Die Feuerprobe
Wie ein Tsunami fegt die Corona-krise über die Welt hinweg – mit gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen, deren Ausmaß im Moment noch niemand voraussagen kann. Nur so viel ist klar: Wir stehen am Anfang der Krise, das dicke Ende kommt erst noch. Nach anfänglicher Schockstarre hat die Politik reagiert. Doch am Ende könnten die Populisten die Gewinner sein.
Inmitten der unsicheren Zeiten wird der Ruf nach einem starken Staat plötzlich wieder laut. Vorher oft geschmäht, schlägt nun die Stunde der Exekutive. In Windeseile wurden vielerorts Notprogramme aus dem Boden gestampft, um sowohl Betrieben als auch Arbeitnehmern schnell, gezielt und unbürokratisch unter die Arme zu greifen und die Auswirkungen der sich anbahnenden Wirtschaftskrise abzufedern.
Auf die Politik kommt jetzt eine Mammutaufgabe zu: Einerseits muss sie auf Sicht navigieren und andererseits vorausschauend handeln, um die Sicherheit der Bürger zu garantieren und gleichzeitig die wirtschaftlichen Kosten auf ein Minimum zu begrenzen. Und sie muss eine Ausstiegsstrategie entwickeln und diese zum richtigen Zeitpunkt umsetzen. Notgedrungen werden dabei Fehler passieren.
Fehler haben die traditionellen Parteien in der Vergangenheit zuhauf gemacht. Sie haben weder die Ängste der Menschen ernst genommen noch ihnen glaubwürdige Perspektiven für die Zukunft präsentiert. Besonders in der Finanzkrise 2008, der damit verbundenen Eurokrise 2011 und der Flüchtlingskrise 2015 ist sehr viel Vertrauen verspielt worden. Profitiert davon haben Populisten, rechte wie linke, die vorgeben, mit vermeintlich einfachen Lösungen komplexe Fragen beantworten zu können.
Zwar hat die Pandemie schon einige Populisten entzaubern können – Donald Trump, Boris Johnson und Jair Bolsonaro entpuppen sich als miserable Krisenmanager, die wertvolle Zeit im Kampf gegen die Seuche verloren haben. Dummes Geschwätz, Drohungen und Hetze sind wirkungslos gegen ein Virus. In Ungarn jedoch nutzt der Autokrat Viktor Orbán mit seinem Notstandsgesetz den Erreger als Vorwand, um die Demokratie auszuhöhlen. Und in Indien hält der hindunationalistische Premier Narendra Modi mittels Ausgangssperren auch lästige Demonstranten von den Straßen fern.
Corona wird zur Feuerprobe, insbesondere für die etablierten Parteien. Sie müssen nun liefern! Die Krise birgt enorme Risiken, aber auch Chancen, die Schwachen und Schwächsten der Gesellschaft aufzufangen und diese insgesamt gerechter zu gestalten.
Wenn sie den Rattenfängern in Europa keinen Vorschub leisten wollen, täten die Regierungen gut daran, nicht nur ihr eigenes Land zu retten, sondern auch über den Tellerrand zu blicken und auf europäische Solidarität zu setzen, und den arg gebeutelten Südstaaten mit den sogenannten Corona-bonds unter die Arme zu greifen – wenn nicht aus Mitgefühl, dann wenigstens aus Eigeninteresse. Denn eine zweite Eurokrise wäre gefundenes Fressen für die Populisten – und das Ende der EU, wie wir sie heute kennen.
Dummes Geschwätz, Drohungen und
Hetze sind wirkungslos gegen ein Virus.
Kontakt: francoise.hanff@wort.lu