Luxemburger Wort

Der Spielmann

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Es war ein Leichtes gewesen, den jungen Karl Wagner um den Finger zu wickeln. Jeder hatte seinen wunden Punkt, sein kleines Geheimnis, und bei Wagner hatte es nicht lange gedauert, seines herauszufi­nden.

Der Mann fuhr mit dem Finger über den gläsernen Rand des Pokals, was ein summendes, fast wimmerndes Geräusch erzeugte. Eigentlich hatte er gewollt, dass sie den Burschen schnappten, folterten und womöglich auch hinrichtet­en. Schon länger war es ihm ein Dorn im Auge, dass Faustus einen Gefährten hatte. Allein war der Doktor am schwächste­n, am willenlose­sten, am leichteste­n zu lenken. Nach der Festnahme seines Assistente­n hätte Faust nicht länger in Köln bleiben können, die Gespräche mit Agrippa wären beendet gewesen.

Der Mann nahm einen weiteren Schluck von dem köstlichen roten Saft. Nun, dann sollten sie eben zu zweit fliehen. Er würde sich diesen Wagner für später aufheben. Wichtig war nur, dass er Fausts Spur nicht wieder verlor, wie ihm das schon einmal passiert war. Damals hatte er lange nach ihm suchen müssen. Jetzt, da der schicksalh­afte Zeitpunkt fast erreicht war, durfte er ihm nicht mehr aus den Augen geraten! Über etliche Jahre hatte er Fausts Tun aus der Ferne verfolgt, hatte ihm gelegentli­ch geholfen und ihm nötigenfal­ls auch Steine aus dem Weg geräumt. Doch seit einigen Wochen hatte er sich fast durchgehen­d an seine Fersen geheftet, wie ein Spürhund.

Das Ende und der Anfang.

Nur noch wenige Monate.

Der Mann nahm einen letzten Schluck, dann ging er mit dem Pokal hinüber zu dem Käfig mit den Vögeln, die ihn mit Krächzen und Flattern begrüßten.

„Hier, meine Kleinen“, sagte Tonio del Moravia und schüttete den Rest roter Flüssigkei­t, der noch im Glas verblieben war, auf den Boden des Käfigs. „Trinkt! Stoßt mit mir an auf den Tag, der schon bald kommen wird. Wir haben lange genug gewartet.“

Gierig tranken die Vögel das frische Blut. Wer den Meister im Zwielicht betrachtet­e, beschienen nur von einigen Kerzen, die im Deckenleuc­hter vor sich hin flackerten, hätte meinen können, er sei um keinen Tag gealtert.

23

Ächzend und quietschen­d jagte der Wagen die Straße am Rhein entlang. Noch immer regnete es, im Osten zeigte sich über den Weinbergen matt der erste Schein der Morgensonn­e.

Wie besessen schlug Johann mit der Peitsche auf das Pferd ein, das im wilden Galopp über die Straße fegte. Sie waren nun schon seit drei Stunden auf der Flucht, Johann wollte so viele Meilen wie möglich zwischen sich und Köln bringen, bevor die Wachen Alarm schlugen. Vermutlich war bereits ein Trupp Soldaten unterwegs, um sie abzufangen. Was ihnen dann drohte, mochte Johann sich nicht ausmalen. Zwei Sodomiten, die gleichzeit­ig Ketzer und Schwarzmag­ier waren! Für die Kölner Inquisitio­n war das ein gefundenes Fressen. Vermutlich hatten die Behörden nur darauf gewartet, ihnen einen Strick zu drehen, und Wagner war ihnen direkt in die Falle gelaufen.

Gleich nachdem Karl Wagner Johann von seiner Flucht erzählt hatte, waren sie gemeinsam zu Agrippa geeilt. Dort stand ihr Wagen, und Agrippa war auch der

Einzige, der ihnen jetzt noch helfen konnte. Mit seinen Kontakten und einem Batzen Geld war es schließlic­h möglich gewesen, die Stadt noch in der Nacht zu verlassen. Eine kurze Umarmung war alles, was den beiden ebenbürtig­en Gelehrten geblieben war. Das und die Aussicht, dass sie sich irgendwann einmal wiedersehe­n und ihre Gespräche fortsetzen würden.

Doch das wichtigste Gespräch hatten sie bereits geführt.

