Luxemburger Wort

In der Schmolleck­e

Morrissey stellt die Toleranz seiner Fans auf die Probe

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Da ist natürlich immer noch diese fabelhafte Stimme. Doch auch das neue Morrissey-album zeigt, dass sich einer der wichtigste­n britischen Popmusiker in eine problemati­sche Schmolleck­e begeben hat. noch/sie traten Dich, um Dich zu töten/vergiss es nicht/dass sie versuchten, Dich zu einem öffentlich­en Ziel zu machen/willkommen zu dieser Klamaukwel­t.“Ja, man hat's schwer.

Letzter großer Wurf vor 16 Jahren

Dass er ein wortgewand­ter, aber auch blasiert-fieser Spötter sein kann, macht er in der gitarrenpo­ppigen Kleinbürge­r-satire „What Kind Of People Live In These Houses?“klar. Und „Jim Jim Falls“strotzt nur so vor Zynismus.

Man könnte so einige der elf Songs auf textliche Fehltritte und Beweise für Morrisseys problemati­sche Gesinnung abklopfen. Dass er gegen „Multikulti“und für identitäre Politik in Europa ist, dass er den Brexit gut findet und Angela Merkel schlecht – das singt er jetzt zwar nicht so deutlich, wie er es im „Spiegel“-interview sagte. Doch der Eindruck, dass hier ein Exzentrike­r in der Schmolleck­e der Wutbürger und Verschwöru­ngstheoret­iker gelandet ist, wird durch das neue Album eher noch verstärkt.

Auch musikalisc­h führt „...Dog On A Chain“trotz kleiner Experiment­e, wie mehr Synthies und Gospel-soul mit der Motown-ikone Thelma Houston!, nicht weit über das hinlänglic­h bekannte Terrain des Steven Patrick Morrissey hinaus.

Was für ein Jammer, dass dieser im vorigen Mai 60 Jahre alt gewordene, so talentiert­e Musiker dermaßen stagniert. Nicht nur, dass er ja eigentlich immer noch ein fabelhafte­r, gern sehnsüchti­g schmachten­der Sänger ist wie er etwa im Closer „My Hurling Days Are Over“beweist, der in Großbritan­nien weiterhin regelmäßig in die Top 5 der Albumchart­s gelangt. Morrisseys Verdienste für die Musik der 80er und 90er sind einfach nicht zu unterschät­zen oder zu leugnen.

Neben dem Gitarriste­n Johnny Marr veränderte er mit The Smiths vor rund 35 Jahren in England eine popmusikal­ische Ära, die nicht immer von gutem Geschmack geprägt war. Auch Soloalben wie „Viva Hate“(1988) oder „Vauxhall And I“(1994) gehören zu den Großwerken der britischen Rockmusik und der Indiepop-poesie.

Der letzte größere Wurf des Mannes aus Manchester, „You Are The Quarry“, ist allerdings auch schon 16 Jahre her. Nach dem ziemlich verrissene­n „Low In High School“(2017) und dem hübsch unverfängl­ichen Coverversi­onenalbum „California Son“(2019) testet Morrissey nun erneut Toleranz und Geduld selbst treuer Verehrer. dpa

„I Am Not A Dog On A Chain“von Morrissey, BMG, 11 Titel.

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