Die fast vergessene Herausforderung
Die Corona-krise hat die Klimakrise vorerst von der politischen Agenda verdrängt – eine Bestandsaufnahme
Eigentlich ist es die herausragende Hausaufgabe dieses Jahres. Dieser Legislaturperiode. Und darüber hinaus. Die Aufstellung eines nationalen Energie- und Klimaplanes, mit dem Luxemburg, wie seine 26 Eu-partner auch, seine Co2-bilanz bis zum Ende des Jahrzehnts verbessern, die Energieeffizienz steigern und den Anteil an erneuerbaren Energien substanziell anheben will.
Heute nun ist die Aufgabenstellung eine andere. Covid-19 statt CO2 lautet die Herausforderung, die von einem Tag zum anderen die politische Agenda für sich vereinnahmt und nun auch zur Absage der nächsten Weltklimakonferenz im November in Glasgow geführt hat. Im Kampf gegen das Corona-virus erscheinen alle anderen Aufgaben plötzlich nebensächlich – auch wenn es beim Kampf gegen den Klimawandel ebenfalls um Leben und Tod geht. Mittelfristig. Langfristig.
Verschnaufpause für das Klima
Kurzfristig tut die Pandemie dem Klima sogar gut. Infolge des Gesellschaft und Wirtschaft verordneten Stillstandes erholt sich die Umwelt. Weltweit verbessern sich die ökologischen Werte aufgrund von Nichtstun.
Und doch bleibt Nichtstun in der Klimapolitik keine Option. Schon einmal hat die Staatengemeinschaft wertvolle Zeit verloren. Als die Finanzkrise die Welt vor zwölf Jahren erfasst, verschwindet die Klimakrise, die zu dem Zeitpunkt schon akut ist, vom Radar der Politik. Tiefpunkt ist das eklatante Scheitern des Klimagipfels im Dezember 2009 in Kopenhagen, als aus „Hopenhagen“ein „Fiaskopenhagen“wird.
Weitere sechs Jahre vergehen, ehe im Klimaabkommen von Paris festgehalten wird, dass die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius gebändigt werden soll. Und heute, 2020, sind die Eustaaten immer noch damit beschäftigt, sich einen Plan zu geben, um das Zwei-grad-ziel, das Wissenschaftler aufgrund eines immer noch ungezügelten Wachstums längst in eine 1,5-Grad-grenze korrigiert haben, zu schaffen. Auch Luxemburg.
Eigentlich hätte jedes Land seinen Plan schon Ende 2019 bei der Europäischen Kommission einreichen müssen. Da jedoch erst zum Ende des vergangenen Jahres so richtig Bewegung in das Dossier gekommen ist – mit der Vorstellung erster Entwürfe für Klimagesetz und Klimaplan –, wird der luxemburgische Plan in einigen Wochen nach Brüssel verschickt. In einer nächsten Phase wollen sich Energie- und Klimaministerium
erst einmal eingehend mit den Meinungen zum Plan national intégré en matière d’énergie et de climat (PNEC) befassen, ehe der Ministerrat nochmals mit einer überarbeiteten Version befasst wird.
Der Preis der Pandemie
Corona-virus-bedingt fast unbemerkt lief am Wochenende die Frist für öffentliche Stellungnahmen zum blau-rot-grünen Klimaplan ab. Immerhin 328 Bürger haben ihr persönliches Gutachten eingereicht; hinzu kommen rund zwei Dutzend Stellungnahmen von Vereinigungen und Verbänden.
In deren Begutachtung findet die Corona-krise teils schon ihren Niederschlag. So gibt die Handwerkskammer zu bedenken, dass einige im Plan enthaltene Maßnahmen nicht ohne Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit seien, und verlangt nach Ausgleichszahlungen – umso mehr, als die Betriebe nun auch noch die Folgen der Pandemie zu bewältigen hätten. Darüber hinaus soll den Bedürfnissen der kleinen und mittleren Unternehmen mit einem spezifischen Klimapakt unter die Arme gegriffen werden.
Der Industriellenverband Fedil seinerseits erinnert daran, dass die Corona-krise eine erhebliche finanzielle Herausforderung für die Branche darstelle; der finanzielle Spielraum für die Umsetzung des Klimaplanes werde dadurch beeinträchtigt. Gleichsam sieht die Fedil, deren Vorsitzende den PNEC zu Jahresbeginn noch als „politisch gewolltes Diktat“kritisierte, Chancen darin, das Hilfspaket für die Wirtschaft so zu schnüren, dass der notwendige klima- und energiefreundliche Wandel der Wirtschaft dennoch zu bewerkstelligen sei. Sorgen bereitet beiden Organisationen zudem die angedachte Einführung einer Co2-steuer. Diese soll ab 2021 20 Euro je Tonne betragen und in den beiden Folgejahren um fünf Euro angehoben werden. Während die Industrie mahnt, dass diese Steuer nicht bestrafen dürfe, sondern Investitionen in emissionsarme Produktionsprozesse fördern soll, will die Chambre des métiers von einer Besteuerung absehen, falls keine alternative Technologie genutzt werden könne. Im Energieministerium weist man derweil darauf hin, dass in einer ganzen Reihe von Stellungnahmen eine ambitionierte Co2-besteuerung befürwortet werde.
Die Regierung will diese Einnahmen ebenso wie die Anhebung der Akzisen bei Benzin und Diesel – die von Verbraucherschutz und Automobilclub kritisiert wird, vom Mouvement écologique indes als Schritt hin zu einer klimagerechten Preiswahrheit eingestuft wird – nutzen, um auf der einen Seite den Klimafonds zu speisen und auf der anderen Seite soziale Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren. Der soziale Ausgleich ist ein Aspekt, den unter anderem Caritas und OGBL aufgreifen. Der Wohlfahrtsverband warnt ausdrücklich davor, dass die Umsetzung des Klimaplanes die Energiearmut nicht zusätzlich befeuern darf; die Gewerkschaft fordert ihrerseits, dass jede Maßnahme auf ihre sozialen Folgen zu analysieren sei.
Weltweit verbessern sich die CO2- Werte aufgrund von Nichtstun. Und doch ist Nichtstun keine Option.
Nun drohen im Zuge der Corona-pandemie soziale Folgen und Einschnitte für Bürger und Betriebe, die zurzeit nicht absehbar sind. Da das Land eine außerordentliche Situation erlebe, deren Bewältigung die gesamte Regierung herausfordere, wollen sich die beiden mit dem PNEC betrauten Ministerien jetzt auf keinen konkreten Zeitplan zur Umsetzung oder Anpassungen festlegen, heißt es auf Nachfrage.
Beispiel Finanzen. Nach Dafürhalten der Handwerker werden die im Energie- und Klimaplan enthaltenen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen zu zurückhaltend eingeschätzt; die Chambre des métiers zweifelt im Besonderen die Maßnahmen an, um den Tanktourismus zu bremsen, mit denen das globale Phänomen der Co2-reduzierung nicht erreicht werde. Und nun werden die Folgen der Corona-krise die Diskussionen um die Einnahmen an den Zapfsäulen neu beleben.
Gleichzeitig kann die Coronakrise die klimafreundliche Neuausrichtung der Wirtschaft beschleunigen: Schätzungen gehen von bis zu 1 400 neuen Stellen bis zum Ende des Jahrzehnts aus.