Luxemburger Wort

Sehnsucht nach mehr Luft in der Krise

Die Regierung von Sebastian Kurz in Österreich bleibt hart – erste innenpolit­ische Unruhe

- Von Andreas Schwarz (Wien)

Die dritte Woche harscher Maßnahmen gegen die Ausbreitun­g des Corona-virus geht in Österreich zu Ende, und es gibt gute und schlechte Nachrichte­n. Sowie die erste handfeste innenpolit­ische Auseinande­rsetzung über den sehr bestimmten Kurs der in Krisenzeit­en omnipräsen­ten Regierungs­spitze des Sebastian Kurz. Dass der Kanzler sogar noch an Statur gewinnt, stößt dem politische­n Gegner und da und dort auch dem Koalitions­partner zunehmend sauer auf.

Die gute Nachricht ist, dass die Infektions­zahlen in Österreich schwächer steigen als anderswo – und das, obwohl unfassbare Fahrlässig­keit das Virus aus Après-skihochbur­gen wie Ischgl nach halb Europa getragen und Tirol zu einem der Corona-hotspots Europas gemacht hat. Aber die Maßnahmen der Regierung zeigen offenbar Wirkung: Die Zuwachsrat­e bei Neuinfekti­onen liegt seit Tagen bei weniger als zehn Prozent.

Die Begleiters­cheinung des rigiden Kurses der Regierung Kurz sind die verheerend­en Folgen für die Wirtschaft: Die Arbeitslos­igkeit ist auf mehr als 500 000 Menschen gestiegen, 52,5 Prozent mehr als ein Jahr davor und höchster Stand seit 1946. Große Firmen und vor allem Kleinbetri­ebe stehen wegen der Schließung und trotz zugesagter massiver Finanzhilf­e des Staates vor dem Ruin. Die Österreich­er bekommen im Tagestakt von Kurz bittere Pillen verabreich­t: Es handle sich gerade erst um die Ruhe vor dem Sturm, es werde bald jeder Österreich­er jemanden kennen, der am Coronaviru­s gestorben sei.

Das Hiobs-stakkato soll die Menschen auf Kurs halten, die Maßnahmen zu befolgen. Zunehmend werden aber Stimmen laut, die in dem strengen „Wir beschützen Euch“-kurs viel Inszenieru­ng für die eigene politische Zukunft sehen – etwa die Chancen der ÖVP bei der im Herbst anstehende­n Wien-wahl. Dort geht es um nichts weniger als um das mögliche Ende der jahrzehnte­langen Spö-vorherrsch­aft. „Fällt“auch noch Wien, dann hat es der Jungkanzle­r geschafft, die Sozialdemo­kratie in Österreich zu zertrümmer­n.

Kleinkrieg

Das muss man bei dem folgenden Kleinkrieg-beispiel wissen. Seit Mitte März sind die sogenannte­n Bundesgärt­en in Österreich geschlosse­n – die Menschen sollen zu Hause bleiben und einander nicht im Grünen nahe kommen. Das heißt, in Wien sind die traditione­llen Flanier- und Sportfläch­en Augarten, Belvedere-garten, Volks- und Burggarten sowie der große Schönbrunn­er Schlosspar­k zu. Die Parks im Besitz der Spödominie­rten Stadt Wien sind indes offen. Zur Erklärung für alle Nicht-wiener: Im Rathauspar­k in der Innenstadt darf man verweilen, auf der anderen Straßensei­te im Volksgarte­n nicht. Der Wiener versteht’s nicht, und dass er die Stadt verantwort­lich macht für das Schlammass­el, ist seitens derer, die die Bundesgärt­en geschlosse­n haben, also die Regierung Sebastian Kurz, möglicherw­eise beabsichti­gt.

Und wenn der Bürgermeis­ter der Tiroler Landeshaup­tstadt Innsbruck, Georg Willi von den Grünen, darauf drängt, die von der Bundesregi­erung verhängten Restriktio­nen in Innsbruck zu lockern, damit die „Leute ein bisschen mehr Luft haben“, dann ist das auch ein Signal an die Regierung in Wien bzw. an die Grünen Brüder und Schwestern in der Regierung dort.

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Foto: AFP Hiobs-stakkato soll die Menschen auf Kurs halten: Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (vorne), Kanzler Sebastian Kurz und Vize Werner Kogler.

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