„Es geht an keinem spurlos vorbei“
Bei den Versicherern im Land herrscht Stillstand – Für manche wird die Krise auch teuer
Versicherer in Luxemburg wie in ganz Europa spüren deutlich den Krisenstillstand: Auch das Versicherungsgeschäft stagniert. Gleichzeitig legen die Versicherungsunternehmen die Kundengelder in Wertpapieren an, deren Kurse momentan sehr schwanken und in den letzten Wochen insgesamt rapide gesunken sind.
Nicht jeder ist davon gleich betroffen, sagt Marc Hengen, Geschäftsführer des Luxemburger Versicherungsverbands ACA. Denn die Versicherer haben unterschiedliche Geschäftsmodelle und unterschiedliche Wertpapierportfolios, in die sie investieren. „Aber es geht an keinem spurlos vorbei“, so Hengen.
Die Versicherungsunternehmen im Land seien jedoch gut kapitalisiert, betont der Aca-vorsitzende. Allen gemeinsam sind die beträchtlichen Einbußen, da es momentan nahezu keine neuen Vertragsabschlüsse mehr gibt.
Keine Events mehr zu versichern
Die unterschiedlichen Schwerpunkte der Luxemburger Versicherer machen sie unterschiedlich betroffen von der Corona-krise. Beispiel Tokio Marine und Hiscox. Beide gehören zu Lloyd's of London und kamen letztes Jahr wegen des Brexits nach Luxemburg. Sehr engagiert beim Versichern von Sportereignissen trifft sie nun, dass derzeit nichts stattfindet: alle großen Events wie Fußballeuropameisterschaft, Olympia, aber auch kleine Turniere sind abgesagt. „Es ist noch zu früh, um zu sagen, welche Auswirkungen dies haben wird“, erklärt auf Nachfrage Hiscox.
Der Harvard-ökonomkenneth Rogoff warnt angesichts des weltweiten „Lockdown“vor einer
Weltwirtschaftskrise wie 1929. Nahezu alle Unternehmen sind von Corona und den staatlichen Anordnungen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, betroffen, es trifft viele hart: Lieferketten sind unterbrochen, Werke geschlossen, der Verkauf auf ein Minimum heruntergefahren. Versichert ist dagegen kaum jemand. Tatsächlich können Versicherer eine globale Pandemie gar nicht abdecken, denn nahezu alle Unternehmen sind gleichzeitig betroffen – die Kosten würden jede Versicherung in den Ruin treiben.
Ein Verdienstausfall ist nur so weit abgedeckt, wie er sich aus einem versicherten Schadenereignis heraus ergibt, erläutert Pit Hentgen von Lalux. Das wäre zum Beispiel bei einem Feuerschaden der Fall. Sogenannte „Non-damagebusiness-interruption“-versicherungen, die Ausfälle durch behördlich angeordnete Betriebsschließungen kompensieren, werden in der Praxis kaum abgeschlossen.
„Betriebsausfallversicherungen im Fall einer Pandemie können von den Versicherungsunternehmen nicht angeboten werden, da diese, genau wie im Fall eines Atomunfalls oder eines Krieges, alle versicherten Unternehmen gleichzeitig treffen“, erklärt Marc Lauer, CEO der Foyer-gruppe. In diesem Fall würde das der Versicherung zugrunde liegende Prinzip der Mutualisierung nicht mehr funktionieren. Auch Betriebsverluste im Bezug auf Geschäfte, die wegen des Virus nun nicht zustande kommen oder sich verzögern, sind generell nicht versicherbar, so Lauer. Für Privatpersonen und Selbstständige gibt es zwar Produkte, mit denen man sich versichern kann, um eine Entschädigung zu erhalten, falls man aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht arbeiten kann. „Wenn Sie auch aufgrund des Corona-virus erkranken, können Sie daher von diesen Versicherungsdeckungen profitieren.“Andererseits sind Selbstständige, wie andere Unternehmen auch, nicht gegen Arbeitsausfälle im Zusammenhang mit der allgemeinen Eindämmung der Epidemie versichert.
Geschäft geht zurück
Auch die Foyer-gruppe sieht „augenblicklich (...) einen Rückgang unserer Aktivitäten in allen unseren Geschäftsbereichen.“Die in den letzten Tagen beobachteten Turbulenzen an den Börsen würde Foyer aber ohne übermäßige Auswirkungen überstehen, erklärt Lauer: „Foyer ist immer darauf bedacht, mehr als zweimal so viele Eigenmittel zu halten als vom Gesetzgeber gefordert.“Das erlaube, auch größere Krisen unbeschadet zu überstehen.
Keine Antworten auf die Frage, wie sehr man finanziell von der Krise und den Kursschwankungen an den Börsen betroffen ist, möchte Lombard International geben. Man habe Notfallpläne aktiviert und halte die höchsten Standards der Datensicherheit aufrecht. Die meisten Mitarbeiter der Branche arbeiten derzeit im „Home Office“.
Wie stark Bâloise Luxembourg von den aktuellen Kursschwankungen an der Börse betroffen ist, dazu sagt das Unternehmen: „Wie alle anderen Finanzdienstleister und Versicherungen blieb hiervon auch die Bâloise-aktie nicht verschont und musste Verluste verzeichnen. Von den Kursschwankungen an den Börsen sind auch die Kapitalanlagen der Bâloisegruppe betroffen.“Die Auswirkung auf das Anlageergebnis der Versicherung beschränke sich im Wesentlichen aber auf Wertberichtigungen auf Aktien. Durch eine vergleichsweise niedrige Aktienquote und eine implementierte Aktienabsicherung sei der Effekt für Bâloise aber überschaubar. Mehr getroffen ist man von den abermals gesunkenen Zinssätzen.
Die von Zusatzkrankenversicherungen erbrachten Leistungen und Kosten, die über die Gesundheitsleistungen der gesetzlichen Krankenkassen – in Luxemburg die CNS – hinaus gehen, sind überschaubar. Teuer dürfte es hingegen für Warenkreditversicherer werden. Sie ersetzen Unternehmen Ausfälle, wenn Kunden die gelieferten Produkte nicht bezahlen. Mit mehr Insolvenzen dürfte das zunehmen.
Angst, dass es zur finanziellen Belastung würde, wenn wegen der Pandemie viele Lebensversicherungen auszuzahlen wären, besteht in der Branche nicht. Das habe man hochgerechnet; auch sei die Risikogruppe in dem Alter, in dem man normalerweise keine Lebensversicherung mehr hat. Ein Horrorszenario wäre freilich, wenn das Corona-virus so grassiert wie die saisonale Grippe mit jährlich rund 80 Toten in Luxemburg und bis zu 650 000 weltweit. Momentan sind die Zahlen weit davon entfernt, obwohl die Krise auch noch Monate dauern kann. Sorgen bereitet den Versicherern jetzt vor allem, wie lange das wirtschaftliche Leben auf dem aktuellen Minimum gedrosselt bleibt.
Betriebsverluste durch Pandemien können nicht abgedeckt werden. Marc Lauer, Foyer-gruppe