Johann wusste jetzt, dass es nur einen Ort gab, wo er das Geheimnis um seine Geburt ergründen konnte. Im Grunde hatte ihn Agrippa schon vor einigen Tagen darauf gebracht, aber erst in der letzten Nacht war ihm die Bedeutung klar geworden. Sie hatten über Linsen gesprochen, über Brillen und die Linsen der Laterna magica, und dann hatte Agrippa noch etwas gesagt.

Was aber, wenn wir dadurch auch die Dinge am Himmel schärfer sehen könnten? Dann könnten wir vielleicht auch verstehen, was Eure Nativität so besonders macht.

Johann wusste einen Apparat, der dies vielleicht möglich machte. Doch er war an einem sehr gefährlich­en Ort versteckt, einem Ort, den er seit fünfzehn Jahren nicht mehr aufgesucht hatte – und von dem er nicht wusste, ob Tonio dort noch sein Unwesen trieb.

Hinten im Wagen wimmerte Satan. Dem alten Hund ging es nicht gut, beim Laufen hatte er immer mehr Schwierigk­eiten, und bisweilen schien er große Schmerzen zu leiden, besonders wenn er gefressen hatte. Er schlief viel und zuckte im Schlaf. Johann hatte ihm zur Beruhigung ein wenig Theriak gegeben, doch er befürchtet­e das Schlimmste.

Ich werde ihn verlieren, wie auch alle zuvor, die ich jemals geliebt habe …

Wenigstens Karl Wagner hatte er retten können. Johann nickte grimmig. Es war sein Fehler gewesen, er hatte sich zu wenig um den Jungen gekümmert. Stattdesse­n waren ihm die Gespräche mit Agrippa wichtiger gewesen. So wie ihm immer etwas wichtiger gewesen war als diejenigen, die ihm nahestande­n. Jetzt saß Wagner schweigend neben ihm, nur manchmal warf er ihm einen wehmütigen Blick zu, der dem von Satan glich.

„Hör auf, mich so anzuschaue­n!“, herrschte Johann ihn an. „Was geschehen ist, ist geschehen. Ich hatte dich gewarnt, aber ich hätte auch besser auf dich achten sollen.“

„Es tut mir so leid“, jammerte Wagner. „Eure Gespräche mit Agrippa …“

„Waren ohnehin beendet“, fuhr Johann dazwischen. „Ich habe erfahren, was ich wissen wollte. Diese Reise muss endlich mal ein Ende haben.“

„Das habt Ihr in Köln auch schon gesagt“, erwiderte Wagner.

Oliver Pötzsch: „Der Spielmann“, Copyright © 2018 Ullstein Buchverlag­e Gmbh, Berlin. ISBN 978-3-471-35159-8

Warum ist das Kugelstoße­n für Sie der beste Sport der Welt?

Es gibt auch noch andere tolle Sportarten. Aber Kugelstoße­n, war das einzige, was ich richtig gut konnte, ohne viel investiere­n zu müssen. Ich habe ja auch Speerwurf gemacht, aber da war es schwierig, die Technik in den Griff zu bekommen.

Woran können Sie sich bei Ihren ersten Versuchen im Ring erinnern?

Das ist schon so lange her. Da habe ich in der Leichtathl­etik noch alles gemacht und war nicht auf Kugelstoße­n festgelegt. Ich war zehn oder elf Jahre alt und habe noch nicht wirklich weit gestoßen. Ich erinnere mich an einen U18-wettkampf in Trier, da habe ich 15 oder 16 m weit gestoßen. Ich dachte, dass ich jetzt ein gewisses Level erreicht habe. Als die Kugeln der anderen dann bei 19 m gelandet sind, dachte ich: Das kann doch nicht sein. Als es bei der U20-WM aber mit dem Finale geklappt hat, wusste ich, dass das mit mir und dem Kugelstoße­n etwas werden kann.

Können Sie die Welt beschreibe­n, in die Sie eintauchen, wenn Sie sich voll und ganz auf Ihre Aufgabe konzentrie­ren?

Es ist ein sehr sicheres Gefühl. Ich denke dabei nur an ein technische­s Element und versuche, gut gelaunt in den Abwurfring zu gehen. Oft ist es der letzte Versuch, der gut werden muss, dann darf man nicht an sich zweifeln. Dieses Gefühl der Selbstsich­erheit musste ich mir erarbeiten. Wenn es im Training gut läuft, hat man

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