Luxemburger Wort

Mensch vor Technik

- Von Gilles Siebenaler

Seit rund zwei Wochen befindet sich Luxemburg aufgrund der Ausbreitun­g des Corona-virus im Etat de crise und es ist doch erstaunlic­h, wie schnell sich die Gesellscha­ft angepasst hat: Jeder schränkt mittlerwei­le seine Bewegungen auf ein Minimum ein, bleibt so weit es geht in den eigenen vier Wänden und arbeitet (fast) wie selbstvers­tändlich im Homeoffice. Staat, Gemeinden sowie Unternehme­n tun das ihrige und bieten, sofern das möglich ist, ihre Dienstleis­tungen online an, Ärzte konsultier­en per Internet und Telefon. Luxemburg hat gelernt, mit dieser außergewöh­nlichen Situation umzugehen, doch bleiben wesentlich­e Bestandtei­le des Zusammenle­bens auf der Strecke.

Online-behördengä­nge, Homeoffice, Telekonsul­tation: Es sind allesamt Prozesse hin zu mehr Digitalisi­erung, über die bereits seit vielen Jahren geredet wird, deren Umsetzung aber nur schleppend voranging. Angesichts der aktuellen Krisensitu­ation werden sie nun gewisserma­ßen von heute auf morgen umgesetzt. Es zeigt sich: Sie funktionie­ren und sie werden unseren Alltag nachhaltig verändern, beruflich wie privat.

In diesen Zeiten ist Technik ein wahrer Segen. Wenn man sie denn beherrscht. Denn auch, wenn zahlreiche ältere Menschen wie selbstvers­tändlich mit Smartphone, Tablet und Online-diensten umgehen, darf nicht vergessen werden, dass bei Weitem nicht jeder damit umgehen kann beziehungs­weise über die nötige Ausstattun­g verfügt. Viele konnten sich schlichtwe­g nie mit dieser Welt anfreunden. Sie sind nun im Nachteil, werden ausgegrenz­t, brauchen Hilfe. Nach dieser Hilfe zu fragen, ist ihnen aber womöglich unangenehm, weil peinlich. Daher obliegt es jenen, die sich damit besser auskennen, sie zu unterstütz­en: Den Eltern oder Großeltern also lieber noch einmal erklären, wie der Videochat auf dem Smartphone geht, oder ihnen gleich ein altes Tablet organisier­en, sodass man sich zumindest auf Distanz von Angesicht zu Angesicht unterhalte­n kann. Denn die digitale Isolation darf nicht zu einer sozialen führen.

Doch gilt das nicht nur für ältere Generation­en. Vielmehr für alle. Denn auch wenn wir nun unseren Alltag noch mehr als zuvor mit digitalen Kommunikat­ionsmittel­n und Online-tools organisier­en, merken wir doch gleichzeit­ig, wie die sozialen Kontakte dadurch reduziert werden. Das schlägt auf Dauer aufs Gemüt. Der berufliche Alltag lässt sich wohl per E-mail, Videokonfe­renz, Whatsapp-gruppen und sonstigen technische­n Hilfsmitte­ln organisier­en. Es erfordert etwas mehr Aufwand, aber es geht. Was aber nicht mehr geht, das ist das Zusammensi­tzen mit den Kollegen in der Kantine, der lockere Plausch am Kaffeeauto­maten oder der kurze Gedankenau­stausch mit dem Büronachba­rn zwischendu­rch. Dabei ist gerade dieses Zwischenme­nschliche durch nichts zu ersetzen. Es muss dafür weiterhin Platz, Zeit und Möglichkei­ten geben und man sollte auch während der gemeinsame­n

Zeit im Homeoffice Wege finden, sich nicht nur beruflich, sondern auch menschlich auszutausc­hen. Auch oder gerade weil unser Alltag derzeit ein außergewöh­nlicher ist und er vielleicht nie mehr der gleiche sein wird.

Das Zwischenme­nschliche darf bei aller Digitalisi­erung nicht vergessen

werden.

Kontakt: gilles.siebenaler@wort.lu

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