Allgemeinwohl statt Eigennutz
Das Allgemeinwohl – ein dehnbarer Begriff, der im täglichen Sprachgebrauch von sehr unterschiedlichen Akteuren in sehr unterschiedlichen Lebenskontexten, inflationär Verwendung findet. Auf die unterste Ebene des zwischenmenschlichen Zusammenlebens heruntergebrochen bedeutet er in Krisenzeiten, sich solidarisch gegenüber seinen Mitmenschen zu zeigen. Der älteren Nachbarin beim Einkaufen zu helfen, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren oder Obdachlosen mit kleinen Gesten Aufmerksamkeit schenken, für die das derzeitige Motto „Zu Hause bleiben“wie blanker Hohn klingen muss.
Auf die Ebene zwischenstaatlicher Beziehungen übersetzt, bedeutet der Begriff Allgemeinwohl, sich seinen besonders hart von der Krise betroffenen Nachbarn in Europa gegenüber solidarisch zu zeigen – auch im Interesse des Allgemeinwohls der gesamten Europäischen Union und seiner einzelnen Mitgliedstaaten. Im Zeichen der Solidarität wurden auf nationaler Ebene milliardenschwere Hilfspakete geschnürt und im Eiltempo beschlossen, die den finanziellen Rahmen eines jeden Staatshaushalts kurzfristig sprengen müssen. Geld und Zahlen spielen in den Überlegungen der nationalen Krisenmanager offenbar keine
Rolle, wenn es darum geht, die Gesundheit seiner Bürger zu schützen. Für die Bundesrepublik – und auch für Luxemburg – ist das kurz- und langfristig erst mal ein überschaubares Problem. Die Staatskassen sind prall gefüllt. Doch scheinbar stoßen die unbegrenzten finanziellen Ressourcen der Eu-mitgliedsstaaten dann schnell an ihre Grenzen, sobald der Blick über den nationalen Tellerrand hinausgehen müsste, anstatt seinen Nachbarn, die bereits tief im Morast feststecken und beinahe flehend um Hilfe bitten, die Hand zu reichen. Denn für Länder wie Italien klingt die jetzige Debatte über Geld ebenfalls wie blanker Hohn.