Luxemburger Wort

Die Feuerprobe

- Von Françoise Hanff

Wie ein Tsunami fegt die Corona-krise über die Welt hinweg – mit gesundheit­lichen, wirtschaft­lichen und sozialen Folgen, deren Ausmaß im Moment noch niemand voraussage­n kann. Nur so viel ist klar: Wir stehen am Anfang der Krise, das dicke Ende kommt erst noch. Nach anfänglich­er Schockstar­re hat die Politik reagiert. Doch am Ende könnten die Populisten die Gewinner sein.

Inmitten der unsicheren Zeiten wird der Ruf nach einem starken Staat plötzlich wieder laut. Vorher oft geschmäht, schlägt nun die Stunde der Exekutive. In Windeseile wurden vielerorts Notprogram­me aus dem Boden gestampft, um sowohl Betrieben als auch Arbeitnehm­ern schnell, gezielt und unbürokrat­isch unter die Arme zu greifen und die Auswirkung­en der sich anbahnende­n Wirtschaft­skrise abzufedern.

Auf die Politik kommt jetzt eine Mammutaufg­abe zu: Einerseits muss sie auf Sicht navigieren und anderersei­ts vorausscha­uend handeln, um die Sicherheit der Bürger zu garantiere­n und gleichzeit­ig die wirtschaft­lichen Kosten auf ein Minimum zu begrenzen. Und sie muss eine Ausstiegss­trategie entwickeln und diese zum richtigen Zeitpunkt umsetzen. Notgedrung­en werden dabei Fehler passieren.

Fehler haben die traditione­llen Parteien in der Vergangenh­eit zuhauf gemacht. Sie haben weder die Ängste der Menschen ernst genommen noch ihnen glaubwürdi­ge Perspektiv­en für die Zukunft präsentier­t. Besonders in der Finanzkris­e 2008, der damit verbundene­n Eurokrise 2011 und der Flüchtling­skrise 2015 ist sehr viel Vertrauen verspielt worden. Profitiert davon haben Populisten, rechte wie linke, die vorgeben, mit vermeintli­ch einfachen Lösungen komplexe Fragen beantworte­n zu können.

Zwar hat die Pandemie schon einige Populisten entzaubern können – Donald Trump, Boris Johnson und Jair Bolsonaro entpuppen sich als miserable Krisenmana­ger, die wertvolle Zeit im Kampf gegen die Seuche verloren haben. Dummes Geschwätz, Drohungen und Hetze sind wirkungslo­s gegen ein Virus. In Ungarn jedoch nutzt der Autokrat Viktor Orbán mit seinem Notstandsg­esetz den Erreger als Vorwand, um die Demokratie auszuhöhle­n. Und in Indien hält der hindunatio­nalistisch­e Premier Narendra Modi mittels Ausgangssp­erren auch lästige Demonstran­ten von den Straßen fern.

Corona wird zur Feuerprobe, insbesonde­re für die etablierte­n Parteien. Sie müssen nun liefern! Die Krise birgt enorme Risiken, aber auch Chancen, die Schwachen und Schwächste­n der Gesellscha­ft aufzufange­n und diese insgesamt gerechter zu gestalten.

Wenn sie den Rattenfäng­ern in Europa keinen Vorschub leisten wollen, täten die Regierunge­n gut daran, nicht nur ihr eigenes Land zu retten, sondern auch über den Tellerrand zu blicken und auf europäisch­e Solidaritä­t zu setzen, und den arg gebeutelte­n Südstaaten mit den sogenannte­n Corona-bonds unter die Arme zu greifen – wenn nicht aus Mitgefühl, dann wenigstens aus Eigeninter­esse. Denn eine zweite Eurokrise wäre gefundenes Fressen für die Populisten – und das Ende der EU, wie wir sie heute kennen.

Dummes Geschwätz, Drohungen und

Hetze sind wirkungslo­s gegen ein Virus.

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

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