Bewährungsprobe für Boris Johnson
In der Corona-krise ist der an Covid-19 erkrankte Premierminister ein Gefangener in seiner Dienstwohnung
London. „Es wird schlimmer, bevor es besser wird“: Mit einem eindringlichen Appell, die Abstandsregeln der Regierung zu befolgen, hat sich der an Covid-19 erkrankte britische Premierminister Boris Johnson am Wochenende per Brief an sein Volk gewandt. Der 55-Jährige hatte am Freitag mitgeteilt, dass er positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Nun sitzt er mit milden Symptomen in Isolation in seiner Dienstwohnung in der Londoner Downing Street.
Der Brief soll an 30 Millionen Haushalte verschickt werden. Doch es ist fraglich, ob Johnson damit den Eindruck wegwischen kann, die Gefahr der Corona-virus-pandemie unterschätzt zu haben – politisch wie persönlich.
Neben Johnson ist auch Gesundheitsminister Matt Hancock infiziert. Er musste ebenfalls in Isolation gehen. Und auch der oberste medizinische Berater der
Regierung, Chris Whitty, begab sich vorsorglich in selbst auferlegte Quarantäne. Es waren vor allem diese drei, die die britische Öffentlichkeit über die Folgen der Corona-virus-pandemie unterrichtet hatten.
Sorgen um Entscheidungsfähigkeit
der Regierung
In London geht nun die Sorge um, dass die Entscheidungsfähigkeit der Regierung beeinträchtigt sein könnte, sollten noch weitere Kabinettsmitglieder infiziert sein. Vorsorgliche Tests weiterer Minister und Mitarbeiter soll es aber zunächst nicht geben. „Alle folgen dem Rat der Gesundheitsbehörde“, sagte ein Downing-streetsprecher der Deutschen Presseagentur. Der lautet: sich in Selbstisolation zu begeben, sobald Symptome auftreten.
Sollte Johnson krankheitsbedingt komplett ausfallen, würde
Berichten zufolge Außenminister Dominic Raab die Leitung der Regierung übernehmen. Es gibt jedoch Zweifel daran, ob er der Aufgabe gewachsen ist. Spekuliert wird daher bereits, dass Staatsminister Michael Gove oder Schatzkanzler Rishi Sunak einspringen könnten.
Johnson hatte noch Anfang März geprahlt, er habe Menschen in einem Krankenhaus, darunter Covid-19-patienten, die Hand geschüttelt und werde dies weiterhin tun. Die Maßnahmen der Regierung beschränkten sich zu diesem Zeitpunkt auf den Ratschlag, sich häufig und gründlich die Hände zu waschen. Johnson hatte sich selbst dabei vom Bbc-fernsehen filmen lassen. Er sah dabei, wie häufig bei alltäglichen Tätigkeiten, eher unbeholfen aus.
John Ashton, ein ehemaliger Regionaldirektor des Nationalen Gesundheitsdiensts NHS, warf der
Regierung Trägheit vor. Das gelte sowohl für die Maßnahmen im Land als auch für deren persönliches Verhalten. Beides sei „zu langsam“gewesen. Die Zahl der Toten stieg am Sonntag auf 1 228.
Der Premierminister hatte erst am vergangenen Montag, nach langem Zögern, eine Ausgangssperre verhängt. Johnson rief seine Landsleute dazu auf, das Haus nur noch zu verlassen, wenn dies unbedingt nötig sei.
Zahl der Beatmungsgeräte
reicht wohl nicht aus
Die „Financial Times“zitierte ein Kabinettsmitglied mit dem Vorwurf, einige Minister seien „sehr zögerlich“gewesen, die eigenen Ratschläge zur sozialen Distanz in die Praxis umzusetzen.
In London, Manchester und Birmingham wurde begonnen, Konferenzzentren zu temporären Krankenhäusern umzubauen. Die
Regierung kündigte zudem an, die Kapazitäten für Tests erheblich zu erweitern. Vor allem Krankenhausmitarbeiter sollen nun großflächig mit einem neu entwickelten Verfahren auf Antigene getestet werden.
Die für die Behandlung von Covid-19-patienten dringend benötigten Beatmungsgeräte soll unter anderem das Unternehmen Dyson herstellen, das vor allem für Staubsauger bekannt ist. Die Regierung bestellte 10 000 Apparate. Wann sie einsatzbereit sein werden, ist noch unklar. Bislang stehen gerade einmal 8 000 Geräte zur Verfügung. Weitere 5 000 sollen in den kommenden Wochen hinzukommen.
Doch für den Höhepunkt der Pandemie, der in etwa drei Wochen erwartet wird, rechnet die Regierung einem Bbc-bericht zufolge mit einem Bedarf von 30 000 Geräten. dpa