Das Eu-gipfel-porträt: Sanna Marin
Brüssel/helsinki. Davon können die luxemburgischen Sozialisten oder die Sozialdemokraten in Deutschland in Anbetracht ihrer mäßigen elektoralen Erfolge nur träumen: den Posten des Premierministers zu besetzen. Wie das geht, zeigt Finnland mit Sanna Marin. Sie ist seit Dezember 2019 Regierungschefin einer Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Konservativen und erfüllt zudem zwei Kriterien, die eine SPD in Berlin oder eine LSAP in Luxemburg gerne ins Feld führen, wenn sie sich bessere Zeiten herbeisehnen: Sanna Marin ist jung – am 16. November wird sie 35 – und sie ist eine Frau. Nun sind es aber gerade diese beiden Punkte, auf die Marin nicht reduziert werden will – auch wenn sie ihre Rolle als junge Mutter beispielsweise auf Instagram öffentlichkeitswirksam auslebt. Sie wolle sich auf Sachthemen konzentrieren. „Ich bin aus ganzem Herzen Sozialdemokratin“lautet ihr politisches Glaubensbekenntnis; es geht Sanna Marin um den Erhalt des Wohlfahrtsstaates – eine enorme Herausforderung angesichts einer
Besorgter Blick: Premierministerin Sanna Marin
stetig alternden finnischen Gesellschaft – und um soziale Gerechtigkeit. „Deine Herkunft darf nicht über deine Zukunft bestimmen“, ist ein weiteres Credo der finnischen Premierministerin; Kompass jeder politischen Entscheidung ist folglich deren soziale Verträglichkeit. Das gilt auch für die Klimapolitik, wo sich Finnland unter dem Impuls der Grünen ambitiös gibt: Schon 2035, 15 Jahre vor dem europäischen Stichdatum, will Helsinki klimaneutral sein. Sanna Marin, die einen Masterabschluss in Verwaltungswissenschaften hat, steht aber auch für den klassischen politischen Pragmatismus, der die skandinavischen Staaten auszeichnet. Dies zeigt sich eben auch in der Klimapolitik, wo die Regierung in Helsinki unter anderem auf die Atomkraft setzt, um die Energiewende zu schaffen. Erst einmal muss Marin aber, wie ihre Eu-kollegen auch, die Coronakrise meistern. Dass sie sich nicht scheut, einschneidende Maßnahmen zu treffen, zeigt die Schließung aller Restaurants bis Ende Mai. Doch auch im Kampf gegen das Virus blitzen pragmatische und soziale Züge auf: Zwar sind die Schulen im Land der 1 000 Seen geschlossen – um jedoch Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten, können Kinder bis zur dritten Klasse weiter in den Schulen betreut werden. mas