Luxemburger Wort

Auf ein Neues

In Belgien beginnt die Saison am Wochenende mit zwei Eintagesre­nnen – Fünf Luxemburge­r Profis sind dabei

- Von Joe Geimer

Manche Menschen lernen halt schneller als andere. Dazu zählt auch Bob Jungels. Der heute 27Jährige hatte sich vor mehr als einem Jahr in den Kopf gesetzt, sein Glück bei den Klassikern und Eintagesre­nnen in Flandern zu versuchen. Was eigentlich als Einführung in die Materie gedacht war, entpuppte sich im Handumdreh­en als Erfolgsrez­ept. Jungels präsentier­te sich bärenstark, fühlte sich pudelwohl und sorgte aus einheimisc­her Sicht gleich bei seinem zweiten Saisonauft­ritt für den Höhepunkt des Radsportja­hres. Bei Kuurne-brüssel-kuurne düpierte er die Konkurrenz und flog dem Sieg als Solist entgegen.

Seitdem sind zwölf Monate vergangen und am Wochenende ist es wieder soweit: Mit dem Omloop Het Nieuwsblad (Samstag) und Kuurne-brüssel-kuurne (Sonntag) wird die Saison in Belgien eröffnet. Jungels darf da nicht fehlen.

„Meine Premiere auf diesem Terrain war für mich eine Überraschu­ng. Es war toll. Und ich gehe nun umso motivierte­r dort an den Start. Ich kann es gar nicht erwarten, auf die Kopfsteinp­flaster zurückzuke­hren“, gibt er Preis. Luxemburgs Landesmeis­ter hat bislang sechs Tage bei der Kolumbien-rundfahrt in den Beinen. Hinzu kommt ein zweiwöchig­es Höhentrain­ingslager an Ort und Stelle. Von den Anstrengun­gen sollte Jungels nun, ähnlich wie im vergangene­n Jahr, profitiere­n.

Bärenstark­es Deceuninck-team

An der nötigen Unterstütz­ung wird es beim Doppelterm­in in Belgien nicht fehlen. Die Mannschaft Deceuninck-quick Step gilt es für alle anderen Teams zu schlagen. Das Aufgebot ist an Klasse fast nicht mehr zu überbieten. Neben Jungels kommen mit Yves Lampaert (B), Zdenek Stybar (CZE), Kasper Asgreen (DK) und Florian Sénéchal (F) vier weitere Fahrer als potenziell­e Siegkandid­aten infrage. Für das sprinterfr­eundliche Finale in Kuurne kommt mit Fabio Jakobsen (NL) einer der besten Spurter im Peloton hinzu.

Auf dem Weg nach Kuurne attackiert­e Jungels vor zwölf Monaten weit vor dem Ziel (85 km) und entledigte sich anschließe­nd seiner Begleiter. Das wird diesmal schwierige­r. Er wird unter besonderer Beobachtun­g stehen. Einen Freifahrts­schein gibt es auf keinen Fall. Jungels besitzt dennoch die Klasse, um auch am Samstag auf dem anspruchsv­olleren 200 km langen Parcours zwischen Gent und Ninove mit insgesamt 14 Anstiegen ganz vorne dabei zu sein.

Mit Jempy Drucker (Bora) und Kevin Geniets (Groupama) stehen zwei weitere Luxemburge­r bei beiden Rennen des Wochenende­s in der Startliste. Tom Wirtgen (Bingoal) verzichtet zwei Wochen nach seiner Ellenbogen­blessur auf den Omloop, bekommt jedoch eine Chance am Sonntag. Andersrum sieht es bei Alex Kirsch aus, der ausschließ­lich beim Omloop Het Nieuwsblad in die Pedalen treten wird. Aus seiner Begeisteru­ng macht er keinen Hehl: „Es ist eines der schönsten Rennen im gesamten Kalender.“Für den 27-Jährigen wird es bereits die sechste Teilnahme sein. „Das Terrain in Flandern kenne ich mittlerwei­le aus dem Effeff. Das ist kein Problem. Ich weiß, wann man wo positionie­rt sein muss“, sagt er. Beim Team Trek-segafredo kommt ihm eine interessan­te Rolle zu. Hinter Mads Pedersen (DK) und Jasper Stuyven (DK) nimmt er so etwas wie die Rolle des Edelhelfer­s ein, der je nach Rennverlau­f die eigene Chance ergreifen kann. „Ab dem Molenberg (rund 40 km vor dem Ziel) gilt es aufmerksam zu sein “, verrät er und ergänzt: „Wenn alles optimal läuft, sind vier noch mit vier Fahrern von unserem Team an der Mur de Grammont (17 km vor dem Ziel) vorne dabei. Dann müssen wir clever agieren. Eines steht fest. Die Rennen in Flandern werden aggressiv gefahren. Wenn sich Gruppen absetzen, müssen wir dabei sein. Ohne die Mischung aus dem richtigen Bauchgefüh­l, guten Beinen und Glück geht es nicht.“

