„An uns wird nicht gedacht“
Luxemburgs Gründerszene fordert einen eigenen Rettungsfonds für Start-up-unternehmen
Die Enttäuschung ist groß. „Bei dem am Mittwoch vorgestellten Hilfspaket sind wir einfach vergessen worden“, bedauert Jérôme Grandidier, Präsident der Fédération luxembourgeoise des startups (FSLU), „an uns wird nicht gedacht, wir wurden bei den Reden der Minister nicht mal erwähnt!“
Das massive Rettungspaket, das Luxemburgs Wirtschaft vor dem Fall ins Bodenlose bewahren soll, umfasst neben anderen Maßnahmen etwa 50 Millionen Euro Direkthilfen für Selbstständige und kleine Betriebe. Das Problem: „Diese Hilfsmaßnahmen greifen bei Start-ups überhaupt nicht“, sagt Grandidier. So soll etwa jeder Selbstständige und jedes Unternehmen mit weniger als neun Beschäftigten 5 000 Euro erhalten. „Das gilt aber nur für jene Firmen, die ihre Türen auch tatsächlich abgeschlossen haben, das aber ist bei hiesigen Start-ups nicht der Fall“, stellt Jérôme Grandidier klar. Auch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit ist in seinen Augen für Startups kein geeignetes Instrument: „Die meisten sind dabei, ihre Produkte und Dienstleistungen aufzubauen. Ihre Mitarbeiter jetzt nach Hause zu schicken, macht die Situation nicht besser“.
Auch die Aussicht auf Kredite, die mit Unterstützung des Staates bei den Banken beantragt werden können, stellt FSLU-CHEF in Frage: „Finanzminister Gramegna hat zwar die gute Zusammenarbeit mit dem Bankensektor hervorgehoben, allerdings wissen wir nicht, ob solche Anfragen über den Kreditausschuss der jeweiligen Bank laufen. Ist das der Fall, haben Startups schlechte Karten, weil noch kein Geld verdient wird – also gibt es keine Kredite. Zunächst müssen Start-ups ja finanziert werden, damit sie später dann einen Bankkredit aufnehmen können.“Dazu kommt, dass ein Darlehen für einen gewissen Zeitraum zwar helfen kann, aber später zurückbezahlt werden muss. Damit stehen sie als Belastung in der Bilanz, was potenzielle Geldgeber abschrecken könnte.
Vier-millliarden-plan in Frankreich
Seine Bilanz: „Die spezifischen Bedürfnisse der Start-ups sind nicht berücksichtigt worden“, stellt Grandidier enttäuscht fest. Was für ihn und seine Mitstreiter aber noch ärgerlicher ist, ist die Tatsache, dass in den Nachbarländern das Problem praxisbezogener gelöst wird. „Wenn man sieht, was Frankreich für die Gründerszene macht, haben wir wirklich das Gefühl, dass wir in Luxemburg niemanden interessieren.“
Der französische Wirtschaftsund Finanzminister Bruno Le Maire hat einen Vier-milliardeneuro-plan angekündigt, um den Cash-flow der französischen Start-ups zu stützen. Le Maire betont, dass die französische Technologie „eine Säule unserer Wirtschaft und unserer Arbeitsplätze“ sei. Insgesamt will Paris zur Stützung der Wirtschaft insgesamt 300 Milliarden Euro mobilisieren.
„Auch in Deutschland sind bereits Stimmen laut geworden, dass es für Start-ups spezielle Hilfsmaßnahmen braucht, weil sie oft nicht die Voraussetzungen erfüllen, um Geld von den Banken zu bekommen“, sagt Grandidier.
„Ein Investitionsfonds muss her“
Laut Jérôme Grandidier erfordern die dramatischen ökonomischen Auswirkungen der Corona-krise schnelle und maßgeschneiderte Hilfen für Gründer. Umsatzeinbrüche, zögerliche oder gar abspringende Investoren, kaum Möglichkeiten der Kostenreduzierung – so beschreibt er das in seinen Augen zerstörerische Umfeld, das die wachsende und selbstbewusste Gründerszene in Luxemburg
Jérôme Grandidier: „Wir interessieren in Luxemburg niemanden.“
ausbremst: „Das ganze Netz der Jungunternehmen in Luxemburg droht zu reißen“.
Schon in normalen Zeiten sind diese Unternehmen in einer permanenten Liquiditätsklemme und haben kaum Rücklagen. Auch ihre Abhängigkeit von Investoren schafft andere Voraussetzungen als bei etablierten Firmen. Jérôme Grandidier richtet daher einen dringenden Appell an die Politik: Er verlangt konkret nach „einem Investitionsfonds, um Start-ups zu finanzieren. Das wäre kein kurzfristiger und teurer Schritt, sondern ein effizientes Mittel, um die Gründerszene in Luxemburg langfristig zu stärken“, sagt Grandidier und fügt hinzu: „Wenn die Regierung es mit der ,Startup-nation‘ ernst meint, bietet sich jetzt die Gelegenheit, das zu beweisen“.
Wir wurden bei der Vorstellung des Hilfspakets nicht mal erwähnt.
Jérôme Grandidier
Nur eine erste Etappe
Auch Carlo Thelen, Direktor der Handelskammer, sieht Handlungsbedarf für die Unternehmen, die die 5 000-Euro-maßnahme nicht beantragen können. „Es ist in der Tat zu befürchten, dass die ganze Substanz in den nächsten Monaten verloren geht. Das wäre eine dramatische Entwicklung für unsere Wirtschaft. Viele Start-ups haben keine Einnahmen, dafür aber zahlreiche Ausgaben. Es wäre wünschenswert, dass die Firmen, die im ersten Entwurf des Hilfspakets nicht berücksichtigt wurden, in einem zweiten ,Package‘ einbezogen werden.“
Carlo Thelen sieht im milliardenschweren Hilfspaket demnach nur „eine erste Etappe“, die nach einer Überprüfung nachgebessert werden muss.