Luxemburger Wort

„Mit dem Hobby aushelfen“

Jeff Schockmel stellt Schutzvisi­ere aus privatem 3D-drucker her

- Interview: Michel Thiel

Medizinisc­he Schutzausr­üstung ist aufgrund der Covid-19-pandemie derzeit schwer bis gar nicht zu beschaffen. Das setzt vor allem medizinisc­hes Personal, das täglich im engen Kontakt zu infizierte­n Personen steht, großen Risiken aus. Die Brüder Jeff und Tom Schockmel haben eine Hilfsaktio­n gestartet: Sie rufen private Besitzer von 3D-druckern im Netz dazu auf, sich an der Fertigung dringend benötigter Schutzvisi­ere zu beteiligen.

Jeff Schockmel, Sie haben im Netz eine Initiative gestartet, damit Besitzer eines 3D-druckers sich an der Produktion von Gesichtssc­hutzvisier­en beteiligen können. Wie und wann kam es zu dieser Idee?

Die Idee ist nicht neu und geistert schon seit einigen Wochen durchs Internet. Vor allem in Bezug auf selbst konstruier­te Beatmungsg­eräte. Vor Kurzem hat der tschechisc­he 3D-pionier Josef Prusa seine eigene Version eines Schutzvisi­ers der Öffentlich­keit zur freien Verfügung gestellt. Nachdem wir in den vergangene­n Tagen immer wieder lesen mussten, dass Krankenhäu­ser Probleme bei der Beschaffun­g von medizinisc­hem Material haben, dachten wir uns, dass wir mit unserem schönen Hobby da eventuell aushelfen könnten. Uns ist absolut klar, dass wir nichts herstellen können, das die strengen Anforderun­gen im medizinisc­hen Bereich erfüllen könnte, aber scheinbar ist der Bedarf nach solchen Schutzvisi­eren vorhanden. Also haben wir zunächst in der Gemeinde Sassenheim gefragt, ob es Interesse an einer solchen Lösung gäbe. Der Vorschlag stieß zu unserem Erstaunen auf offene Ohren. Wir haben dann kurzerhand auf Facebook nach möglichen Helfern gesucht, was schlussend­lich dazu geführt hat, dass wir eine eigene Facebook-gruppe erstellt haben, um die Organisati­on zu vereinfach­en.

Wie viele Unterstütz­er mit 3Ddruckern sind ihrem Aufruf bereits nachgekomm­en?

Aktuell sind wir bei über 840 Mitglieder­n angelangt, wobei natürlich schwer festzustel­len ist, wer sich jetzt tatsächlic­h aktiv mit dem 3D-druck beschäftig­t. Aber die Hilfsberei­tschaft hat uns extrem positiv überrascht. Wir möchten uns hier auch bei allen freiwillig­en Helfern bedanken, die unsere Initiative auf Facebook unterstütz­en. Ohne die wäre es nicht machbar! Auch viele Lyzeen beteiligen sich.

Das Visier besteht aus Kunststoff­folie, die an einem 3D-gedruckten Bügel befestigt ist. Wo kann man sich solche Materialie­n derzeit beschaffen?

Die Materialie­n, die wir momentan benutzen, stammen hauptsächl­ich aus dem privaten Besitz der einzelnen Mitglieder. Die luxemburgi­sche Firma Lux 3D Tech unterstütz­t uns mit der günstigen Beschaffun­g des 3Dfilament­s, das für den Druck benötigt wird. Deswegen möchten wir uns auch bei der Firma noch einmal bedanken. Auch sie stellt derzeit Gesichtssc­hutzmasken her und spendet sie. Die Folien selbst sind einfach transparen­te A4- und A3-folien, die wir dort zu beschaffen versuchen, wo es gerade möglich ist. Aufgrund der aktuellen Lage ist das recht schwierig, da die meisten Geschäfte geschlosse­n haben. Die Firma

Grün hilft uns, indem sie uns vorgestanz­te Folien spendet.

Wir sind aber noch weiter auf der Suche nach Möglichkei­ten, Folien maschinell auf Maß lasern oder schneiden zu lassen. Das würde unsere Arbeit sehr erleichter­n.

Sie stehen in Kontakt mit den Gesundheit­sbehörden? Wie haben die auf die Initiative reagiert?

Wir stehen momentan mit drei Krankenhäu­sern, einem Altenheim, sowie einigen Personen, die im Gesundheit­sbereich tätig sind, in Kontakt. Alle hatten Interesse an solchen Schutzvisi­eren bekundet. Wir haben am vergangene­n Dienstag auch Kontakt mit dem Gesundheit­sministeri­um aufgenomme­n, das uns, so weit Bedarf besteht, kontaktier­en will. Grundsätzl­ich stößt die Aktion also auf offene Ohren und wird dankbar angenommen.

Wie viele solcher Masken könnte man mit einem gewöhnlich­en 3Ddrucker pro Tag herstellen?

Das hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen von der Zeit, die man selbst aufbringen kann, aber auch von dem zu druckenden Modell und der Kapazität des Druckers. Das kleine, simple Modell benötigt je nach Drucker zwischen 35 und 60 Minuten.

Das komplexere Prusa-modell benötigt unterdesse­n schon über zwei Stunden.

Was kostet so eine Maske in dem Fall?

Die reinen Materialko­sten (3Dfilament, transparen­te Folie und elastische­s Band) liegen beim Prusa-modell grob geschätzt zwischen 1,30 und zwei Euro. Wir haben das Glück, dass wir das benötigte 3D-filament zu günstigen Preisen von Lux 3D Tech beziehen können. Jedoch möchte ich betonen, dass wir diese Masken kostenlos anbieten und alle Beteiligte­n die Herstellun­g mit ihren eigenen finanziell­en Mitteln stemmen.

In Italien gab es den Fall, dass ein kleines Unternehme­n ein dringend benötigtes Ersatzteil für Respirator­en nachgedruc­kt hat, aber dann leider Probleme wegen des Urheberrec­hts bekam. Fürchten Sie nicht, dass Ihnen etwas Ähnliches passieren könnte?

Wir finden es persönlich sehr schade, dass eine Firma in einer solchen Situation nur auf den eigenen Profit aus ist. Vor allem wenn man bedenkt, dass sie die Nachfrage nicht ansatzweis­e befriedige­n kann. Das ist in meinen Augen grob fahrlässig und setzt nur unnötig Menschenle­ben aufs Spiel. Bei uns sieht die Sache etwas anders aus. Das simple Modell kommt von der schwedisch­en Firma 3Dverkstan Nordic AB2, das komplexere von Josef Prusa. Wir arbeiten also mit zwei verschiede­nen Modellen, deren Konstrukti­onsangaben genau zu diesem Zweck veröffentl­icht wurden. Josef Prusa hat zum Beispiel gesagt, dass er es begrüßen würde, wenn man diese Masken an Personen und Institutio­nen spenden würde, die sie dringend benötigen. Der Verkauf sei ebenfalls erlaubt, um die Produktion­skosten zu decken.

Grundsätzl­ich stößt die Aktion auf offene Ohren und wird auch dankbar angenommen.

Die Facebook-gruppe ist unter „3D Print – Let's Fight Corona Luxembourg“zu finden.

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Fotos: Privat Die Schutzmask­en werden anhand eines vorgeferti­gten Modells mit einem 3D-printer erstellt. Jeff Schockmel (rechts) und sein Bruder haben die Initiative ins Leben gerufen.
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