Geschäftsmodell Gesundheit
Kuba schickt Ärzte in alle Welt während der Tourismus zusammenfällt
Sie wurden wie Helden empfangen. Mit Applaus und auch ein paar Tränen hießen die Menschen vor einer Woche 35 kubanische Ärzte und 16 Pfleger am Flughafen in Mailand willkommen. Sie trugen ihre weißen Kittel, als sie aus dem Flieger stiegen, schließlich ging es gleich weiter nach Cremona in der Lombardei, wo sie das Corona-virus bekämpfen und Leben retten sollen. Tage zuvor hatte Italiens Regierung formell bei der kubanischen Botschaft Hilfe der „Medizin-brigaden“angefordert, weil das eigene Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht.
Die kommunistische Karibikinsel ist in Zeiten der Pandemie mit ihrem erfolgreichsten Exportschlager gefragt: Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern. 28 000 von ihnen waren vergangenes Jahr in der ganzen Welt stationiert, um Leben zu retten, aber auch der Heimat dringend notwendige Devisen zu bringen. Die Hälfte von ihnen in Venezuela.
Derzeit sind kubanische Mediziner bereits in Jamaika, Surinam, Nicaragua und Grenada im Einsatz gegen die Lungenkrankheit, Italien ist der erste Industriestaat, in dem die Kubaner aushelfen. In insgesamt 31 Staaten sind derzeit laut Regierung kubanische Mediziner in Sachen Corona-bekämpfung unterwegs. Und weitere Länder haben schon den Dienst der Brigaden angefordert, darunter auch Brasilien, das die kubanischen Ärzte vergangenes Jahr nach der Machtübernahme des Rechtsradikalen Jair Bolsonaro noch in hohem Bogen aus dem Land gejagt hatte.
Experten-export
Kuba könnte so einer der Gewinner der Corona-krise sein, schließlich ist das Geschäftsmodell Gesundheit für die kommunistische Führung sehr auskömmlich. 2018 hatte die Regierung in Havanna noch 6,3 Milliarden Dollar aus dem Geschäft eingenommen. „Das war bei Weitem die wichtigste Devisenquelle“, sagt Pavel Vidal, kubanischer Ökonom an der katholischen Javerianauniversität im kolumbianischen Cali. Die Un-organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) geht sogar davon aus, dass sich die jährlichen Deviseneinnahmen aus dem Medizin-export auf rund elf Milliarden Usdollar summieren. Es ist jedenfalls wesentlich mehr, als Kuba mit dem Verkauf von Zucker, Tabak, Nickel und Rum einnimmt.
Auf der anderen Seite verliert die Insel gerade ihre andere wichtige Devisenquelle, den Tourismus. Seit Dienstag sind für 30 Tage keinerlei Ausländer mehr auf Kuba willkommen. 60 000 Urlauber mussten die Insel Hals über Kopf verlassen. Selbst Kubaner oder Ausländer mit Wohnsitz Kuba müssen nach Rückkehr auf die Insel in eine 15-tägige Quarantäne. Damit schneidet sich die Regierung notgedrungen selber eine der wichtigsten Überlebensadern ab. Aber der Kampf gegen Covid-19 macht es unausweichlich. Bis Montag zählte Kuba 139 Coronainfizierte
und drei Tote. Mehr als 36 000 Kubaner werden von den Behörden in einer häuslichen Quarantäne überwacht.
Der Shutdown sei für die Ökonomie der Insel das „Worst-caseszenario“, betont Pavel Vidal im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich denke nicht, dass Kuba den Verlust an Deviseneinnahmen durch den Tourismus-stopp mit dem Ärzte-export ausgleichen kann“. So viele Mediziner und Pflegekräfte könne das Land gar nicht in die ganze Welt aussenden. „Das Corona-virus trifft die Insel in einer bereits sehr verletzlichen Situation“. Seit Venezuela 2016 die Hilfe zu reduzieren begann und Us-präsident Donald Trump ein Jahr später die Verschärfung der Sanktionen einleitete, zeigten alle ökonomischen Parameter nach unten, betont der Wirtschaftswissenschaftler. Auch ohne Coronakrise stecke die Insel schon vor einer „leichten Rezession“.
Auch daher hat der Staat keine Reserven, die Krise abzufedern. Für Subventionen und Steueranreize gebe der klamme Haushalt nichts her. Und die Devisenreserven
sind mit rund zwei Milliarden Dollar verschwindend gering. Zudem sei es möglich, dass der Bruderstaat Venezuela demnächst die Hilfe für Kuba ganz einstelle. Der stark gefallene Ölpreis könnte es der Regierung in Caracas unmöglich machen, die rund 40 000 Fass Öl zum Vorzugspreis weiter täglich auf die Insel zu senden.
Einige Hoffnungsschimmer
Dennoch gebe es einige Hoffnungsschimmer, sagt Vidal. Der Ruf nach Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba werde lauter. Angesichts der Pandemie warb die Un-hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, für das Aussetzen von internationalen Sanktionen gegen Staaten wie Iran, Nordkorea, Venezuela und Kuba. Es sei lebensnotwendig, dass der Zusammenbruch von Gesundheitssystemen überall vermieden werde. Wenn die Versorgung in einem der Länder schwach sei, erhöhe das für die ganze Welt das Risiko.
Vidal hofft zudem, dass die Krise die Regierung in Havanna dazu bewegt, die Wirtschaftsreformen im Land voranzutreiben. „Es ist jetzt unerlässlich, dass den kleinen Landwirten mehr Freiräume für Produktion und Verkauf gegeben wird“. Das könne die Nahrungsmittelversorgung auf der Insel deutlich verbessern, sagt Vidal. „In der Vergangenheit hat sich die Führung in Havanna angesichts von Wirtschaftskrisen immer sehr pragmatisch gezeigt“.