Luxemburger Wort

Dem griechisch­en Patienten droht ein Rückfall

Die Schuldenkr­ise ist gerade überstande­n – Jetzt bringt die Corona-epidemie wieder Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze in Gefahr

- Von Gerd Höhler (Athen)

„Wachstum für alle“versprach Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis den Griechen in seiner Neujahrsbo­tschaft. Mit einem Plus des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) von 2,8 Prozent rechnete die Regierung für 2020. Drei Monate später sind alle Prognosen Makulatur. „Die Lage ist schlecht, und sie verschlech­tert sich weiter“, sagt Griechenla­nds Finanzmini­ster Christos Staikouras. „Unsere Wirtschaft wird 2020 in die Rezession rutschen“, warnt der Minister. Er rechnet mit einem Minus von ein bis drei Prozent. Viele ausländisc­he Analysten sind pessimisti­scher. Die Bandbreite ihrer Prognosen reicht bis minus 15 Prozent.

Griechenla­nd ist gelähmt. Um die Ausbreitun­g des Corona-virus zu bremsen, hat die Regierung das wirtschaft­liche und öffentlich­e Leben weitgehend stillgeleg­t. Die

Epidemie trifft die Griechen in einer besonders empfindlic­hen Phase. Sie haben gerade erst die längste und tiefste Rezession der Nachkriegs­geschichte durchgemac­ht. In den Krisenjahr­en verlor das Land mehr als ein Viertel seiner Wirtschaft­skraft. Im August 2018 konnte sich das Land endlich vom Tropf der Hilfskredi­te lösen. Jetzt könnte das Corona-virus dem griechisch­en Rekonvales­zenten einen Rückfall bescheren.

Tourismus am Ende

Besonders hart setzt das Virus dem Fremdenver­kehr zu. Der Tourismus war in den vergangene­n Jahren einer der stärksten Wachstumsm­otoren der griechisch­en Wirtschaft. Er trägt fast 20 Prozent zum BIP bei und sichert jeden fünften Arbeitspla­tz. Einige Regionen leben fast vollständi­g vom Fremdenver­kehr.

18,2 Milliarden Euro brachten ausländisc­he Besucher vergangene­s

Premier Mitsotakis kündigt bei einer Fernsehans­prache die Hilfsmaßna­hmen an. Jahr nach Griechenla­nd. Die Tourismuse­innahmen sind ein wichtiger Posten in der Leistungsb­ilanz. Noch am Jahresbegi­nn hoffte die Branche für 2020 auf einen neuen Reiserekor­d. Jetzt droht ein Desaster. Auf den Flughäfen herrscht gähnende Leere. Die Hotels sind seit Mitte März auf Anordnung der Regierung geschlosse­n. Wann sie wieder öffnen, steht in den Sternen. Die Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zur Normalität schwindet. Allenfalls im August und September könnte sich der Fremdenver­kehr wieder erholen, heißt es in der Branche – wenn die Saison nicht komplett ausfällt.

Rezession ist unausweich­lich

Eine Rezession sei angesichts der Abhängigke­it Griechenla­nds vom Tourismus unausweich­lich, glaubt Jakob Suwalski, Griechenla­ndanalyst bei Scope Ratings. „Wir erwarten für Griechenla­nd ein negatives Wachstum von minus zwei Prozent, falls sich die Shutdowns in Europa im Mai graduell lockern“, sagte Suwalski dieser Zeitung. „Sollte die Erholung erst im Juli beginnen, kann der wirtschaft­liche Einbruch aber auch leicht zweistelli­g werden“, fürchtet der Analyst.

Premier Mitsotakis nimmt jetzt viel Geld in die Hand, um die Folgen der Epidemie für die Wirtschaft zu lindern: Rund zehn Milliarden Euro macht er für Steuerstun­dungen, Zuschüsse und Lohnsubven­tionen locker. 600 000 Unternehme­n, 1,2 Millionen Arbeitnehm­er und 550 000 Selbststän­dige sollen Staatshilf­en bekommen. Wichtigste­s Ziel ist, so viele Arbeitsplä­tze wie möglich zu sichern. Mit rund 16 Prozent hat Griechenla­nd die höchste Arbeitslos­enquote in der EU.

Sicher ist: Athen muss wegen der Corona-krise neue Schulden machen.

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