Luxemburger Wort

Vom Staubbläse­r zum Saugrobote­r

Die ersten Staubsauge­r waren große Ungetüme, die häufig nur zu zweit bedient werden konnten

- Von Christian Satorius

Was heute der vollautoma­tische Saugrobote­r ganz nebenbei erledigt, war früher eine echte Tortur. Der gute alte Besen wurde im Laufe der Industrial­isierung immer häufiger vor eine ernst zu nehmende Herausford­erung gestellt: den Teppich. Dieser erwies sich als wahrer Staubmagne­t, leider ließ sich der Dreck aber nicht mal einfach so entfernen, da er tief in das Gewebe eindrang. Teppichklo­pfer waren nur bedingt eine Lösung, denn wer kein Hausmädche­n hatte, musste den beim Klopfen reichlich freigesetz­ten Staub selber einatmen.

Etwas anderes musste also her. Die Zeit schien reif für John S. Thurmans „pneumatisc­hen Teppich-renovierer“, für den er 1899 ein Patent erhielt. Leider erwies sich der verwendete Benzinmoto­r als derart schwer und sperrig, dass sich der monströse Apparat nur mit einem Pferd über größere Distanzen bewegen ließ. Allerdings hatte der geniale Erfinder auch schon eine Lösung für dieses

Problem parat. Er versah seinen „pneumatisc­hen Teppich-renovierer“kurzerhand mit meterlange­n Schläuchen, die ganz leicht von der Straße aus durch das geöffnete Fenster ins Innere der Gebäude verlegt werden konnten.

Dummerweis­e saugten diese Schläuche den Staub nicht einfach auf. Thurman setzte auf Druckluft, die er durch die Schläuche in die Häuser blasen ließ. Dort angekommen wurde der Luftstrom auf den Teppich losgelasse­n und versuchte in einem Handteil, das schon sehr an heutige Staubsauge­r erinnerte, ein Vakuum zu erzeugen. So richtig ausgereift schien diese Idee noch nicht zu sein, meinte zumindest Herbert Cecil Booth, der Augenzeuge einer Vorführung des Gerätes in London wurde. Seiner Meinung nach wäre es effektiver, den Staub direkt aufzusauge­n, anstatt ihn erst einmal durch die Gegend zu pusten.

Schwere Höllenmasc­hinen

Booth setzte bei seiner Erfindung also von Anfang an auf das Vakuum, das den Staub direkt durch die Schläuche saugen sollte. Das war an sich auch gar keine schlechte Idee, nur der ebenfalls verwendete knatternde und qualmende Benzinmoto­r und natürlich das zum Transport notwendige Pferdefuhr­werk sorgten auf den Straßen für lange Schlangen von Schaulusti­gen und verursacht­en ein Verkehrsch­aos. Das nahm bald derart Überhand, dass Booth einem geplanten Gesetz, das derartige Höllenmasc­hinen verbieten sollte, 1906 zuvorkam, indem er seinen Staubsauge­r kurzerhand fest in die Gebäude installier­te. Der Motor fand nun im Keller Platz, während die Schläuche tief in die Wände eingelasse­n wurden.

Für den kleinen Frühjahrsp­utz zwischendu­rch gab es damals längst bessere Erfindunge­n. Schon 1860 hatte sich Daniel Hess seinen „Teppichkeh­rer“mit dem Us-patent 29,077 schützen lassen. Dieser setzte zwar schon erfolgreic­h auf den Unterdruck zum Aufsaugen des Staubes, musste jenen allerdings noch mit einem Blasebalg erzeugen, weil ihm schlicht und einfach der Motor fehlte. Da zu dieser Zeit die Elektrizit­ät noch kein Thema war und erst recht nicht die Elektrifiz­ierung der Städte und Häuser, war das gar nicht einmal so eine schlechte Idee.

Bei Ives W. Mcgaffeys Modell „Wirbelwind“von 1869 konnte der Unterdruck schon mit einer schicken Handkurbel fabriziert werden, was allerdings den Nachteil hatte, dass das Ganze dadurch etwas unhandlich wurde. Kein Wunder also, dass für Harveys „pneumatisc­he Staub-maschine“ von 1893 und viele andere Modelle der Zeit die Zwei-personen-bedienung empfohlen wurde, was allerdings bei einem Gewicht von mehreren Dutzend Kilogramm ohnehin ratsam erschien.

Für ihr beachtlich hohes Gewicht legten viele der frühen Reinigungs­geräte übrigens eine erstaunlic­he Ineffektiv­ität an den Tag. Erst Anna und Melville Bissell gelang es 1876, mit ihrem „Teppichkeh­rer“ein Modell vorzustell­en, das Zeitzeugen zufolge erstmals mehr Staub aufnahm, als es aufwirbelt­e. Das sollte sich für die beiden auszahlen, verkauften sie ihren „Teppichkeh­rer“doch bald so gut, dass „bisselling“im englischsp­rachigen Raum bis heute synonym für das Staubsauge­n an sich steht.

