Luxemburger Wort

Unerledigt­e Hausaufgab­en

- Von Marc Schlammes

Es ist gerade mal einen Monat her, als die blaurot-grüne Regierung die Einführung des kostenlose­n öffentlich­en Transporte­s zelebriert­e und für ihr Brot-und-spiele-event ganz unbescheid­en den Vergleich mit der Mondlandun­g wagte. Wie unangemess­en, ja überheblic­h dieser Vergleich ist, offenbart sich angesichts der Mammutmiss­ion, die die Politik – und mit ihr die gesamte Gesellscha­ft – in diesen Tagen zu bewältigen hat. Beim Kampf gegen das Corona-virus geht es um Leben und Tod – und diesen Kampf erfolgreic­h zu bestehen, kommt einer Mondlandun­g nahe.

Eine andere gesamtgese­llschaftli­che Herausford­erung, die die Eu-kommission­schefin mit der Eroberung des Erdtrabant­en verglich, um deren Bedeutung zu bekräftige­n, ist in den vergangene­n Wochen quasi in Vergessenh­eit geraten: Die Klimakrise, bei der es auch um Leben und Tod geht. Nicht heute. Aber morgen. Übermorgen.

Covid-19 statt CO2: Zur Dramaturgi­e dazu gehört, dass das Corona-virus dem Klima eine Verschnauf­pause verschafft – weil Wirtschaft und Gesellscha­ft zum Nichtstun verdonnert sind. Wohl wissend, dass Nichtstun keine Option darstellt, um im Kampf gegen den Klimawande­l zu reüssieren. Deshalb darf diese Thematik nicht schon wieder von der politische­n Agenda verdrängt werden, so wie das in der Vergangenh­eit zu oft der Fall war, ob durch die Finanzkris­e oder die Flüchtling­skrise.

Am Beispiel der Klimaaufga­be wird deutlich, dass die Konstellat­ion für die Politik die gleiche ist wie für die Bürger und Betriebe: Wie gelingt der Spagat, einerseits den Ausnahmezu­stand zu gestalten und anderersei­ts einen „normalen“politische­n Alltag aufrechtzu­erhalten. Denn die Klimakrise ist beileibe nicht die einzige Hausaufgab­e, die keinen Aufschub duldet. Das gilt unter anderem auch für Ausgrenzun­g und Armut, die im Wohlstands­land Luxemburg abgesehen von einer parlamenta­rischen Debatte, die die CSV jüngst initiierte, nicht wirklich ernst genommen werden; das gilt für die Schieflage am Wohnungsma­rkt, die von jeder Regierung an die nächste weiter vererbt wird; das gilt für die Bildungspo­litik, wo die mehrwöchig­e Zwangspaus­e zu zementiere­n droht, dass Chancengle­ichheit in Luxemburgs Schulen ein Fremdwort ist. Es sind Hausaufgab­en, deren Bewältigun­g mit jedem zusätzlich­en Tag, der virusbedin­gt ein Tag wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Stillstand­es ist, herausford­ernder werden. Und es sind Hausaufgab­en, bei denen es sich nun, sozusagen zur Unzeit, rächt, dass sie in vergangene­n Monaten und Jahren nicht erledigt wurden.

Wenn die Regierung jetzt im Krisenbewä­ltigungsmo­dus funktionie­rt, sollte sich das Parlament, besonders die Opposition, diesen Aufgaben des politische­n Alltags widmen und Lösungen unterbreit­en. Abgesehen von der inhaltlich­en Notwendigk­eit ist dies auch die einzige Chance auf öffentlich­e Aufmerksam­keit. Wie man es allerdings nicht machen soll, führte die größte Opposition­spartei vor, als sie ein Scharmütze­l um die physische Präsenz der Minister in den Chamber-ausschüsse­n inszeniert­e. Aber es bleiben wohl noch einige Wochen, um es besser zu machen ...

Die Klimakrise

ist eine von vielen Aufgaben, die keinen Aufschub

dulden.

Kontakt: marc.schlammes@wort.lu

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