Unerledigte Hausaufgaben
Es ist gerade mal einen Monat her, als die blaurot-grüne Regierung die Einführung des kostenlosen öffentlichen Transportes zelebrierte und für ihr Brot-und-spiele-event ganz unbescheiden den Vergleich mit der Mondlandung wagte. Wie unangemessen, ja überheblich dieser Vergleich ist, offenbart sich angesichts der Mammutmission, die die Politik – und mit ihr die gesamte Gesellschaft – in diesen Tagen zu bewältigen hat. Beim Kampf gegen das Corona-virus geht es um Leben und Tod – und diesen Kampf erfolgreich zu bestehen, kommt einer Mondlandung nahe.
Eine andere gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die die Eu-kommissionschefin mit der Eroberung des Erdtrabanten verglich, um deren Bedeutung zu bekräftigen, ist in den vergangenen Wochen quasi in Vergessenheit geraten: Die Klimakrise, bei der es auch um Leben und Tod geht. Nicht heute. Aber morgen. Übermorgen.
Covid-19 statt CO2: Zur Dramaturgie dazu gehört, dass das Corona-virus dem Klima eine Verschnaufpause verschafft – weil Wirtschaft und Gesellschaft zum Nichtstun verdonnert sind. Wohl wissend, dass Nichtstun keine Option darstellt, um im Kampf gegen den Klimawandel zu reüssieren. Deshalb darf diese Thematik nicht schon wieder von der politischen Agenda verdrängt werden, so wie das in der Vergangenheit zu oft der Fall war, ob durch die Finanzkrise oder die Flüchtlingskrise.
Am Beispiel der Klimaaufgabe wird deutlich, dass die Konstellation für die Politik die gleiche ist wie für die Bürger und Betriebe: Wie gelingt der Spagat, einerseits den Ausnahmezustand zu gestalten und andererseits einen „normalen“politischen Alltag aufrechtzuerhalten. Denn die Klimakrise ist beileibe nicht die einzige Hausaufgabe, die keinen Aufschub duldet. Das gilt unter anderem auch für Ausgrenzung und Armut, die im Wohlstandsland Luxemburg abgesehen von einer parlamentarischen Debatte, die die CSV jüngst initiierte, nicht wirklich ernst genommen werden; das gilt für die Schieflage am Wohnungsmarkt, die von jeder Regierung an die nächste weiter vererbt wird; das gilt für die Bildungspolitik, wo die mehrwöchige Zwangspause zu zementieren droht, dass Chancengleichheit in Luxemburgs Schulen ein Fremdwort ist. Es sind Hausaufgaben, deren Bewältigung mit jedem zusätzlichen Tag, der virusbedingt ein Tag wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stillstandes ist, herausfordernder werden. Und es sind Hausaufgaben, bei denen es sich nun, sozusagen zur Unzeit, rächt, dass sie in vergangenen Monaten und Jahren nicht erledigt wurden.
Wenn die Regierung jetzt im Krisenbewältigungsmodus funktioniert, sollte sich das Parlament, besonders die Opposition, diesen Aufgaben des politischen Alltags widmen und Lösungen unterbreiten. Abgesehen von der inhaltlichen Notwendigkeit ist dies auch die einzige Chance auf öffentliche Aufmerksamkeit. Wie man es allerdings nicht machen soll, führte die größte Oppositionspartei vor, als sie ein Scharmützel um die physische Präsenz der Minister in den Chamber-ausschüssen inszenierte. Aber es bleiben wohl noch einige Wochen, um es besser zu machen ...
Die Klimakrise
ist eine von vielen Aufgaben, die keinen Aufschub
dulden.
Kontakt: marc.schlammes@wort.lu