Vom Staubbläser zum Saugroboter
Die ersten Staubsauger waren große Ungetüme, die häufig nur zu zweit bedient werden konnten
Was heute der vollautomatische Saugroboter ganz nebenbei erledigt, war früher eine echte Tortur. Der gute alte Besen wurde im Laufe der Industrialisierung immer häufiger vor eine ernst zu nehmende Herausforderung gestellt: den Teppich. Dieser erwies sich als wahrer Staubmagnet, leider ließ sich der Dreck aber nicht mal einfach so entfernen, da er tief in das Gewebe eindrang. Teppichklopfer waren nur bedingt eine Lösung, denn wer kein Hausmädchen hatte, musste den beim Klopfen reichlich freigesetzten Staub selber einatmen.
Etwas anderes musste also her. Die Zeit schien reif für John S. Thurmans „pneumatischen Teppich-renovierer“, für den er 1899 ein Patent erhielt. Leider erwies sich der verwendete Benzinmotor als derart schwer und sperrig, dass sich der monströse Apparat nur mit einem Pferd über größere Distanzen bewegen ließ. Allerdings hatte der geniale Erfinder auch schon eine Lösung für dieses
Problem parat. Er versah seinen „pneumatischen Teppich-renovierer“kurzerhand mit meterlangen Schläuchen, die ganz leicht von der Straße aus durch das geöffnete Fenster ins Innere der Gebäude verlegt werden konnten.
Dummerweise saugten diese Schläuche den Staub nicht einfach auf. Thurman setzte auf Druckluft, die er durch die Schläuche in die Häuser blasen ließ. Dort angekommen wurde der Luftstrom auf den Teppich losgelassen und versuchte in einem Handteil, das schon sehr an heutige Staubsauger erinnerte, ein Vakuum zu erzeugen. So richtig ausgereift schien diese Idee noch nicht zu sein, meinte zumindest Herbert Cecil Booth, der Augenzeuge einer Vorführung des Gerätes in London wurde. Seiner Meinung nach wäre es effektiver, den Staub direkt aufzusaugen, anstatt ihn erst einmal durch die Gegend zu pusten.
Schwere Höllenmaschinen
Booth setzte bei seiner Erfindung also von Anfang an auf das Vakuum, das den Staub direkt durch die Schläuche saugen sollte. Das war an sich auch gar keine schlechte Idee, nur der ebenfalls verwendete knatternde und qualmende Benzinmotor und natürlich das zum Transport notwendige Pferdefuhrwerk sorgten auf den Straßen für lange Schlangen von Schaulustigen und verursachten ein Verkehrschaos. Das nahm bald derart Überhand, dass Booth einem geplanten Gesetz, das derartige Höllenmaschinen verbieten sollte, 1906 zuvorkam, indem er seinen Staubsauger kurzerhand fest in die Gebäude installierte. Der Motor fand nun im Keller Platz, während die Schläuche tief in die Wände eingelassen wurden.
Für den kleinen Frühjahrsputz zwischendurch gab es damals längst bessere Erfindungen. Schon 1860 hatte sich Daniel Hess seinen „Teppichkehrer“mit dem Us-patent 29,077 schützen lassen. Dieser setzte zwar schon erfolgreich auf den Unterdruck zum Aufsaugen des Staubes, musste jenen allerdings noch mit einem Blasebalg erzeugen, weil ihm schlicht und einfach der Motor fehlte. Da zu dieser Zeit die Elektrizität noch kein Thema war und erst recht nicht die Elektrifizierung der Städte und Häuser, war das gar nicht einmal so eine schlechte Idee.
Bei Ives W. Mcgaffeys Modell „Wirbelwind“von 1869 konnte der Unterdruck schon mit einer schicken Handkurbel fabriziert werden, was allerdings den Nachteil hatte, dass das Ganze dadurch etwas unhandlich wurde. Kein Wunder also, dass für Harveys „pneumatische Staub-maschine“ von 1893 und viele andere Modelle der Zeit die Zwei-personen-bedienung empfohlen wurde, was allerdings bei einem Gewicht von mehreren Dutzend Kilogramm ohnehin ratsam erschien.