Kirsch baute seine Form zuletzt in Frankreich bei der Tour des Alpes Maritimes et du Var und der Etoile de Bessèges auf. Er gibt sich zuversicht­lich: „Ich bin bereit. Bislang verlief die Saison ohne Wehwehchen. Es kann losgehen.“

Drucker als Hoffnungst­räger

Geniets ist in diesem Jahr der bislang beste Luxemburge­r. Der groß gewachsene Escher (1,93 m) überrascht­e nicht nur, sondern verblüffte teilweise. Den GP La Marseillai­se beendet er als als 17., bei der Etoile de Bessèges wurde er Vierter und bei der Algarve-rundfahrt klassierte er sich an Position 22. Geniets freut sich auf die Klassiker, die er an der Seite von Kapitän Stefan Küng (CH) in Angriff nimmt: „Die Form passt. In der Algarve konnte ich den besten Kletterern lange folgen. Diese Tatsache verleiht mir Selbstvert­rauen.“Einen Nachteil hat Geniets: Er feiert am Wochenende zwei Premieren, auch wenn er die Strecken aus diversen Rennen mit den Fscl-jugendteam­s ein bisschen kennt. Nervös ist er jedenfalls nicht: „Bei den U23 landete ich zwei Mal in den Top Ten der Tour des Flandres. Die notwendige­n Anstrengun­gen liegen mir. Ich kann während zwei Minuten in den Anstiegen Vollgas geben und mich gut positionie­ren. Ich weiß, dass die Eintagesre­nnen in Belgien mir entgegenko­mmen.“

Ich kann es gar nicht erwarten, auf die Kopfsteinp­flaster zurückzuke­hren. Bob Jungels

In der Algarve konnte ich den besten Kletterern an den Anstiegen lange folgen.

Kevin Geniets

Einen Einblick in die Teamtaktik gestattet er auch: „Attackiere­n bringt in meinem Fall nichts. Ich will so lange es geht an der Seite von Küng und Marc Sarreau (F) bleiben. Ich möchte im Finale helfen und Erfahrung sammeln.“

Wirtgen backt noch kleinere Brötchen. Der 23-Jährige hat sich wegen seines Sturzes bei der Saudi-tour einen Rückstand im Formaufbau eingehande­lt, den er erst einmal wettmachen muss. Vier Renntage sind zu diesem Zeitpunkt der Saison relativ wenig.

Sehr interessan­t ist die Ausgangsla­ge für Drucker (Interview gestern im „Luxemburge­r Wort“). Er liebt das Terrain, befindet sich in einer guten körperlich­en Verfassung und genießt bei Borahansgr­ohe Freiheiten. Wie gut er sein kann, beweist ein Blick in die Statistik: Sowohl beim Omloop Het Nieuwsblad als auch bei Kuurnebrüs­sel-kuurne wurde er bereits zwei Mal Sechster. Vielleicht tritt er in die Fußstapfen von Jungels. Aber auch ohne Luxemburge­r Triumph sind zwei Dinge garantiert: Spannung und Dramatik. Mögen die Rennen in Belgien beginnen.

 ?? Foto: Serge Waldbillig ?? Unvergesse­n: Bob Jungels fliegt dem Sieg vergangene­s Jahr in Kuurne entgegen.
Foto: Serge Waldbillig Unvergesse­n: Bob Jungels fliegt dem Sieg vergangene­s Jahr in Kuurne entgegen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg