Kunst braucht Zeit, das Virus nimmt sich Zeit
Malerei als Reaktion auf Beschleunigung
Der Künstler, der Natur und ruhende Landschaften aber auch Schnelllebiges in zeitaufwendiger Ölmalerei einfängt, wurde ausgebremst. Nur eine Woche lang war die monografische Ausstellung „D’après nature“von Jean-marie Biwer zu besichtigen, dann mussten die Türen geschlossen werden. Die Schutzmaßnahmen gegen das rastlose Corona-virus erforderten das. Seine Bilder blicken nun in die Leere. Im Mudam ist es still geworden, das Räderwerk dreht dort langsamer, nur über die sozialen Netzwerke gibt das Museum noch Lebenszeichen.
In diesen besonderen Tagen geht es auch im Künstleratelier von Jean-marie Biewer etwas ruhiger zu. „Ich verrichte kleine Arbeiten, bin sehr müde wegen der enormen Vorbereitungsarbeit für die Ausstellung“, erzählt er am Telefon. Man hört ihm etwas Niedergeschlagenheit an. „Der Aufbau, der Transport, das Beschriften der Fotos im Katalog, das Nachlesen und Korrigieren der Texte, all das hat mir viel Kraft gekostet. Eine Arbeit, die nicht ganz umsonst war, die nun aber trotzdem keiner so richtig mitbekommt.“
All diese Dinge sind da, es genügt sie zu betrachten. Sie sind zwar einfach, haben aber dem Menschen heute enorm viel zu geben.
Jean-marie Biwer, Maler
Die Farbstoffe gehen aus
Neben dem künstlerischen Aufwand steckt mehr hinter einer Ausstellung als man glaubt, und deshalb tut es dem Künstler auch wirklich leid, dass das Museum nun geschlossen ist – nicht nur wegen seiner Arbeit, sondern ebenfalls wegen jener der vielen Mitarbeiter des Mudam.
Dass Stille auch in das Atelier von Jean-marie Biwer eingetreten ist, liegt daran, dass dem Maler bald die Farbstoffe fehlen werden. Er bezieht seine Ölfarben im Ausland, wo er zur Zeit nicht hinreisen will. Auch in diesem Punkt hemmt das Virus die Kunst. Ölmalerei braucht Zeit, das Virus aber nimmt sich Zeit.
Bis zum 24. Mai ist die Ausstellung geplant. Wird es eine Verlängerung geben? Das hängt vom Mudam und von den Leihgebern ab. Wenn die ihre Bilder zurückwollen, dann ist Schluss, denn dann funktioniert das Ganze nicht mehr. Entscheidend ist aber auch, was das Museum nach Biwer geplant hat und was da in den Verträgen steht. Die ganze Kunstszene ist wegen Corona durcheinander. Ab November 2020 soll der Südafrikaner William Kentridge seine Arbeiten in einer eigens fürs Mudam konzipierten Ausstellung präsentieren. Wird das klappen?
Jean-marie Biwer hat in den vergangenen vier Jahrzehnten sowohl sein alltägliches Umfeld als auch eine breitere Sicht auf die zeitgenössische Gesellschaft in seine Werke einfließen lassen. Der Maler hinterfragt die Rolle der Malerei in einer von Bild- und Informationsflut geprägten Welt und schafft Kunst als Antwort auf ihre
Allgegenwärtigkeit und als Reaktion auf die Beschleunigung des Lebens. Wie das Virus seine Kunst beeinflussen wird? Na, es ist noch verfrüht, um eine Antwort des Künstlers darauf zu bekommen. Gut Ding braucht Weile ...
Bis auf weiteres will sich das Mudam darum bemühen, das Werk von Jean-marie Biwer vor allem Kindern zugänglich zu machen. Und zwar über die Netzwerke. Dort kam vorige Woche der Aufruf „Mol mer e Bam“– Kinder sollen Bäume malen, woraus das Mudam animierte Filmchen anfertigen will. Im Youtube-channel des Museums gibt es zudem seit gestern das Video „Ech langweile mech“, die Geschichte einer Wolke, die über Landschaftsmalereien des Künstlers wandert.
„D’après nature“von Jean-marie Biwer, noch voraussichtlich bis zum 24. Mai im Mudam, das derzeit geschlossen ist.
► www.mudam.lu