Explosion mit Folgen
Am 21. März 2018 beginnt eine Serie von Sprengungen von Geldautomaten mit einem Raub in Niederanven
Luxemburg. Die Detonation ist gewaltig. Als Räuber um 3.50 Uhr am 21. März 2018 den Bankautomaten im Einkaufszentrum Les Arcades in Niederanven sprengen, schießen sie weit über das Ziel hinaus. Sie legen die gesamte Postfiliale in Schutt und Asche. Dort, wo sich einst der Geldautomat befand, klafft nun ein riesiges Loch in der Außenwand – dahinter Verwüstung.
Ob die Täter überhaupt Beute gemacht oder gar einen großen Coup gelandet haben, ist nicht bekannt. Noch am Vormittag berichten Zeugen von umherfliegenden zerfetzten Geldscheinen. Das war heute auf den Tag genau vor zwei Jahren. Offiziellen Stellen zufolge laufen die Ermittlungen in dem Fall noch. Verhaftungen gab es, soweit bekannt, keine.
Ohnehin dürfte es schwierig sein die Täter zu fassen – wenn überhaupt, dann auf frischer Tat. Und dafür gab es bereits mehrfach Gelegenheit.
Am 9. Juni 2018 kommt es nämlich um 3.30 Uhr zu einer zweiten Sprengung. Diesmal haben die Täter den Geldautomaten des Buttek vum Séi in Heiderscheid im Visier.
Ein dritter Bankautomat explodiert genau einen Monat später, am 9. Juli 2018 um 2.41 Uhr, im Erlebnisbad Aquanatour in Parc Hosingen. Dann ist Ruhe bis zum 16. Februar 2019, als der Bankautomat der Sparkasse in Wintger gesprengt wird. Der nächste Coup ist ein doppelter: Am 15. und 17. Oktober
2019 explodieren die Geldautomaten der Raiffeisen-bank im Jongebësch in Remich und des Postamts im Ortskern von Mersch – die vorerst letzte Sprengung. Ob die Serie damit beendet ist, bleibt abzuwarten.
Die Masche ist bekannt. Jedes Jahr werden Hunderte solcher Taten in Europa verübt. Der Schwerpunkt liegt jedoch in den weiteren
Grenzregionen rund um die Niederlande.
Mehrere Verhaftungen haben zur Erkenntnis geführt, dass hinter einer Vielzahl dieser Taten mehrere große Banden aus dem niederländischen schwerkriminellen Milieu stecken. Das bestätigt sich auch durch die Zeugenaufrufe der Luxemburger Polizei, bei denen gezielt nach verdächtigen Niederländern nordafrikanischer Herkunft gefragt wurde.
Butangas als Sprengmittel
Die Banden hatten zuvor serienweise Geldautomaten in den Niederlanden gesprengt – immer mit dem gleichen Modus operandi. Durch einen Spalt oder eine kleine Bohrung wird mit einem dünnen Schlauch Butangas in den Apparat eingeführt, das dann entzündet wird. Durch die Detonation wird der Geldautomat aus der Verankerung katapultiert und landet dann meistens weit geöffnet auf einem Parkplatz.
Die stets vermummten Täter, die es durchaus in Kauf nehmen, bei der Tat gefilmt zu werden, brauchen dann nur noch ihr Material und das Geld einzusammeln und sind in den meisten Fällen bereits geflüchtet, bevor die ersten Notrufe bei der Polizei eingehen. Bei der Flucht benutzen sie in den allermeisten Fällen gestohlene Audi vom Typ RS4 und RS6. Diese sind ausgesprochen leistungsstark, verfügen über einen großen Kofferraum und sind offenbar dank des Keyless-systems eine leichte Beute.
Die „Audi-bende“
Diesem Umstand verdanken die Täter, die in der niederländischen Presse oft als „Plofkraak-bende“bezeichnet werden, verniedlichend für Explosionseinbrecherbande, auch den Namen „Audibende“.
Dass die Banden nicht mehr in den Niederlanden zuschlagen, ist indes kein Zufall. Dort wurden alle Geldautomaten nach einer Welle von Explosionen durch Gegenmaßnahmen abgesichert. Diese bestehen zum einen aus Lüftungsschlitzen, die verhindern, dass Gas sich anstaut, zum anderen aus Gasdetektoren, die sofort nicht zündfähiges CO2 ausstoßen.
Die Explosionen auch in recht neuen Filialen in Luxemburg zeigen, dass das hierzulande nicht zwangsläufig der Fall ist.