„Natürlich flossen auch die Tränen“
Marie-luise Marjan über das Ende der „Lindenstraße“nach 34 Jahren und ihr Leben als Tv-ikone Mutter Beimer
Als Helga Beimer ist sie längst eine Ikone des deutschen Fernsehens: Seit 1985 verkörpert Marie-luise Marjan in der Ard-seifenoper „Lindenstraße“die Mutter der Nation. Doch jetzt ist Schluss mit Spiegeleier braten und Tratsch im Treppenhaus. An diesem Sonntag ist im Ersten die letzte Folge der „Lindenstraße“zu sehen. Nach 34 Jahren und vier Monaten verabschiedet sich die legendäre Serie unwiderruflich von ihren Zuschauern.
Marie-luise Marjan, die „Lindenstraße“verschwindet nach 34 Jahren vom Bildschirm. Sie waren von Anfang an als Mutter Beimer dabei. Sind Sie traurig?
Ja natürlich, die „Lindenstraße“ist ein großer Teil meines Lebens. 34 Jahre sind eine lange Zeit. Die Serie ist mir in all den Jahren ans Herz gewachsen.
Wie war die Stimmung am Set, nachdem die letzte Folge im Dezember abgedreht worden war?
Die war unglaublich emotional, so etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Nachdem ich meine letzte Szene mit Irene Fischer (spielt die Rolle der Anna Ziegler, Anm. d. Red.) gedreht hatte, war das ganze Studio voller Menschen, alle haben pausenlos applaudiert. Da wurde mir erst bewusst, dass es vorbei ist, und natürlich flossen auch die Tränen. Die Produzenten Hans Geißendörfer und Hana Geißendörfer haben in den letzten Drehwochen mehr als 30 Schauspieler persönlich verabschiedet und jeden mit einer kleinen Rede gewürdigt, die Damen bekamen Blumen, die Herren Champagner. Das war schon ein Abschiedsmarathon, alles war sehr berührend.
Immer wenn Helga Probleme hatte, hat sie ein
Spiegelei in die Pfanne gehauen.
Haben Sie am letzten Drehtag ein paar Worte gesagt?
Ja, ich habe auch eine kleine Rede gehalten, gefühlte 20 Minuten lang. (lacht) Damit es nicht ganz so traurig wird, habe ich auch ein paar lustige Anekdoten eingestreut.
Waren Sie überrascht, als Sie im vergangenen Jahr erfahren haben, dass es zu Ende geht?
Ich war zu dem Zeitpunkt mit meiner Kollegin Andrea Spatzek (spielt die Rolle der Gabi Zenker, Anm. d. Red.) bei einem Wohltätigkeits-golfturnier in Spanien …
… Sie spielen Golf?
Ja, ab und an, ich mache gelegentlich Schnupperkurse.
Und bei diesem Turnier haben Sie dann vom Aus erfahren?
Genau, eine Dame sprach mich an und sagte mir, dass die „Lindenstraße“abgesetzt ist, ich konnte es zuerst überhaupt nicht fassen. Kurz darauf rief mich Produzent Hans Geißendörfer an und teilte mir mit, dass die ARD beschlossen hat, die „Lindenstraße“nicht fortzusetzen.
Waren Sie sauer, dass diese Entscheidung getroffen wurde?
Nein, sauer war ich nicht, ich habe es einfach nicht verstanden, dass die „Lindenstraße“abgesetzt werden soll. Die Akzeptanz für die Serie ist in der Bevölkerung nach wie vor sehr hoch. Klar, die Einschaltquoten waren nicht mehr dieselben wie noch vor 20 oder 30 Jahren, aber das hängt ja auch damit zusammen, dass es heute im Vergleich zu früher viel mehr Sender und Programme gibt. Außerdem hat sich das Zuschauerverhalten total geändert. Viele Leute schauen heutzutage doch auf dem Tablet oder auf ihrem Smartphone die „Lindenstraße“, und die werden von der Quotenzählung gar nicht erfasst.
Der Serie wurde oft der Vorwurf gemacht, sie sei ein bisschen angestaubt.
Diesen Vorwurf kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die „Lindenstraße“ist gerade in der letzten Zeit erheblich moderner geworden, etwa mit einem schnelleren Erzähltempo, schnelleren Schnitten und einer anderen Kameraführung. Und die Themen sind aktueller denn je. Dafür zeichnet Hana Geißendörfer verantwortlich, die die Serie vor ein paar Jahren als Produzentin übernommen hat.
Sie sind an Bord geblieben und waren auch immer das Gesicht der „Lindenstraße“. Hätten Sie damals, vor mehr als 30 Jahren, gedacht, dass das so eine große Sache werden wird?
Nein, das hat niemand von uns geahnt. Wir haben damals gedacht, wenn wir das erste Jahr überstehen, sind wir gut dran. Meine Kollegin Ruth Maria Kubitschek hat mir damals aber gesagt, wenn eine Serie auf mehr als 30 Folgen kommt, dann hat das Publikum sie angenommen und die Serie läuft länger. Heutzutage haben die Sender ja überhaupt keine Geduld mehr mit neuen Serien, wenn sie nicht sofort einschlagen, werden sie abgesetzt.
Heutzutage haben die Sender ja überhaupt keine Geduld mehr mit neuen Serien.
Hatten Sie in all den Jahren auch mal den Drang, etwas anderes als „Lindenstraße“zu machen?
Ja, hatte ich, ich habe zum Beispiel die Zdf-reihe „Kein Rezept für die Liebe“und auch andere Sachen gedreht, bei RTL war ich einmal eine Art Miss Marple in dem Film „Immer wenn sie Krimis liest!“. Und ich liebte meine Pfarrerin in dem Film „Dem Himmel sei Dank“.
Aber in erster Linie waren Sie immer Mutter Beimer.
Damit hatte ich nie ein Problem. Im Gegenteil: Ich habe die Helga Beimer immer gern gespielt. Es gab nie eine Phase, in der ich hinschmeißen wollte.
Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an Helga?
Sie hatte es oft schwer, und die eher traurigen Szenen waren immer eine ganz besondere Herausforderung für mich als Schauspielerin. Noch schwieriger aber war es, den Alltag glaubwürdig zu spielen. Die ganz normalen alltäglichen Szenen mit Leben zu füllen und spannend zu machen.
Sie haben viele Spiegeleier gebraten als Mutter Beimer …
Stimmt, immer wenn Helga Probleme hatte, hat sie ein Spiegelei in die Pfanne gehauen. Dann hat sie sich hingesetzt und das ganz langsam und genüsslich gegessen – das war das Zeichen dafür, dass sie mit einem Problem fertig werden musste, und erfahrene „Lindenstraßen“-zuschauer haben das auch erkannt. Die wussten schon Bescheid, wenn Helga nur die Bratpfanne aus dem Schrank holte. (lacht)
Wie läuft es denn für Helga Beimer in der letzten Folge?
Das darf ich nicht verraten und das will ich auch nicht, denn damit würde ich ja jedem die Spannung nehmen.
Und wie geht es mit Ihnen weiter? Ist jetzt Ruhestand angesagt?
Auf keinen Fall, ich habe noch ganz viel vor. (lacht)