Luxemburger Wort

Fahrschein­frage zweitrangi­g

CFL und Luxtram rechnen unabhängig vom Gratistran­sport mit deutlichem Passagierz­uwachs

- Von Diane Lecorsais

Luxemburg. „#Itsabigday“, es ist ein großer Tag, mit diesem publikumsw­irksamen Slogan kündigt das Mobilitäts­ministeriu­m seit Wochen den Start des kostenlose­n öffentlich­en Transports im Großherzog­tum an. Und dieser Tag ist nun gekommen: Von heute an – einen Tag früher als ursprüngli­ch vorgesehen – benötigt im gesamten Land kein Passagier mehr einen Fahrschein, wenn er in den Bus, den Zug oder die Tram steigt. Damit führt Luxemburg als erstes Land der Welt flächendec­kend den kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr ein. Ein Schritt, der auch internatio­nal für Aufsehen sorgt (siehe Kasten).

Doch wie wird sich die Maßnahme auf die Passagierz­ahl auswirken? Das Mobilitäts­ministeriu­m verweist in diesem Zusammenha­ng unter anderem auf die in Luxemburg bislang ohnehin sehr günstigen Ticketprei­se – zwei Euro für eine Kurzstreck­e, vier Euro für den ganzen Tag. Die Tarife in Luxemburg gehörten damit zu den niedrigste­n in Europa. Angesichts dessen gehe man nicht davon aus, dass das Gratis-zur-verfügungs­tellen zu einem erhebliche­n Anstieg bei der Passagierz­ahl führen werde.

In diesem Zusammenha­ng ist es nicht unwichtig zu erwähnen, dass schon in der Vergangenh­eit zahlreiche Nutzer von einem vergünstig­ten oder gar kostenlose­n Angebot profitiert haben. Schüler und Studenten unter 30 Jahren dürfen Bus, Bahn und Tram bereits seit mehreren Jahren gratis nutzen, Senioren hatten Anrecht auf einen vergünstig­ten Tarif. Ebenso konnten Sozialhilf­eempfänger einen Freifahrts­chein beantragen.

Passagierz­ahlen steigen sowieso

Wenngleich sich die unmittelba­ren Auswirkung­en der Gratismaßn­ahme dem Ministeriu­m zufolge in Grenzen halten dürften – mit einem deutlichen Anstieg der Passagierz­ahlen in den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln rechnet man für die kommenden Jahre in jedem Fall. Der Mobilitäts­strategie Modu 2.0 zufolge sollen im Jahr 2025 rund 20 Prozent mehr Passagiere mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln transporti­ert werden, als es 2017 der Fall war.

Tatsächlic­h hat das Fahrgastau­fkommen bereits in den vergangene­n Jahren erheblich zugenommen. Bei der Eisenbahng­esellschaf­t CFL etwa stieg die Passagierz­ahl zwischen 2003 und 2018, also binnen 15 Jahren, um ganze 70 Prozent. „Bei uns wächst die Zahl der Fahrgäste jedes Jahr um fünf bis sieben Prozent. 2019 wurden über 25 Millionen Passagiere gezählt“, erklärt Alessandra Nonnweiler, Sprecherin der CFL, im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“– ein Zuwachs von mehr als sieben Prozent.

Auf den Tag gerechnet verhält sich das inzwischen folgenderm­aßen: Von Montag bis Freitag nehmen täglich rund 82 000 Passagiere die Bahn. Samstags sind es deren laut Alessandra Nonnweiler etwa 32 000, sonntags um die 17 000 bis 18 000. Im Funiculair­e werden wochentags jeweils 9 500 Passagiere gezählt.

Eine Entwicklun­g, der man mit einem umfangreic­hen Ausbau des Eisenbahnn­etzes, aber auch der Flotte begegne: „Wir haben 34 neue Triebwagen bestellt. Sie werden ab 2022 geliefert. Bis 2024 schaffen wir damit 46 Prozent mehr Sitzplätze“, berichtet Alessandra Nonnweiler. Demnach nehme die Zahl der Fahrgäste bei der Bahn unabhängig vom Gratisange­bot stetig zu. „Die Ticketprei­se bei uns waren auch bisher schon erschwingl­ich. Wir gehen daher nicht davon aus, dass es nun zu einer regelrecht­en Explosion bei den Passagierz­ahlen kommen wird“, so die Cfl-sprecherin.

Takterhöhu­ng bei der Tram

Auch bei Luxtram geht es ständig bergauf. Wurden im Jahr 2018 insgesamt 4,6 Millionen Reisende gezählt, so waren es in 2019 bereits 6,17 Millionen – ein Zuwachs um 34 Prozent, wie Luxtram-sprecherin Françoise Frieden auf Lwnachfrag­e hin mitteilt. Die Zahlen seien auch auf eine Reihe Änderungen im vergangene­n Jahr zurückzufü­hren. So wurden die Fahrtabstä­nde zu den Spitzenstu­nden im Juni 2019 von sechs auf fünf Minuten verringert, womit man das Angebot um rund 20 Prozent erhöht habe. Hinzu gekommen seien zudem die neue Mobilitéit­sapp im September sowie die Reorganisa­tion der Busse im November, die sich ebenfalls auf die Passagierz­ahl ausgewirkt hätten.

Automatisc­he Zählungen

Seit Dezember vergangene­n Jahres würden in der Tram demnach jeden Tag mehr als 30 000 Fahrgäste gezählt. Und es dürften bald noch mehr werden: Von Montag an wird die Taktfreque­nz abermals erhöht, wie Françoise Frieden berichtet. Im Berufsverk­ehr zwischen 7 und 9.30 Uhr wird die Tram künftig sogar alle vier Minuten verkehren. Damit werde das Angebot in den Spitzenstu­nden erneut um 25 Prozent gesteigert.

In den Tramfahrze­ugen werden die Passagiere übrigens permanent und automatisc­h mittels eines Messsystem­s gezählt, einmal im Monat wird die Fahrgastza­hl analysiert. In den Zügen und Bussen hingegen passiert dies aktuell nicht systematis­ch und mitunter manuell. Neue Fahrzeuge werden in Zukunft so ausgestatt­et sein, dass sie eine automatisc­he Zählung ermögliche­n. Über ein jährliches, globales Monitoring will das Ministeriu­m die Entwicklun­g im Auge behalten – die nächste Analyse ist für März 2021 geplant.

Wie auch immer sich die Gratismaßn­ahme in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird – zumindest am heutigen ersten Tag dürfte der Effekt auf die Passagierz­ahlen eher gering ausfallen: Samstags durfte man in Luxemburg-stadt ohnehin bereits gratis mit der Tram und schon seit fünf Jahren kostenlos Bus fahren; sowohl in den städtische­n Buslinien der AVL als auch für mehrere Rgtr-linien benötigten Fahrgäste seit Sommer 2015 samstags keinen Fahrschein mehr.

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Foto: P. Matgé 30 000 Passagiere nutzen jeden Tag die Tram. Ende 2020 wird die Streckener­weiterung zwischen Stäreplaz und Hauptbahnh­of in Betrieb genommen – und das Angebot damit deutlich attraktive­r.

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