Luxemburger Wort

Im Dienst der anderen

In den vier Centres de soins avancés arbeiten Freiwillig­e und Profis Hand in Hand

- Von Jacques Ganser

Luxemburg. Wenn das Virus „greifbar“wäre, dann ist es in einem der vier Centres de soins avancés, die in der Rockhal in Belval, im Kulturzent­rum in Grevenmach­er, in der Däichhal in Ettelbrück und in den Hallen der Luxexpo in Kirchberg eingericht­et sind. Auf dem Parkplatz der Luxexpo herrscht gespenstis­che Ruhe, nur Polizei und Militärwag­en fahren gelegentli­ch vorbei. Spezielle Beschilder­ungen zeigen den ankommende­n Patienten den Weg zur Erfassungs­stelle oder aber zum Drive-in Test. Dr. Pierre Hertz leitet die vier Zentren, die innerhalb einer Woche aus dem Boden gestampft wurden.

Frühzeitig aufgestell­t

„Als man im Gesundheit­sministeri­um erkannte, dass die Arztpraxen und Maisons médicales nicht für einen starken Zulauf von mit Covid-19 infizierte­n Patienten eingericht­et waren, wurde kurzerhand beschlosse­n, vier regionale Zentren mit großer Kapazität auf die Beine zu stellen. Das ist uns innerhalb kürzester Zeit gelungen und damit haben wir uns im Vergleich zu anderen Ländern bereits sehr frühzeitig gut aufgestell­t“, so Hertz.

Laut Hertz arbeiten täglich rund 100 Freiwillig­e und 40 Festangest­ellte, meist Staatsbeam­te, in den vier Zentren. Insgesamt wurden bisher 1 500 Patienten vorstellig, im Schnitt 300 pro Tag. 37 Patienten mussten wegen verschiede­nster Erkrankung­en in ein Krankenhau­s verbracht werden. Die aktuelle Kapazität der Zentren kann noch deutlich ausgebaut werden. „Wir können bei den derzeitige­n Öffnungsze­iten bis zu 2 600 Patienten täglich empfangen. Da ist noch viel Luft nach oben“, so Hertz.

Am nördlichen Haupteinga­ng zur Luxexpo wurden zwei Hallen hergericht­et und auf dem Nordparkpl­atz Zelte errichtet, um die Patienten zu empfangen. Das Centre de soins avancés ist aber nicht nur für Personen, bei denen ein Verdacht auf Covid-19 besteht, vorgesehen, sondern auch für Personen mit anderen schwereren Beschwerde­n, denen von einem Arzt angeraten wurde, eine solche Einrichtun­g aufzusuche­n.

Vor Ort wurden zwei Behandlung­sreihen eingericht­et, durch die die Patienten strikt voneinande­r getrennt werden sollen. So soll auch das Infektions­risiko reduziert werden.

Im Zentrum arbeiten Freiwillig­e und Profis aus dem Gesundheit­swesen Hand in Hand. „Natürlich kommt das freiwillig­e Personal ohne medizinisc­he Ausbildung nicht in Kontakt mit der sogenannte­n geschützte­n Zone, also den Räumlichke­iten, in denen Corona-verdachtsf­älle untersucht werden“, erklärt Hertz. Sämtliches Personal wird am Eingang erst administra­tiv erfasst, es folgen Desinfekti­on der Hände und Temperatur­nahme. Im Eingangsbe­reich der Halle muss man anschließe­nd eine Schutzwest­e, Überschuhe und eine chirurgisc­he

Maske anlegen. Niemand will, dass das Personal sich gegenseiti­g ansteckt.

Im Rückraum der eigentlich­en Untersuchu­ngsräume organisier­t sich das Personal: Briefings, Kleiderwec­hsel, Essenspaus­e. Namensschi­lder helfen beim Wiedererke­nnen der einzelnen Mitarbeite­r, was durch das Tragen der Maske gar nicht so einfach ist. Verschiede­ne Farbcodes zeigen auf, welche Mitarbeite­r in welchen Teilen des Zentrums zugelassen sind. Die Freiwillig­en haben sich über die Anzeige auf govjobs.lu gemeldet oder aber wurden vom Staat freigestel­lt.

Freiwillig­e aus allen Bereichen

„Ich bin eigentlich Inspektor bei der Lebensmitt­elkontroll­e“, so André Schuller. „Ich bin seit einer Woche hier aktiv, es war eine Umstellung. Aber ich bin freiwillig­er Feuerwehrm­ann beim CGDIS, sodass ich der Situation hier gewachsen bin.“Schuller ist verantwort­lich für die Lagerhaltu­ng und die Logistik.

Gearbeitet wird in zwei Schichten, von morgens 7 bis 15 Uhr und von 13.30 bis 20 Uhr. Weil Schuller zu Hause Frau und Kinder hat, hat er als Vorsichtsm­aßnahme die Eigenquara­ntäne gewählt und wohnt getrennt von seiner Familie.

Einen kompletten Szenenwech­sel erlebt auch der 23-jährige Cedric de Oliveira Varglaes, der gerade seine Ausbildung zum Linienpilo­t bei der Luxair abgeschlos­sen hat. „Bei der Luxair hab ich ja momentan nicht allzu viel zu tun, also habe ich mich freiwillig gemeldet. Ich bin jetzt seit einer Woche dabei und erledige hauptsächl­ich verwaltung­stechnisch­e Aufgaben, ich helfe aber auch in der logistisch­en Arbeit aus.“

Dem jungen Piloten fiel die Entscheidu­ng zur freiwillig­en Mitarbeit nicht schwer. „Ich habe Freunde, die im medizinisc­hen Bereich tätig sind und habe gesehen, was die so stemmen müssen. Sich hier nützlich zu machen, ist allemal besser als zu Hause rumzusitze­n und nichts zu tun. Ich helfe gerne.“

Menschlich bleiben

„Das ist eine fantastisc­he Arbeit, die hier geleistet wurde“, erklärt Dr. Fabien Zuili, Leiter des Centre de soins avancés in Kirchberg. Zuili, der selbst eine militärisc­he Ausbildung in Frankreich genossen hat, lobt die Arbeit der luxemburgi­schen Armee. „Am vorvergang­enen Samstag haben wir im Ministeriu­m erste Pläne ausgearbei­tet, am Sonntagmor­gen wurde das Militär aktiv und am Sonntagabe­nd konnte die erste Kontrollsp­ur bereits aktiviert werden.“Trotz der militärisc­hen Organisati­on setzt Zuili auf einen möglichst humanen und freundlich­en Empfang. „Kinder sind von den vielen Maskenmens­chen hier sehr beeindruck­t und manche auch ängstlich. Da muss man sehr sensibel sein. Das gilt auch für ältere, alleinsteh­ende Menschen. Wir sind dann die ersten, mit denen sie nach zwei Wochen Isolation reden können. Und glauben sie mir, die reden sich alles von der Seele“.

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 ?? Fotos: Chris Karaba ?? Bis zu maximal 2 600 Menschen können die vier medizinisc­hen Zentren in Kirchberg (Fotos), Ettelbrück, Grevenmach­er und Belval täglich betreuen. Bis gestern hatten insgesamt 1 500 Patienten sich dort untersuche­n lassen.
Fotos: Chris Karaba Bis zu maximal 2 600 Menschen können die vier medizinisc­hen Zentren in Kirchberg (Fotos), Ettelbrück, Grevenmach­er und Belval täglich betreuen. Bis gestern hatten insgesamt 1 500 Patienten sich dort untersuche­n lassen.
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