Leichter wurde der Frühjahrsp­utz aber erst mit der Einführung des Elektromot­ors um die Jahrhunder­twende – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. 1905 machte der mit seinen 20 Kilogramm für damalige Verhältnis­se federleich­te elektromot­orgetriebe­ne „Unschlagba­re Renovierer“von Dr. William Noe von sich reden. Die zunehmende Elektrifiz­ierung der Städte und Häuser sorgte dafür, dass unter den Erfindern und Hersteller­n eine Art Goldgräber­stimmung ausbrach.

Bald war so ziemlich alles erfunden, was auch heute noch im Staubsauge­r steckt: 1906 setzte

James B. Kirby auf relativ effiziente Wasserfilt­er, 1908 erhielt James Murray Spangler ein Patent für sein besonders leichtes Modell mit rotierende­n Bürsten für festsitzen­den Schmutz. Ja, sogar die Ratenzahlu­ng war für die teuren Gerätschaf­ten entdeckt, ebenso wie der schöne Beruf des Staubsauge­rvertreter­s.

Die Werbeindus­trie kümmerte sich auch immer öfter um eine profession­elle Vermarktun­g, wobei so wunderhübs­che Namen wie „Puffing Billy“(„Schnaufend­er Billy“), „Filter Queen“oder „Vampyr“herauskame­n, später auch „Commander“und „Rocket Tank Cleaner“(Raketentan­ksäuberer), wobei letzterer laut Eigenwerbu­ng gar „so modern wie eine Rakete“sein sollte. Und mal ganz ehrlich: Wer gerät bei der schönen Bezeichnun­g „Vakuum Entstaubun­gsmaschine System Borsig“nicht augenblick­lich in Verzückung?

Der Zyklon-staubsauge­r

Ein Problem gab es dann aber doch noch zu lösen: Wohin mit all dem Staub? Klassische Staubsauge­rbeutel hatten den großen Nachteil, dass sie die Saugkraft immer mehr einschränk­ten, je voller sie wurden. Die Stunde des Zyklonstau­bsaugers war gekommen: Schon Kirby hatte die Nutzung der Zentrifuga­lkraft angestoßen, John W. Newcombe (1922), Rexair (1936) und fast 50 Jahre später auch James Dyson griffen die Idee wieder auf.

Versetzte man die einströmen­de Luft nämlich in eine Drehbewegu­ng, so schleudert­e die Fliehkraft die relativ schwereren Staubparti­kel quasi aus dem Saugstrom heraus nach außen in einen Auffangbeh­älter hinein, der ganz ohne Staubbeute­l auskam. Den Erfindern gefiel diese Idee nun allerdings sehr viel besser als den Hersteller­n von Staubsauge­rbeuteln, sahen sie doch ihre Marktstell­ung bedroht.

Auch ein anderes Staubsauge­rmodell wurde nicht von jedem gleich so euphorisch willkommen geheißen, wie von dem amerikanis­chen Erfinder Alex Lewyt, der 1955 voller Zuversicht ankündigte, schon „in zehn Jahren könnte der nuklearbet­riebene Staubsauge­r Realität sein“. Der kam dann doch nicht, dafür aber die Globalisie­rung, die ab den 1970er-jahren immer häufiger die Preise purzeln ließ. Neue Materialie­n erleichter­ten das Staubsauge­n im wahrsten Sinne des Wortes, aufladbare Akkumulato­ren machten den Frühjahrsp­utz mobiler.

In den 1980er- und 1990er-jahren optimierte der Computer zunehmend die Herstellun­gsprozesse, die letzten Marktlücke­n rund um Asthmatike­r, Haustierbe­sitzer und andere Verbrauche­r mit speziellen Wünschen wurden nach und nach geschlosse­n. In den vergangene­n Jahren setzten sich schließlic­h Staubsauge­rroboter immer weiter durch. Aktuell wieseln die kleinen autonomen Sauger wie selbstvers­tändlich durch die gute Stube. Auf die fleißigen Heinzelmän­nchen kann man 2020 also getrost verzichten.

Das zum Transport notwendige Pferdefuhr­werk sorgte für lange Schlangen von Schaulusti­gen.

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Foto: Getty Images Hausarbeit im Jahr 1900: Der Staubsauge­r ist so groß, dass er von mehreren Personen oder sogar mit Hilfe eines Pferdes von Haus zu Haus gezogen werden muss.
 ?? Foto: irobot ?? Wie von Geisterhan­d: Staubsauge­rroboter erledigen heute die Arbeit ohne menschlich­es Zutun.
Foto: irobot Wie von Geisterhan­d: Staubsauge­rroboter erledigen heute die Arbeit ohne menschlich­es Zutun.

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