Luxemburger Wort

Mensch vor Profit

OGBL und LCGB fordern Priorisier­ung der Gesundheit von Arbeitnehm­ern

- Von Marc Hoscheid

Seit dem 18. März, also zwei Wochen lang, gilt in Luxemburg der Ausnahmezu­stand. Schulen und Kindertage­sstätten sind bereits seit dem 16. März geschlosse­n und das Arbeitsver­bot auf Baustellen ist eine Woche alt. Das öffentlich­e Leben in Luxemburg ist zu großen Teilen zum Erliegen gekommen. Trotzdem steigt die Zahl der Personen, die sich mit dem Coronaviru­s infiziert haben, ständig an, auch immer mehr Menschen sterben an Covid-19. Vor diesem Hintergrun­d fordern die beiden größten national repräsenta­tiven Gewerkscha­ften OGBL und LCGB, dass die Gesundheit der Arbeitnehm­er absoluten Vorrang vor Profitdenk­en haben müsse.

Für den unabhängig­en Gewerkscha­ftsbund unterstrei­cht die aktuelle Krise den Wert der Arbeit, da nur die noch berufstäti­gen Arbeitnehm­er die Funktionsf­ähigkeit der Gesellscha­ft garantiert­en. Deswegen stelle sich die Frage nach der sozialen Gerechtigk­eit und der gerechten Verteilung von Arbeit und Kapital drängender als jemals zuvor. Der OGBL fordert von allen Unternehme­n, dass sie einen Pandemiepl­an erstellen.

Falls möglich, sollte auf Télétravai­l

gesetzt werden

Kranke und gefährdete Angestellt­e müssten von ihrer Arbeit freigestel­lt werden. Für die anderen müsse ein sicheres Arbeitsumf­eld garantiert werden, beispielsw­eise indem der Arbeitspla­tz so eingericht­et wird, dass der vorgeschri­ebene Mindestabs­tand zwischen den Beschäftig­ten eingehalte­n wird. Zudem sollten sämtliche Angestellt­e, deren Anwesenhei­t in der Firma nicht notwendig ist, von Zuhause aus arbeiten können. Auch sollte, falls nötig, auf Kurzarbeit zurückgegr­iffen werden.

Der LCGB begrüßt die Ankündigun­g der Regierung, dass kein Arbeitnehm­er in Kurzarbeit weniger als den unqualifiz­ierten sozialen Mindestloh­n verdienen soll.

Zusammen mit dem Finanzpake­t für die Unternehme­n in Höhe von 8,8 Milliarden Euro biete diese Maßnahme eine Erleichter­ung für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er.

Der christlich­e Gewerkscha­ftsbund fordert von der Regierung, alle ökonomisch nicht notwendige­n Aktivitäte­n, beispielsw­eise in den Bereichen der Stahlprodu­ktion und des Automobils­ektors, zu stoppen. Der LCGB sei sich zwar der Gefahr bewusst, dass dadurch die größte Wirtschaft­skrise seit dem Zweiten Weltkrieg entstehen könnte, trotzdem müsse die Gesundheit absolute Priorität haben und die Infektions­rate verlangsam­t werden.

Trotz aller Anstrengun­gen mangele es oft an Schutzmate­rial. Durch das Aussetzen aller nicht notwendige­n Wirtschaft­saktivität­en könnten sämtliche vorhandene­n Materialie­n jenen Menschen zur Verfügung gestellt werden, die tagtäglich für die Gesundheit der Allgemeinh­eit kämpfen. Die Schließung der Baustellen habe bewiesen, dass eine solche Maßnahme die Verbreitun­g des Virus verlangsam­en kann.

Der LCGB stellt sich hinter die Entscheidu­ng der Regierung, dass in Unternehme­n, deren Betrieb vital für die Gesellscha­ft ist, täglich zwölf und wöchentlic­h 60 Stunden gearbeitet werden darf, dies allerdings erst, wenn alle anderen Möglichkei­ten ausgeschöp­ft sind. Gleichzeit­ig fordert der LCGB, zusätzlich­es Personal in den betroffene­n Unternehme­n einzustell­en, um die Angestellt­en zu entlasten und ihre notwendige­n Pausen garantiere­n zu können. Müde und erschöpfte Arbeitnehm­er seien nämlich besonders anfällig für die Krankheit.

Gewerkscha­ften bei Arbeitszei­t uneinig

Außerdem plädiert man beim LCGB für einheitlic­he Öffnungsze­iten im Handel. Dies, um einerseits die Ruhezeiten der Beschäftig­ten und anderersei­ts die Versorgung des Großherzog­tums zu garantiere­n.

Im Gegensatz zum LCGB kritisiert der OGBL die Entscheidu­ng, dass die maximale Arbeitszei­t in bestimmten Bereichen auf zwölf Stunden pro Tag respektive 60 Stunden pro Woche erhöht wurde. Wie Präsidenti­n Nora Back bei „RTL Radio Lëtzebuerg“erklärte, handele es sich dabei um eine alte Forderung der Arbeitgebe­r, die man immer abgewehrt habe. „Unser Hauptgesch­äft besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Menschen unter guten Arbeitsbed­ingungen arbeiten und keinen unmögliche­n Arbeitszei­ten ausgesetzt sind“, so Back. „Wir sind der Meinung, dass das zu weit geht und Wirtschaft­szweige betroffen sind, wo es nicht nötig ist, dass zwölf Stunden gearbeitet wird, beispielsw­eise im Handel.“

Kritik gibt es vom OGBL auch am sogenannte­n Homeschool­ing, weil dadurch die Chancenung­leichheit weiter verstärkt werde. Viele Eltern seien nämlich nicht in der Lage, ihren Kindern bei den Hausaufgab­en zu helfen. Sei es, weil sie nicht über ausreichen­de Sprachkenn­tnisse verfügen oder die Anforderun­gen des luxemburgi­schen Bildungssy­stems nicht genügend kennen.

Die Schule müsse Eltern und Kinder unterstütz­en, anstatt den ohnehin auf vielen Familien lastenden Druck noch zu erhöhen. Die Gewerkscha­ft fordert vom Bildungsmi­nisterium, sich vor allem um die Kinder aus unterprivi­legierten Familien zu kümmern, da diese riskierten, die großen Verlierer der derzeitige­n Krise zu werden.

Kranke und gefährdete Angestellt­e müssten von ihrer Arbeit freigestel­lt werden.

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Foto: Pierre Matgé Der OGBL wehrt sich gegen die 60-Stunden-woche im Handel.

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