Luxemburger Wort

„Besser, Olympia zu verlegen“

Karateka Jenny Warling spricht über weltweite Trainingse­inschränku­ngen wegen der Pandemie

- Interview: Laurent Schüssler

Als Jenny Warling ans Telefon geht, kommt sie gerade von einer Laufrunde zurück. Alleine. Die 25-Jährige arbeitet wie so viele Menschen in diesen Tagen von zu Hause aus. Trainieren muss sie dennoch. Trotz vieler Einschränk­ungen. Für eine Karateka – wie für viele andere Sportler auch – ist dies nicht immer selbstvers­tändlich.

Jenny Warling, hat man in Zeiten einer Pandemie eigentlich den Kopf noch frei, um sich Gedanken über den Sport zu machen?

Ich freue mich, dass ich aktuell wenigstens im Homeoffice arbeiten kann. Ich denke, wenn ich mich ausschließ­lich auf den Sport konzentrie­ren müsste, wäre es weitaus schwierige­r. So balanciere ich zwischen meiner Arbeits- und Sportwelt und kann immer wieder abschalten. Vollzeitat­hleten haben es in diesen Tagen wahrschein­lich weitaus schwierige­r als ich. Ich habe den Vorteil, dass ich viele

Obschon meine Trainingss­tätten geschlosse­n sind, kann ich immer noch zu Hause trainieren. Ein Schwimmer hat jedoch keinen Swimmingpo­ol.

Teile meines Trainings auch zu Hause absolviere­n kann, selbst wenn die reinen Kampfeinhe­iten natürlich fehlen. Oder ich gehe eine Runde laufen, um konditione­ll fit zu bleiben. Für einen Schwimmer beispielsw­eise ist die aktuelle Situation allerdings eine weitaus größere Herausford­erung: Wer hat schon einen Swimmingpo­ol im Eigenheim?

Wie sehen Sie die aktuelle Situation in Luxemburg?

Es ist eine sehr schwierige Zeit, und man muss sich glücklich schätzen, wenn man gesund ist. Jeder sollte sich der Gefahr dieser Pandemie bewusst sein. Es ist bedauerlic­h, dass es immer noch Menschen gibt, die sich nicht an die Vorgaben der öffentlich­en Instanzen halten. Dadurch wird das Infektions­risiko noch einmal erhöht. Ich hoffe, dass wir in zwei Wochen das Schlimmste überstande­n haben und es dann langsam wieder Richtung Normalität geht.

Zurück zum Sport: Wie motivieren Sie sich, wenn Sie nicht wissen, wann das nächste Turnier ansteht? Die Europameis­terschaft, die für Ende März vorgesehen war, wurde nicht etwa verschoben, sondern glatt abgesagt ...

... und auch das universell­e Qualifikat­ionsturnie­r für die Olympische­n Spiele, das im Mai in Paris stattfinde­n sollte, wurde jetzt kürzlich auf einen späteren Termin verlegt. Selbst Weltcuptur­niere, die in den nächsten Wochen

anstanden, wurden bereits abgesagt. Aber es wird irgendwann weitergehe­n und bis dahin gilt es als Sportler, seine Form möglichst optimal erhalten zu haben. Ein Gutes hat diese Pause auch: Ich kann meine Verletzung komplett auskuriere­n (seit Januar hatte Warling chronische, regelmäßig auftretend­e Schmerzen in der Schulter, Anmerkung der Redaktion). Bekannte haben bereits scherzend gesagt, die Em-absage hätte auch ein Gutes, so wäre ich während mindestens zwei Jahren amtierende Europameis­terin. Aber ich hätte natürlich lieber meinen Titel verteidigt.

Das Qualifikat­ionsturnie­r für Olympia war Ihr großes Saisonziel. Ordnen Sie der Teilnahme an den Olympische­n Spielen weiter alles unter? Wie muss Ihre Vorbereitu­ng jetzt angepasst werden?

Natürlich will ich in Tokio teilnehmen, egal ob die Spiele an ihrem ursprüngli­chen Termin sind oder später ausgetrage­n werden. Aber ich bin noch nicht qualifizie­rt. Olympia ist und bleibt ein Ziel, das ich unbedingt erreichen will. Ob ich es schaffe, steht auf einem anderen Blatt. Die wenigen Athleten, die sich über die Weltrangli­ste qualifizie­rt haben, stehen nun fest. Dazu zähle ich nicht. Wir anderen sind noch im Ungewissen. Mein Saisonaufb­au muss jetzt natürlich umgedacht und der Höhepunkt mehrere Wochen nach hinten gelegt werden, voraussich­tlich in den Juni. Da ist es das kleinere Übel, dass ich dadurch meinen Urlaub verlegen muss.

Aktuell sollen die Olympische­n Spiele wie vorgesehen stattfinde­n. Ioc-präsident Thomas Bach hat dies noch einmal bestätigt. Viele Athleten, auch einheimisc­he, haben aber mittlerwei­le ihr Unverständ­nis zum Ausdruck gebracht. Wie ist Ihre Einstellun­g zu diesem Thema?

Ich bin aus mehreren Gründen für eine Verschiebu­ng der Spiele, auch wenn ich weiß, dass dies logistisch nicht einfach zu schaffen ist. Niemand kann sagen, inwiefern die Pandemie im Juli oder August eingedämmt ist. Was wir aber wissen, ist, dass es für verschiede­ne

Sportler sehr schwer wird, sich optimal auf dieses Weltereign­is vorzuberei­ten. Einige wenige können aus diversen Gründen besser als andere oder wie ursprüngli­ch geplant trainieren. Olympia sollte aber Chancengle­ichheit für jeden bieten. Das kann heute nicht mehr gewährleis­tet werden. Auch steht aktuell diszipline­nübergreif­end erst knapp mehr als die Hälfte aller Teilnehmer fest. Über 40 Prozent der Startplätz­e würden also innerhalb kürzester Zeit und erst unmittelba­r vor den Olympische­n Spielen vergeben werden. Da wäre es für die betroffene­n Sportler schwierig, ihre beste Form über diesen Zeitraum zu halten.

Wann sollen die Olympische­n Spiele Ihrer Meinung nach stattfinde­n?

Ich würde sie wahrschein­lich gleich um ein ganzes Jahr auf 2021 verlegen.

Dass ich durch eine geänderte Saisonplan­ung meinen Urlaub verlegen muss, ist in dieser Situation das kleinste Übel.

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Foto: Fernand Konnen Jenny Warling versucht, so gut, wie es nur irgendwie geht, in Form zu bleiben.

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