Luxemburger Wort

Zeitsegen

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Normalerwe­ise hat man nie welche, doch in Zeiten wie diesen ist eben nichts normal. Und nun hat man urplötzlic­h eine ganze Menge davon – Zeit. Selbst, wenn uns heute Nacht wieder einmal eine ganze Stunde geklaut wird. Wie sicherlich viele von Ihnen, liebe Leser, versuche auch ich, diese Zeit möglichst sinnvoll zu nutzen. Und ich darf zufrieden sein: Acht Einträge konnte ich bereits auf meiner To-do-liste streichen. So habe ich nicht nur den zuletzt meterhohen Wäscheberg endlich bewältigt, sondern auch die lästige Bügelarbei­t erledigt – inklusive jener Teile, um die ich wegen ihres Komplexitä­tsgrads seit geraumer Zeit einen Bogen gemacht habe. Ich habe das Loch in dem hellblauen T-shirt geflickt, das seit Jahren auf seine Rettung wartet. Ich habe den Verschluss meiner roten Ledertasch­e wieder angenäht, der vor mindestens genauso vielen Jahren abgefallen war. Zwei neue Backrezept­e habe ich ausprobier­t

Drei Jahre lag das Notenbuch unangetast­et da.

– und ich kann Ihnen sagen, sowohl die Bagels als auch der Nusszopf waren köstlich. Ich habe das verstaubte Keyboard aus der Ecke geholt und einen Beatles-song einstudier­t – aus jenem Notenbuch, das ich vor drei Jahren hoch motiviert gekauft und seither nicht ein einziges Mal geöffnet hatte. Ich habe ein Buch zu Ende gelesen und ein neues begonnen. Ja, liebe Leser, gerade in Zeiten wie diesen sollte man die kleinen Freuden des Alltags zu schätzen wissen. Dass ich all das in Angriff nehmen würde, hätte ich selbst gar nicht erwartet. Vielmehr hatte ich innig gehofft, dass ich schon nach wenigen Tagen in der aufgeräumt­esten Wohnung von ganz Luxemburg leben würde. Nach zwei Wochen schaue ich mich jedoch um und stelle fest: Dem ist leider nicht so. Tja, so ist das halt, wenn man 24 Stunden am Tag zu Hause verbringt, ständig selber kocht und auch noch in den eigenen vier Wänden arbeitet. Ob das nur mir so geht? Sei’s drum. Sonst hätte ich ja bald nix mehr zu tun. Diane

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