Leuchtendes Beispiel
Europa sendet in der Corona-krise widersprüchliche politische Signale aus, sowohl nach innen wie nach außen. Ausgerechnet mit Solidarität und Subsidiarität tut sich die Staatengemeinschaft schwer. Kooperation und Koordination kommen nur schleppend voran.
Beispiel Grenzschließungen. 16 von 25 Mitgliedstaaten des Schengen-raums haben im Zuge der Corona-krise Kontrollen an ihren Grenzübergängen eingeführt, eine Maßnahme, die zwar die Bewegungsfreiheit der Menschen und den Warenverkehr einschränkt, nicht aber die Verbreitung des Virus. Schlimmer noch: Die Grenzschließungen erfolgten zum Teil ohne Absprache zwischen den Staaten. Eine der greifbarsten Errungenschaften der europäischen Integration werde nun infrage gestellt, wie Außenminister Jean Asselborn zu Recht beklagte.
Die fast reflexartig erfolgten Grenzschließungen sind eine Folge mangelnder Fähigkeit oder Bereitschaft zu Zusammenarbeit und Koordinierung. Es wäre besser gewesen, wenn alle Eu-staaten – etwa auf Empfehlung der Eukommission – unisono beschlossen hätten, dass Menschen zu Hause bleiben sollten, statt unkoordiniert die Schlagbäume herunterzulassen.
Doch die Eu-kommission in Brüssel tut sich schwer damit, koordinierend zu wirken, denn ihr sind weitgehend die Hände gebunden. Gesundheit und Sicherheit sind nun mal Ländersache. Dabei wäre ein abgestimmtes, gemeinsames Vorgehen zielführender, als wenn quasi jedes Land selber zusehen muss, wie es an dringend notwendigen Nachschub kommt, allen voran Schutzmasken, Testkits und Beatmungsgeräte.
Die Staats- und Regierungschefs und ihre Finanzminister ihrerseits streiten wieder einmal über gemeinsame europäische Anleihen, die sogenannten „Corona-bonds“. Man fragt sich: Wann, wenn nicht jetzt, soll es gelingen, die erwartbaren wirtschaftlichen und finanziellen Schäden dieser Krise auch mit gemeinsamen Schuldverschreibungen abzufedern? Wann, wenn nicht jetzt, ist der Moment, Lasten gemeinsam zu schultern? Immerhin wurde diese Krise von keinem Einzelstaat verschuldet, erst recht nicht durch lasche Finanzpolitik. Sie betrifft jedoch ausnahmslos alle Mitgliedsländer, die reichen des Nordens ebenso wie die notorisch klammen Südstaaten. Dass, wenn Schulden vergemeinschaftet werden, auch Haushaltsdisziplin eingefordert werden kann, sollte dabei außer Frage stehen.
Trotz allem gibt es sie, die Zeichen innereuropäischer Solidarität. Mit Verspätung zwar, aber immerhin. So haben mehrere Eu-mitgliedstaaten, darunter Luxemburg, endlich damit begonnen, Covid-19-patienten aus der Region Grandest aufzunehmen. In diesen Tagen wurden auch Erkrankte aus Bergamo nach Deutschland ausgeflogen.
Die Corona-krise ist schon jetzt ein starkes Plädoyer für entschlossenes Vorgehen bei der europäischen Kooperation. Angesichts eines antriebslosen Amerika und eines erstarkenden China wäre es auch aus geopolitischer Perspektive dringend notwendig, dass die Europäische Union sich zusammenraufen und als leuchtendes Beispiel für die freie Welt agieren würde.
Die Corona-krise ist schon jetzt ein starkes Plädoyer für europäische
Kooperation.