, der mag, mit der Parteiführ­ung nach dem linken Profil suchen.

Pragmatike­r gegen Radikale

Nicht, dass die Partei keines hätte. Eher hat sie zu viele. Die radikalen Linken sehen sie als Grundsatzo­pposition und Systemspre­ngerin. Die pragmatisc­hen Reformer basteln an der Regierungs­fähigkeit mit SPD und Grünen oder andersheru­m.

Und dann gibt es noch eine Gruppe um Parteichef­in Kipping: Die macht ihr eigenes Ding und hat – anders als Co-vorsitzend­er Bernd Riexinger – nicht nur auf dem Papier etwas zu sagen. Wer im Bund also die Linke wählt, weiß nicht, was er kriegt.

Exakt diese Unentschie­denheit macht es Konkurrent­en und Gegnern leicht, ihr alle möglichen Etiketten

anzukleben: Extremiste­n, Radikale, Kommuniste­n. Das gebräuchli­chste – und wahrste – trägt die Aufschrift: Sed-nachfolgep­artei. Tatsächlic­h wurde die Herrscheri­n über die DDR nicht aufgelöst, sondern wandelte sich zur PDS und fusioniert­e dann mit der westdeutsc­hen WASG zur Linken. Das lässt Zweifel an ihrer Demokratie­treue zu – und die Konkurrenz schürt sie eifrig. Aber: Ihre Ddr-versionen – die sogenannte­n Blockparte­ien, die die Sed-herrschaft mitgetrage­n hatten – schluckten auch CDU und FDP. Dass ausgerechn­et sie die Linke besonders schmähen und in eine Reihe mit der Rechtsauße­npartei AFD stellen, bringt Christdemo­kraten wie Liberale in nicht nur argumentat­ive Bredouille­n. Und die Linke in Rage.

Tatsache ist, dass die Linke ihre Demokratie- und Regierungs­fähigkeit in diversen Bundesländ­ern nachgewies­en hat – und ihre Macht bislang nicht missbrauch­t. Tatsache ist aber auch, dass sie nicht einmal selbst weiß, wer sie ist und sein möchte. Allerdings unterschei­det sie das nicht von diversen anderen Parteien: CDU beispielsw­eise, SPD, FDP …

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Foto: dpa Einstige Zugpferde der Linken wie die ehemalige Fraktionsv­orsitzende Sahra Wagenknech­t und ihr Mann Oskar Lafontaine haben sich aus der ersten Reihe zurückgezo­gen.

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