Wenn der Alltag nicht alltäglich ist
Zwei Mitarbeiter aus dem Escher CHEM berichten von ihrer Arbeit während der Corona-krise
Esch/alzette. „Alles ist anders. Nichts ist, wie es mal war“, sagen Dr. Serge Meyer und Christian Schmitz, aus dem Centre hospitalier Emile Mayrisch (CHEM) in Esch. Sie gehören zu dem 20-köpfigen Team aus Ärzten und Pflegern, welches die Betreuung von Corona-patienten vorbereitete. Unter normalen Umständen sind sie Onkologe und Abteilungsleiter der Palliativstation und Chemotherapie. Etwas wie die Coronapandemie haben die beiden aber noch nie erlebt. „Selbst mit einer schlimmen Grippe ist das nicht vergleichbar“, erklärt Serge Meyer, Koordinator der Krisenzelle des CHEM. In der Grippesaison würden vielleicht 20 bis 30 Personen im Krankenhaus von einem Pneumologen behandelt. Momentan sind es 41 Covid-19 Patienten, die im Escher CHEM betreut werden. Die meisten müssen aufgrund ihrer schlechten Lungenfunktion über eine Maske oder einen Schlauch mit Sauerstoff versorgt werden. Sieben der Erkrankten liegen auf der Intensivstation und müssen künstlich beatmet werden. Bei drei davon handelt es sich um Personen aus dem französischen Mulhouse, die in einem Akt der Solidarität der Regierung in Esch aufgenommen wurden. Etwa 20 Patienten konnten das Krankenhaus bereits wieder verlassen.
Um die Veränderung der Umstände von vor zwei Wochen und jetzt klarzumachen, zieht Christian Schmitz einen Vergleich: „Auf der Palliativstation wird versucht, den Patienten ein möglichst schönes Lebensende zu bereiten. Nun werden hier Menschen isoliert, die unter akuter Atemnot leiden, die Angst und Panik haben. Wenn wir die Zimmer betreten, tragen wir Schutzanzüge, samt Brille, Handschuhe, Mütze und Schutzvisier.“Wo sich einst die Palliativstation befand, ist nun die Isolationsstation.
Gebäudeflügel für Covid-patienten
Um eine solche Isolation überhaupt erst zu ermöglichen, wurde im gesamten Krankenhaus umdisponiert. Seit Anfang Februar wurde versucht, eine möglichst große Anzahl der 368 Betten freizubekommen. Ein vierstöckiger Teil des Gebäudes wurde für Coronapatienten umgestaltet. „Auch die Zimmer mussten vorbereitet werden und die nötigen technischen Maschinen installiert“, sagt Christian Schmitz. „Selbst Zwischentüren wurden als Schleuse eingebaut und Ventilatoren, damit in den Zimmern mit den Infizierten ein Unterdruck erzeugt werden kann. So können keine Viren in den Rest des Gebäudes gelangen.“
Momentan steigt der Bedarf an Betten zwar noch langsam, aber dennoch konstant. 100 Betten stehen im CHEM für Corona-patienten bereit. „Im Extremfall wäre aber auch eine Erweiterung denkbar“, betont Serge Meyer. Nicht infizierte Patienten könnten dann in die Chem-krankenhäuser in Düdelingen oder Niederkorn gebracht werden. Ein Szenario, das höchstwahrscheinlich eintreten wird.
Dass die Zahl der Toten anfangs nur langsam anstieg und selbst für drei Tage stagnierte, beruhigt die beiden nicht. Dies gebe eher ein trügerisches Bild ab. „Noch ist die Intensivstation in keinem Krankenhaus überfüllt. Aber das wird sich möglicherweise noch ändern“, befürchtet Serge Meyer. Dies aufgrund des Verlaufs der Erkrankung in Schüben.
Die Covid-19-infektion bricht innerhalb von fünf bis 14 Tagen aus. Wenn die Infizierten ins Krankenhaus eingeliefert werden, haben sie oft bereits starke Symptome oder sie gehören zu einer Risikogruppe.
Häufig verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand in den Folgetagen noch weiter. Eine Woche bis zehn Tage verbringen die Patienten
im Schnitt im Krankenhaus, bis ihre Lunge wieder geheilt ist. „Ein Wundermittel gibt es noch nicht. Wir hoffen auf gute Resultate durch eine frühe Behandlung“, betont Serge Meyer. Gute Nachrichten von heute sind demnach kein Garant für gute Meldungen morgen.
Warten und Bangen
Um eine bestmögliche Behandlung zu ermöglichen, musste zunächst das Personal vorbereitet und ausgebildet werden. Die Teams, die sich nun zusammenfinden, bestehen aus Medizinern aus Bereichen wie Pneumologie, Gastroenterologie, Geriatrie, Onkologie oder Kardiologie. Vor Februar kannten sich viele nicht einmal und mit Infektionskrankheiten hatten nur die Wenigsten zu tun. „Wir haben alle zur Verfügung stehenden Mittel. So viel Solidarität unter den Angestellten wie jetzt habe ich noch nicht erlebt“, sagt Christian Schmitz.
Die Teams sind vorbereitet, die Ausstattung ist gegeben. Wie morgen aussieht, kann dennoch niemand sagen. „In etwa einer Woche erwarten wir eine Welle von Einlieferungen“, sagt Serge Meyer. Erst dann wird sich zeigen, ob die Maßnahmen der sozialen Isolation unter anderem durch die Schul- und Lokalschließungen gegriffen haben. „Ich kann nur hoffen, dass die Infektionswelle schnell abebbt, die Infizierten keine starken Symptome zeigen und die Bevölkerung eine Resistenz aufbaut“, fügt Christian Schmitz hinzu.