Sehnsucht nach mehr Luft in der Krise
Die Regierung von Sebastian Kurz in Österreich bleibt hart – erste innenpolitische Unruhe
Die dritte Woche harscher Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-virus geht in Österreich zu Ende, und es gibt gute und schlechte Nachrichten. Sowie die erste handfeste innenpolitische Auseinandersetzung über den sehr bestimmten Kurs der in Krisenzeiten omnipräsenten Regierungsspitze des Sebastian Kurz. Dass der Kanzler sogar noch an Statur gewinnt, stößt dem politischen Gegner und da und dort auch dem Koalitionspartner zunehmend sauer auf.
Die gute Nachricht ist, dass die Infektionszahlen in Österreich schwächer steigen als anderswo – und das, obwohl unfassbare Fahrlässigkeit das Virus aus Après-skihochburgen wie Ischgl nach halb Europa getragen und Tirol zu einem der Corona-hotspots Europas gemacht hat. Aber die Maßnahmen der Regierung zeigen offenbar Wirkung: Die Zuwachsrate bei Neuinfektionen liegt seit Tagen bei weniger als zehn Prozent.
Die Begleiterscheinung des rigiden Kurses der Regierung Kurz sind die verheerenden Folgen für die Wirtschaft: Die Arbeitslosigkeit ist auf mehr als 500 000 Menschen gestiegen, 52,5 Prozent mehr als ein Jahr davor und höchster Stand seit 1946. Große Firmen und vor allem Kleinbetriebe stehen wegen der Schließung und trotz zugesagter massiver Finanzhilfe des Staates vor dem Ruin. Die Österreicher bekommen im Tagestakt von Kurz bittere Pillen verabreicht: Es handle sich gerade erst um die Ruhe vor dem Sturm, es werde bald jeder Österreicher jemanden kennen, der am Coronavirus gestorben sei.
Das Hiobs-stakkato soll die Menschen auf Kurs halten, die Maßnahmen zu befolgen. Zunehmend werden aber Stimmen laut, die in dem strengen „Wir beschützen Euch“-kurs viel Inszenierung für die eigene politische Zukunft sehen – etwa die Chancen der ÖVP bei der im Herbst anstehenden Wien-wahl. Dort geht es um nichts weniger als um das mögliche Ende der jahrzehntelangen Spö-vorherrschaft. „Fällt“auch noch Wien, dann hat es der Jungkanzler geschafft, die Sozialdemokratie in Österreich zu zertrümmern.
Kleinkrieg
Das muss man bei dem folgenden Kleinkrieg-beispiel wissen. Seit Mitte März sind die sogenannten Bundesgärten in Österreich geschlossen – die Menschen sollen zu Hause bleiben und einander nicht im Grünen nahe kommen. Das heißt, in Wien sind die traditionellen Flanier- und Sportflächen Augarten, Belvedere-garten, Volks- und Burggarten sowie der große Schönbrunner Schlosspark zu. Die Parks im Besitz der Spödominierten Stadt Wien sind indes offen. Zur Erklärung für alle Nicht-wiener: Im Rathauspark in der Innenstadt darf man verweilen, auf der anderen Straßenseite im Volksgarten nicht. Der Wiener versteht’s nicht, und dass er die Stadt verantwortlich macht für das Schlammassel, ist seitens derer, die die Bundesgärten geschlossen haben, also die Regierung Sebastian Kurz, möglicherweise beabsichtigt.
Und wenn der Bürgermeister der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck, Georg Willi von den Grünen, darauf drängt, die von der Bundesregierung verhängten Restriktionen in Innsbruck zu lockern, damit die „Leute ein bisschen mehr Luft haben“, dann ist das auch ein Signal an die Regierung in Wien bzw. an die Grünen Brüder und Schwestern in der Regierung dort.