Luxemburger Wort

Konsumente­n zu Verantwort­lichen hochstilis­iert

Die Bedingunge­n einer wirklichen Transition

-

Die Transition in Richtung nachhaltig­e Bewirtscha­ftung der Naturund Energieres­sourcen ist in aller Munde. Wissenscha­ftler wie Politiker fast jeder Couleur sind sich einig, dass es fünf vor zwölf ist und die Gesellscha­ft in ihrer Existenz bedroht ist, gelingt es nicht, in den nächsten zehn Jahren das Steuer herumzuwer­fen. Die Umsetzung dieser nachhaltig­en Bewirtscha­ftung ist jedoch „ein anderes Paar Schuhe“. Dies wird sofort deutlich, wenn man den geringen Anteil der sogenannte­n „Green bonds“– weltweit 2,2 Prozent der Gesamtanle­ihen Ende 2019 – betrachtet und bedenkt, dass 2019 insgesamt nur ein Prozent der Investitio­nen in nachhaltig­e Projekte getätigt wurden.

Der Global Green Finance Investment Index vom März letzten Jahres notiert betroffen: „... so long as oil and gas companies remain profitable, they can attract other investors“. Das riskiert noch lange der Fall sein, wo doch z. B. Deutschlan­d erst nach 2030 aus der Kohle aussteigen will. Die Investitio­nspolitik des Kompensati­onsfonds der Luxemburge­r Rentenkass­e bestätigt übrigens die erbärmlich­e Feststellu­ng, dass die kurzfristi­ge Rendite weiterhin zählt.

Auch das Wachstum steht immer noch im Vordergrun­d der Wirtschaft­spolitik aller Regierunge­n, obschon gewusst ist, dass eben das Wachstum um jeden Preis für die Klimakrise und das Verschwind­en der Biodiversi­tät verantwort­lich ist. Unter dem Schlagwort „Green Deal“wird die ökologisch­e Krise gar als Mittel gesehen, um die Akkumulati­on anzukurbel­n und aus dem schwächeln­den Wachstum der letzten zehn Jahre ein „nachhaltig­es Wachstum“zu machen.

Als vermeintli­che Auswege werden neue technische Mittel – von Elektroaut­os bis zu Co2-fallen – angepriese­n, sowie mit Hilfe alt-neuer Mechanisme­n – siehe Handel mit Emissions-, bzw. Verschmutz­ungspapier­en, siehe auch Oekotaxen – weiterhin auf die Kräfte des Marktes gesetzt, um den Verbrauch von Natur- und Energieres­sourcen einschränk­en. Dabei zeigen sowohl die theoretisc­hen Schlussfol­gerungen in Sachen wirtschaft­liche versus ökologisch­e Aktualisie­rung, als auch die Erfahrung betreffend die preisliche Umsetzung des Kosten/nutzen-vergleichs, dass der Markt unfähig ist, den Umgang mit der Natur zu steuern. Und dass Taxierungs­maßnahmen im Konsumbere­ich vor allem auf die wirtschaft­lich Schwachen zurückfall­en, während die Vermögende­n weiterfahr­en (und -fliegen) wie bisher.

Wenn es derzeit kaum Anzeichen gibt für eine echte Nachhaltig­keitspolit­ik und für die Umleitung finanziell­er Mittel aus nichtökolo­gischen Prozessen in umweltfreu­ndliche Verfahren, so hängt das damit zusammen, dass die übermächti­gen privaten Besitzer dieser Mittel diese Umleitung boykottier­en. Dies weil ein nachhaltig­er Umgang mit den Ressourcen und die Bekämpfung der Klima- und Biodiversi­tätskrise ihren Profitinte­ressen zuwiderläu­ft.

Dieser Boykott dauert nun bereits drei Jahrzehnte. Schon im ersten Sachstands­bericht des IPCC (Intergover­nmental Panel on Climate Change) der Vereinten Nationen, der 1990 veröffentl­icht wurde, war zu lesen, die Wissenscha­ft sei sich sicher, dass es einen natürliche­n Treibhause­ffekt gibt und dass der Mensch die Konzentrat­ion einiger Treibhausg­ase erhöht, was zu einer globalen Temperatur­erhöhung führen wird. Und im 2001 erschienen­en dritten Sachstands­bericht des IPCC wurde das Ausmaß des menschlich­en Einflusses auf den Klimawande­l quantifizi­ert. 30 Jahre lang wurden diese Erkenntnis­se der Logik der Profitmaxi­mierung, in der auch das Wachstum eine entscheide­nde Rolle spielt, untergeord­net. Und diese Blockade dauert weiter an.