Für ihr beachtlich hohes Gewicht legten viele der frühen Reinigungsgeräte übrigens eine erstaunliche Ineffektivität an den Tag. Erst Anna und Melville Bissell gelang es 1876, mit ihrem „Teppichkehrer“ein Modell vorzustellen, das Zeitzeugen zufolge erstmals mehr Staub aufnahm, als es aufwirbelte. Das sollte sich für die beiden auszahlen, verkauften sie ihren „Teppichkehrer“doch bald so gut, dass „bisselling“im englischsprachigen Raum bis heute synonym für das Staubsaugen an sich steht.
Leichter wurde der Frühjahrsputz aber erst mit der Einführung des Elektromotors um die Jahrhundertwende – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. 1905 machte der mit seinen 20 Kilogramm für damalige Verhältnisse federleichte elektromotorgetriebene „Unschlagbare Renovierer“von Dr. William Noe von sich reden. Die zunehmende Elektrifizierung der Städte und Häuser sorgte dafür, dass unter den Erfindern und Herstellern eine Art Goldgräberstimmung ausbrach.
Bald war so ziemlich alles erfunden, was auch heute noch im Staubsauger steckt: 1906 setzte
James B. Kirby auf relativ effiziente Wasserfilter, 1908 erhielt James Murray Spangler ein Patent für sein besonders leichtes Modell mit rotierenden Bürsten für festsitzenden Schmutz. Ja, sogar die Ratenzahlung war für die teuren Gerätschaften entdeckt, ebenso wie der schöne Beruf des Staubsaugervertreters.
Die Werbeindustrie kümmerte sich auch immer öfter um eine professionelle Vermarktung, wobei so wunderhübsche Namen wie „Puffing Billy“(„Schnaufender Billy“), „Filter Queen“oder „Vampyr“herauskamen, später auch „Commander“und „Rocket Tank Cleaner“(Raketentanksäuberer), wobei letzterer laut Eigenwerbung gar „so modern wie eine Rakete“sein sollte. Und mal ganz ehrlich: Wer gerät bei der schönen Bezeichnung „Vakuum Entstaubungsmaschine System Borsig“nicht augenblicklich in Verzückung?
Der Zyklon-staubsauger
Ein Problem gab es dann aber doch noch zu lösen: Wohin mit all dem Staub? Klassische Staubsaugerbeutel hatten den großen Nachteil, dass sie die Saugkraft immer mehr einschränkten, je voller sie wurden. Die Stunde des Zyklonstaubsaugers war gekommen: Schon Kirby hatte die Nutzung der Zentrifugalkraft angestoßen, John W. Newcombe (1922), Rexair (1936) und fast 50 Jahre später auch James Dyson griffen die Idee wieder auf.
Versetzte man die einströmende Luft nämlich in eine Drehbewegung, so schleuderte die Fliehkraft die relativ schwereren Staubpartikel quasi aus dem Saugstrom heraus nach außen in einen Auffangbehälter hinein, der ganz ohne Staubbeutel auskam. Den Erfindern gefiel diese Idee nun allerdings sehr viel besser als den Herstellern von Staubsaugerbeuteln, sahen sie doch ihre Marktstellung bedroht.
Auch ein anderes Staubsaugermodell wurde nicht von jedem gleich so euphorisch willkommen geheißen, wie von dem amerikanischen Erfinder Alex Lewyt, der 1955 voller Zuversicht ankündigte, schon „in zehn Jahren könnte der nuklearbetriebene Staubsauger Realität sein“. Der kam dann doch nicht, dafür aber die Globalisierung, die ab den 1970er-jahren immer häufiger die Preise purzeln ließ. Neue Materialien erleichterten das Staubsaugen im wahrsten Sinne des Wortes, aufladbare Akkumulatoren machten den Frühjahrsputz mobiler.
In den 1980er- und 1990er-jahren optimierte der Computer zunehmend die Herstellungsprozesse, die letzten Marktlücken rund um Asthmatiker, Haustierbesitzer und andere Verbraucher mit speziellen Wünschen wurden nach und nach geschlossen. In den vergangenen Jahren setzten sich schließlich Staubsaugerroboter immer weiter durch. Aktuell wieseln die kleinen autonomen Sauger wie selbstverständlich durch die gute Stube. Auf die fleißigen Heinzelmännchen kann man 2020 also getrost verzichten.
Das zum Transport notwendige Pferdefuhrwerk sorgte für lange Schlangen von Schaulustigen.