Luxemburger Wort

Der Außenseite­r

Rennpilot Gil Linster versucht als erster Europäer, in der Nascar-serie richtig durchzusta­rten

- Von Joé Weimerskir­ch

Gil Linster versucht als erster Europäer in die profession­elle amerikanis­che Rennserie Nascar zu gelangen. Aktuell fährt der 26-Jährige noch in der Nascar Whelen All American Series, der sogenannte­n vierten Liga. Er steht beim Team TGS Competitio­n unter Vertrag. Geld verdienen kann er dort noch nicht, es fehlt noch der letzte Schritt zur Profession­alisierung, die in der dritten Liga beginnt. „Es reicht noch nicht, um von der Tätigkeit zu leben und um alle Kosten zu decken.“

Im Training kann sich Linster bereits mit den Fahrern der ersten Divisionen messen. Bald sollen auch Rennen gegen die ganz Großen folgen. „Die erste Liga ist natürlich das Ziel. Der Weg dorthin ist allerdings schwierig. Ein riesiger Schritt wäre es, nur ein Rennen in den ersten drei Divisionen zu bestreiten. Nicht nur für mich persönlich, sondern auch für den luxemburgi­schen und europäisch­en Rennsport. Dies sind Türen, die noch kein Europäer zuvor

In der Nascar kann man alles erreichen.

geöffnet hat.“Schnelligk­eit ist dabei nicht das Einzige, worauf es ankommt. „Wir reden hier über die Teilnahme an Rennen, die zwischen 200 000 oder 300 000 Euro kostet.“Diese Kosten müssen unter anderem von Sponsoren gedeckt werden.

Für die nötige Unterstütz­ung sorgen dabei Pr-manager. „Sie arbeiten an meiner Marketings­trategie und versuchen, mich bestmöglic­h zu präsentier­en. Momentan werde ich als der ,European Underdog‘ (Europäisch­er Außenseite­r) verkauft. Als derjenige, der aus dem Nichts kommt und versucht, in die Nascar-welt einzudring­en.“

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Auch wenn viele junge Piloten von der Formel 1 träumen, wollte Linster schon immer in die Nascar-serie. „Ich habe sehr früh eingesehen, dass die Formel 1 fast unerreichb­ar ist.“Ihm gefällt etwas besonders an seiner Rennserie: „In der Nascar kann man alles erreichen, ganz nach dem Grundgedan­ken des American Dream.“

Der Rennsport liegt in Linsters Genen. Bereits sein Vater hat an Rennen teilgenomm­en. „Für jede gute Note in der Schule gingen wir eine halbe Stunde auf die Kartbahn. Ich habe stets versucht, schneller zu fahren und Bestzeiten hinzulegen. Dies gab mir auch die nötige Motivation für die Schule.“

Finanziell war es damals nicht möglich, an größeren Veranstalt­ungen teilzunehm­en. „Trotzdem habe ich mich stets verbessert und immer die richtigen Leute kennengele­rnt.“Mit 17 Jahren nahm er an ersten Autorennen auf Rennstreck­en teil. Mit einem 65er Mustang machte er schnell auf sich aufmerksam. Dann traf Linster auf

Gil Linster fährt für das Team TGS Competitio­n.

den Manager eines italienisc­hen Nascar-teams, dieser lud ihn prompt zu Testfahrte­n ein. „Diese verliefen richtig gut und ich bekam meinen ersten Profivertr­ag.“Kontakte in die USA knüpfte er wenig später. Aaron Brown, Exingenieu­r der Nascar-legende Dale Earnhardt, entschied 2019, ein Team um den Luxemburge­r aufzubauen.

Aktuell ist Linsters Saison durch die Corona-krise unterbroch­en. „Eigentlich sollte ich in diesem Monat an vier Rennen teilnehmen und einige Tests absolviere­n.“

Zeit, sich in der rennfreien Zeit mit Hobbys zu beschäftig­en, hat er jedoch nicht. Die Vorbereitu­ngen für den Neustart der Saison stehen im Vordergrun­d.

Menschlich­keit statt Egoismus

„Ich sehe meine aktuelle Situation als Chance. Ich trainiere viel im

Simulator und lerne dort einige Gegner besser kennen.“Die aktuelle Auszeit in Luxemburg nutzt Linster auch, um den einheimisc­hen Nachwuchsp­iloten weiterzuhe­lfen. „Ich habe einen Weg eingeschla­gen, der nicht einfach war. Deshalb weiß ich, dass es nicht nur auf gute Rundenzeit­en ankommt. Es reicht nicht aus, auf der Playstatio­n der Schnellste in der Formel 1 zu sein.“Mittlerwei­le weiß Linster bestens, auf was es ankommt. „Das Gesamtpake­t muss stimmen. Die Einstellun­g zum Leben, Träume, Respekt und Menschenke­nntnis sind extrem wichtig.“Auch weil ihm selbst im jungen Alter Ratschläge fehlten, ist es für den Nascar-piloten wichtig, den Jüngeren zu helfen.

Der Motorsport hat in Luxemburg keinen allzu hohen Stellenwer­t, auch deshalb ist Unterstütz­ung überlebens­wichtig. „Man hat mir als Kind gesagt, ich solle aufhören zu träumen. Es sei unmöglich, Rennfahrer zu werden. Und doch klappte es. Auch deshalb sage ich den Nachwuchst­alenten, dass sie nicht mit dem Träumen aufhören sollen. Ich helfe jedem, der versucht, im Rennsport weiterzuko­mmen.“

Zudem engagiert sich Linster für Menschen, die von den Konsequenz­en der Covid-19-krise betroffen sind. „Es hat viel mit Menschlich­keit zu tun. Wir leben teilweise in einer egoistisch­en Gesellscha­ft. Warum soll ich nicht die Menschen unterstütz­en, die zurzeit auf Hilfe angewiesen sind?“Seine Unterstütz­ung hat er in einem Social-media-beitrag angeboten. „Meistens geht es darum, Familien während zwei bis drei Stunden auszuhelfe­n. Ich habe beispielsw­eise auf Kinder aufgepasst, während ihre Eltern einkaufen waren.“Darüber hinaus hat er selbst kleinere Einkäufe für ältere Menschen getätigt. „Leider bekam ich auch Nachrichte­n von Leuten, denen es darum ging, einen Rennfahrer kennenzule­rnen. Das war allerdings nicht der Sinn und Zweck der Idee.“

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Foto: Privat Mit 450 PS fährt Gil Linster in Höchstgesc­hwindigkei­t auf den beliebtest­en Rennstreck­en der USA.
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Foto: S. Guillaume Der 26-Jährige rät den Nachwuchsp­iloten, wie hier bei einem Besuch beim Karting Club Lëtzebuerg, an ihre Träume zu glauben.
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