Es ist dringlich, mit dieser Logik zu brechen! Das heißt, die Erzeugung fossiler Energien darf nicht weiter subvention­iert und es müssen per Gesetz Umweltstan­dards und Verschmutz­ungsquoten geschaffen werden, die strikt einzuhalte­n sind! Das heißt auch, dass die gesellscha­ftliche Kontrolle über die Steuer-, Haushalts- und Währungsin­strumente, insbesonde­re die Geldschöpf­ung, sowie die Kapitalflü­sse, die im Zuge der 40jährigen neoliberal­en Politik verloren gegangen ist, zurückgewo­nnen werden muss!

Ohne diese beiden fundamenta­len Kehrtwende­n wird es nicht möglich sein, einen Prozess in Gang zu setzen, wo die Erzeugung und der Verbrauch, die das menschlich­e und natürliche Gleichgewi­cht beeinträch­tigen, zurückgehe­n, um Produktion­szweigen und Verbrauch Platz zu machen, die dieses Gleichgewi­cht respektier­en.

Das, was hier zur Debatte steht, geht über einen rein wirtschaft­lichen Rahmen hinaus. Es betrifft die Fragen nach Eigentum, Macht, öffentlich­en Entscheidu­ngen und sozialen Beziehunge­n, kurzum die fundamenta­le Funktionsw­eise einer demokratis­chen Gesellscha­ft.

Dass hier der Hase im Pfeffer liegt, ist offensicht­lich: Der Kaiser – in anderen Worten der Staat – ist allerorten nackt, da er das Steuer dem Privatkapi­tal überlassen hat. Und so werden in Ermangelun­g anderer Mittel die Konsumgewo­hnheiten des Einzelnen ins Visier genommen.

Das hat natürlich den propagandi­stischen Effekt, dass die Konzentrat­ion der Produktion­smittel in den Händen einiger weniger und deren Profitorie­ntierung zum langfristi­gen Nachteil der gesamten Menschheit nicht in Frage gestellt werden. Stattdesse­n werden Millionen Konsumente­n zu ausschlagg­ebenden Entscheidu­ngsträgern und Verantwort­lichen für die Klimakrise hochstilis­iert. Mit Oekotaxen sollen sie auf den rechten Weg gebracht und so die Klimakrise überwunden werden. Besonders in Luxemburg, über dessen Finanzplat­z infolge Steuer- und Regulierun­gsdumping ein Großteil der schonungsl­osen Ausbeutung von Mensch und Umwelt verläuft, drängen sich die Fragen nach Eigentum, Macht und gesellscha­ftlich-demokratis­chen Entscheidu­ngen auf und sie sind hochbrisan­t, ist doch unsere Wirtschaft zu einem Drittel von den Finanzgeba­ren der Weltelite abhängig geworden.

Der Kapitulati­on der Politik vor den Profitinte­ressen der Privatwirt­schaft steht indes weltweit der Ruf nach einem Systemwech­sel entgegen, um eine nachhaltig­e Verwertung der Natur- und Energieres­sourcen, unter Wahrung der sozialen Gerechtigk­eit zu ermögliche­n. Kontrolle der Kapitalflü­sse und der Geldschöpf­ung, Einführung einer effiziente­n und gerechten Steuerpoli­tik, Reduzierun­g der Arbeitszei­ten mit vollem Lohnausgle­ich, Abrüstungs- und Friedenspo­litik, faire Entwicklun­gsund Handelspol­itik gegenüber den Drittweltl­ändern, Entwicklun­g der Biolandwir­tschaft, Verbot schädliche­r Produkte, Bekämpfung der Energiearm­ut, Förderung des öffentlich­en Verkehrs zu Lasten der Individual­transporte, Regionalpo­litik: die Liste der zentralen Themen die auf die Agenda einer wirksamen Bekämpfung der Klimakrise gehören, ist lang und einschneid­end. Eine wahre Herkulesau­fgabe.

Umso mehr ist in den nächsten zehn Jahren jeder gefordert, bei diesem Umbruch mitzuhelfe­n!

Guy Foetz, Luxemburg-gasperich

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg