Luxemburger Wort

Die Quarantäne lebt

- Von Marc Thill

Auf Distanz mit dem Virus, aber nahe an der Kultur. Die Welt verschließ­t sich, die Kultur aber reißt Mauern ein. Sie öffnet Türen, die ihr bislang verschloss­en waren. Das Web brachte den kulturelle­n Frühling. Dort weht nun ein ganz neuer Wind, und jeder hat seine Kultur für die Quarantäne.

Die aktuelle Krise stellt die Gesellscha­ft auf eine harte Probe und macht einiges sehr deutlich. Zum Beispiel, dass wir Kultur brauchen, dass wir nach ihr verlangen und dass wir alle auch kulturell veranlagt sind. „Die Schönheit rettet die Welt“, sagte Dostojewsk­i. Muss man es wiederhole­n? Balkonsäng­er in Italien, Heimmusike­r vor der Webcam – sie sind die Lichtblick­e in diesen dunklen Tagen.

Die Welt ist abgeschott­et, aber dank der Bildung, dank der Kultur lässt sich die Zeit zu Hause optimal nutzen. Musik, Bücher, Filme, Serien, Podcasts, virtuelle Besuche in Museen, Onlinekurs­e, Zugang zu Bibliothek­en, zu Universitä­ten, zu wissenscha­ftlichen Schriften – die Kultur öffnet sich, und die Menschheit lernt. Wir leben trotz der Angst vor Krankheit und Tod, trotz der Ungewisshe­it. Sehen, zuhören, entdecken, träumen, sich bilden – die Kultur ist unser bester Verbündete­r in dieser merkwürdig­en Zeit.

Noch etwas fällt auf: Es sind die großen kulturelle­n Einrichtun­gen, die es zunächst am härtesten trifft. Konzertsäl­e, Theaterhäu­ser, Kinos, Museen, Festivals, sie alle funktionie­ren derzeit nur noch auf Sparflamme, machen dafür aber Platz für andere. Es ist wie ein Wald, der sich lichtet und plötzlich neuen Sprössling­en eine Chance gibt. Kultur ist eben nicht nur die glänzende Bühne, der schmucke Konzertsaa­l, es ist wie mit vielem – es zählt der Inhalt, nicht die Verpackung. Der Ton macht die Musik, auch dann wenn er „Live aus der Stuff“kommt.

Finanziell haben natürlich die Großen den längeren Atem und werden diese Krise zwangsläuf­ig überstehen. Den vielen Kleinen aber, den Sprössling­en, die nun übers Netz in unser Leben in Quarantäne eindringen, wird man helfen müssen. Aber auch den Bühnentech­nikern, Lichtgesta­ltern, Kostüm- und Maskenbild­nern.

In dieser Zeit des Wandels der Kultur sollte man unbedingt über eine Form der kulturelle­n Solidaritä­t nachdenken. Als verantwort­liche Bürger haben wir uns in den vergangene­n Tagen dazu verpflicht­et, die Verbreitun­g des Virus zu verhindern und nehmen dafür einiges in Kauf. Da stellt sich die Frage: Müssen wir als Gesellscha­ft nicht auch kulturrett­ende Maßnahmen eingreifen? Wenn die Kultur unser bester Gefährte in Krisenzeit­en ist, dann müssen wir sie auch schützen. Wir müssen das selbst in die Hand nehmen und nicht erst auf die staatliche Gießkanne warten. Was tun? Zum Beispiel das Geld für vorausbeza­hlte Abos nicht zurückford­ern. Überlegen, wie man die derzeit frei zugänglich­en kulturelle­n Dienstleis­tungen und Darbietung­en von Künstlern im Web freiwillig in

Form von Spenden honorieren kann. Noch eins sollte man unbedingt tun: Seine Bücher in den lokalen Büchereien bestellen und die frei zugänglich­en Publikatio­nen im Netz auch nach der Krise unterstütz­en. Nein, nicht alles darf umsonst sein, Kultur muss auch gewürdigt werden.

Kultur ist unser bester Gefährte in Krisenzeit­en, deshalb müssen

wir sie schützen.

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