Neuer Termin
Im nächsten Jahr steht Tokio vor einer Olympischen Mammutaufgabe
Das Krisentreffen der Olympiamacher in der futuristischen Sportzentrale Tokios dauerte keine zwei Stunden, ehe die Tausenden Athletinnen und Athleten wieder Planungssicherheit hatten: Die wegen der Corona-pandemie ins nächste Jahr verlegten Olympischen Spiele werden vom 23. Juli bis zum 8. August 2021 ausgetragen – und damit fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem ursprünglichen Termin. Das gaben die japanischen Organisatoren und das Internationale Olympische Komitees (IOC) gestern bekannt. Die anstehenden Aufgaben bis zur Eröffnungsfeier sind gewaltig.
„Die Menschheit befindet sich derzeit in einem dunklen Tunnel. Diese Olympischen Spiele in Tokio können ein Licht am Ende dieses Tunnels sein“, befand der zuvor telefonisch zugeschaltete Iocpräsident Thomas Bach in der offiziellen Mitteilung. Ursprünglich sollten die Sommerspiele vom 24. Juli bis zum 9. August dieses Jahres abgehalten werden, die Corona-krise machte das unmöglich. Die deshalb ebenfalls verlegten Paralympics werden nun am 24. August 2021 in Tokio beginnen. Der Luxemburger Tom Habscheid hat seine Qualifikation bereits in der Tasche.
Hoffmann: „Mehr Budget“
„Dieses Datum macht Sinn“, sagt André Hoffmann, Präsident des Comité olympique et sportif luxembourgeois (COSL). „Nun geht es darum, bis Ostern eine Lösung für die ausstehenden Qualifikationen zu finden. Wir werden in Kürze schauen, wie wir unseren Athleten unter die Arme greifen können. Die Olympia-verträge bleiben bestehen.“Eine längere Qualifikationszeit bedeute auch mehr Budget. „Drei Leichtathleten waren zum Beispiel in den USA im Trainingslager. Dies kommt ihnen für die Olympischen Spiele nun nicht mehr zugute.“
Bislang sind bereits Kugelstoßer Bob Bertemes, Schwimmer Raphaël Stacchiotti, Dressurreiter
Nicolas Wagner, Tischtennisspielerin Ni Xia Lian, Radfahrerin Christine Majerus und zwei namentlich noch nicht bekannte männliche Radfahrer für Olympia qualifiziert.
Japan sieht sich vor wirtschaftliche und logistische Mammutaufgaben gestellt, wie sie kein anderes Land der Welt in der bisherigen Sportgeschichte bewältigen musste. Die Hotels der Millionenmetropole müssen Tausende von Gästen umbuchen. Die Immobilienfirma, die das Olympische Dorf nach den Spielen in Wohnungen umwandelt, muss die Renovierungsplanung um ein Jahr verschieben und potenziell Tausende von Verträgen mit Käufern der Wohnungen neu aushandeln.
Auch gilt es, im nächsten Jahr wieder genug freiwillige Helfer anzuwerben und zu koordinieren. Die zusätzlichen Kosten für die Verschiebung der Spiele, darunter die Instandhaltungskosten für die Olympia-stätten, werden auf zwei bis drei Milliarden Dollar geschätzt. Wenn es mehr werden, ist das keine Überraschung.
Einige Sportverbände hatten den Frühling 2021 als Austragungszeitpunkt vorgeschlagen, auch um der Sommerhitze aus dem Weg zu gehen. Die Kritik am diesjährigen Termin der Spiele in den extrem heißen Monaten Juli und August hatte bereits Konsequenzen. Die Marathonrennen der Männer und Frauen wären in Sapporo,
Cosl-präsident André Hoffmann ist erleichtert.
wo milderes Klima herrscht, gelaufen worden.
Mit der Entscheidung für den Sommer 2021 wird sich die Hitzeproblematik aufs Neue stellen. Dazu kommt die völlig unklare Lage, ob und bis wann das Corona-virus weltweit eingedämmt werden kann. Mit den konkreten Terminen als Ziel werde die Stadtregierung von Tokio „alle ihre Ressourcen“bereitstellen und eng mit allen Beteiligten zusammenarbeiten, um sichere Spiele auszurichten, sagte Tokios Gouverneurin Yuriko Koike, die zuletzt ihre Mitbürger aufgefordert hatte, zu Hause zu bleiben und sogar mögliche Ausgangsbeschränkungen andeutete.
Plötzlich mehr Infektionen
Bis zur Bekanntgabe der Verschiebung der Spiele vor einer Woche hatte es so ausgesehen, als habe der Olympia-gastgeber die Coronainfektionen langsam im Griff. Doch just mit der Bekanntgabe der Verlegung der Spiele stiegen die Infektionszahlen in Tokio wieder deutlich an.
Der rasante Anstieg der Infektionen in Tokio und die plötzlich drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Erregers hatten den Verdacht aufkommen lassen, dass der Staat beim Ausmaß der Ausbreitung gezielt untertrieben habe – in der Hoffnung, dass die Spiele wie geplant stattfinden können. Mit der Verschiebung habe der Staat nun keinen Grund mehr, die Zahlen zu vertuschen, vermuten viele Bürger in Japan. Schon länger gibt es Vorwürfe, Japan teste viel weniger als andere Länder – angeblich, um die Infektionszahlen niedrig zu halten.
Der frühere japanische Regierungschef Yukio Hatoyama warf Gouverneurin Koike bei Twitter vor: „Ihr Prinzip war Olympia zuerst – und nicht der Bürger zuerst“. Bis Sonntag zählte Japan 2 578 bestätigte Infektionsfälle. 64 Todesfälle gab nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Tokio bislang. dpa/jan