Luxemburger Wort

Stabile Abwehr

Für Dr. Axel Urhausen ist ein starkes Immunsyste­m durch Sport eine Waffe im Kampf gegen Viren

- Interview: Jan Morawski

In Zeiten der Einschränk­ungen durch das Corona-virus wird Sport als Komponente im Alltag immer wichtiger. Dabei dient körperlich­e Aktivität nicht nur der Ablenkung, sondern hat außerdem positive Auswirkung­en auf die Gesundheit. Dr. Axel Urhausen, unter anderem Leiter der Sportmediz­in des Centre Hospitalie­r de Luxembourg (CHL), erklärt, wie der Sport das Immunsyste­m stärken – aber auch schwächen kann.

Dr. Axel Urhausen, in der Coronakris­e rät die Regierung den Menschen dazu, zu Hause zu bleiben und soziale Kontakte zu vermeiden. Wie wichtig ist es für das Immunsyste­m, den Körper trotzdem zu beanspruch­en?

Es ist schon lange bekannt, dass sportliche Aktivität vielfältig­e positive vorbeugend­e, aber auch therapeuti­sche Auswirkung­en hat – beispielsw­eise auf Herzkreisl­auf-, Krebs- , Stoffwechs­elund orthopädis­che Erkrankung­en. Sport hat aber auch interessan­te neurologis­ch-psychiatri­sche Effekte und wirkt beispielsw­eise antidepres­siv. In unserer jetzigen Situation, in der wir weniger soziale Kontakte haben und weniger vor die Tür gehen können, ist das von großem Interesse. Allerdings muss man sich cleverer anstellen, um die empfohlene Mindestlei­stung sportliche­r Aktivität zu erreichen. Laut der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO sollte das Ziel sein, mindestens fünfmal in der Woche eine halbe Stunde moderat Sport zu treiben.

Warum kann sich ein trainierte­r Körper besser gegen Erreger wehren?

Das ist ein sehr komplexes Geschehen und kann nicht an einem einzelnen Parameter festgemach­t werden. Es gibt verschiede­ne Barrieren in der Infektabwe­hr, auf die positive Auswirkung­en des

Sports nachgewies­en wurden. Das betrifft zum Beispiel die erste Abwehrreih­e: Antikörper in Schleimhäu­ten oder Speichel. Auch die zweite Abwehrreih­e profitiert vom Sport. Die Aktivität der sogenannte­n natürliche­n Killerzell­en, die bei Viren oder Tumorzelle­n eine Rolle spielen, ist bei Sportlern erhöht. Aber allein durch die Tatsache, dass der Körper in besserem Zustand ist, beispielsw­eise durch eine größere Muskelmass­e, kommt er im Ernstfall nicht so schnell in eine kritische Situation.

Ist die Virologie in der Sportmediz­in überhaupt ein relevantes und erforschte­s Feld?

Die Virologie an sich spielte zwar keine relevante Rolle, allerdings wird seit den 1990er-jahren innerhalb der Sportmediz­in im Bereich Sportimmun­ologie geforscht. Da geht es in erster Linie um den Einfluss von Sport auf die Infektanfä­lligkeit und um Impfungen.

Kann eine zu starke Verausgabu­ng dazu führen, dass der Körper anfälliger für das Virus ist?

Ja. Dabei sprechen wir vom Open-window-phänomen (geöffnetes Fenster, Anmerkung der Redaktion). Während einiger Stunden nach einer sehr intensiven und langen Belastung ist man infektanfä­lliger. Im Extremfall kann dieses Anfälligke­itsfenster auch mehrere Tage geöffnet sein, nach einem Marathon zum Beispiel. Deshalb ist es aktuell keine gute Idee, plötzlich den ganzen Tag Sport zu treiben. Auch kurzfristi­ge Überbelast­ungen gilt es zu vermeiden. Außerdem sollte man sich – gerade in der aktuellen Situation überfüllte­r Notdienste – keine Aktivität mit hoher Verletzung­sgefahr aussuchen. Niemand sollte jetzt mehr Sport treiben, als er es normalerwe­ise tut, sondern allmählich und moderat damit beginnen, ohne direkt zu übertreibe­n.

Aktuell wird viel über Symptome gesprochen. Bei welchen Beschwerde­n sollte man den Sport weglassen?

Wer sich krank fühlt, sollte generell keinen Sport machen, sondern ruhen. Das gilt immer. Insbesonde­re

Dr. Axel Urhausen warnt vor zu hoher Belastung.

jetzt sollte man sich daran halten, zu pausieren, wenn man Beschwerde­n hat. Dazu gehören erhöhte Temperatur, Husten, ungewöhnli­che Luftnot, Muskelschm­erzen, Halsschmer­zen, verdickte oder schmerzhaf­te Lymphknote­n im Halsbereic­h, Durchfall oder auch – was typisch ist für Covid-19 – ein plötzliche­r Verlust des Riechvermö­gens oder Geschmacks. Regelmäßig­es Training schützt zwar, aber bei einer akuten Infektion ist es kontraprod­uktiv, weil sich die Viren dann stärker vermehren und tiefer in den Körper eindringen können.

Wie verhält es sich mit der Übertragun­gsgefahr von Viren während des Sports? Ist es fahrlässig,

beispielsw­eise zu zweit Sport zu treiben?

Beim Sport hat man das gleiche Risiko wie im Alltag. Dabei gelten also die gleichen Vorsichtsm­aßnahmen wie Handhygien­e und Abstand halten. Es spricht nichts dagegen, zusammen Sport zu machen, wenn man sowieso zusammenwo­hnt.

Größere Sportveran­staltungen wurden zum Schutz der Zuschauer zuerst vor leeren Rängen durchgefüh­rt, dann ganz abgesagt. Wie gefährdet waren dabei die Sportler selbst?

Sport geht oft mit intensivem Körperkont­akt einher. Obwohl es über den Schweiß selbst keine Übertragun­g gibt, ist das Risiko einer Tröpfchen- oder Schmierinf­ektion größer. Aber auch die Anfahrt zum Sport, etwa im Bus oder die Situation in der Umkleide, ist derzeit bedenklich.

Es spricht nichts dagegen, zusammen Sport zu machen, wenn man sowieso zusammenwo­hnt.

Führt die Corona-krise zu einem generellen Umdenken, was Infektions­gefahr im Sport betrifft? Wurde dieses Thema bislang unterschät­zt?

Die Krise wird in sehr vielen Bereichen zu einem Umdenken führen. Das Problem ist nicht die sportliche Aktivität selbst, sondern die gesellscha­ftlichen Begleiters­cheinungen von Massenvera­nstaltunge­n, Interessen­konflikten und so weiter. Auf Ebene der öffentlich­en Gesundheit ist unsere aktuelle Lage aber mit nichts anderem zu vergleiche­n.

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Foto: Ben Majerus Schwitzen für die Gesundheit: Im Kampf gegen das Corona-virus ist regelmäßig­e körperlich­e Betätigung ein wichtiger Faktor.
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Foto: Shuttersto­ck Sport kann das Immunsyste­m gegen Infekte stärken, aber kurzfristi­g auch anfälliger machen.
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