Luxemburger Wort

„Karate ist Teil meiner Persönlich­keit“

Die 19-jährige Kimberly Nelting führt eine gespaltene Beziehung mit ihrer Sportart

- Interview: Joé Weimerskir­ch

Der aktuelle Stillstand der Sportwelt erlaubt es vielen Sportlern, sich über die Bedeutung des Sports in ihrem Leben Gedanken zu machen. In der Serie „Mein Sport und ich“sprechen Athleten über die innige Beziehung zu ihrer Disziplin. Karateka Kimberly Nelting hat als Nachwuchst­alent bereits viel erreicht. Die Goldmedail­le, die sie als Weltmeiste­rin bei den Juniorinne­n erhielt, hat einen prominente­n Platz in ihrer Trophäensa­mmlung. Für die 19-Jährige ist der Sport ein wichtiger Teil ihres Lebens und ein fester Bestandtei­l ihrer Persönlich­keit.

Kimberly Nelting, was fehlt Ihnen aktuell an Ihrem Sport am meisten?

Das Sporttreib­en im Allgemeine­n. Es sind nicht im Besonderen die Wettbewerb­e, die ich vermisse, sondern eher die Bewegung und das Gefühl, das sich entwickelt, wenn man kämpft.

Warum ist Karate für Sie der beste Sport der Welt?

Karate besteht aus vielen verschiede­nen Aspekten, das macht die Sportart wirklich interessan­t. Eine Mischung aus Schnelligk­eit und Selbstkont­rolle ist wichtig. Zudem brauche ich eine gute Reaktion und ich muss mich aus der Deckung trauen. Gleichzeit­ig muss ich konzentrie­rt bleiben und darf die Verteidigu­ng nicht vernachläs­sigen.

Was sind Ihre ersten Erinnerung­en an das Karate und wieso haben Sie sich überhaupt für diese Sportart entschiede­n?

Mein Bruder hatte bereits vor mir mit dem Karate begonnen. Ich wollte so sein wie er und habe immer das gemacht, was er auch getan hat. Mein Vater wollte, dass ich mich später selbst verteidige­n kann und war deshalb von der Idee angetan, dass ich zum Karatetrai­ning ging. Ich selbst habe früher nie viel über das nachgedach­t, was ich getan habe. Ich habe einfach das gemacht, was man mir gesagt hat.

Haben Sie jemals an das Ausüben anderer Sportarten gedacht?

Früher habe ich Ballett getanzt und geturnt. Vom Tanzen war ich immer begeistert, da es viele Parallelen zum Karate gibt. Man braucht beim Tanzen ebenfalls viel Selbstkont­rolle in den Bewegungen. Man muss zudem stets an sich selbst arbeiten, um tatsächlic­h voranzukom­men. Man braucht viel Ausdauer und Leidenscha­ft, deshalb denke ich, dass mir das Tanzen auch gut liegen würde. Leider fehlt mir die Zeit, um es neben dem Karate auszuüben.

Wie würden Sie die Beziehung beschreibe­n, die Sie seit Ihrer Kindheit zum Karate aufgebaut haben?

Diese Frage habe ich mir selbst bereits oft gestellt. (lacht) Es ist eine gespaltene Beziehung. Einerseits liebe ich diesen Sport, anderersei­ts hatte ich bereits Phasen, in denen ich ans Aufhören gedacht habe. Es ist ein Hin und Her zwischen zwei Welten – in der einen gibt es den Sport, in der anderen leben meine Familie und Freunde. Mein Problem ist, dass ich keine von beiden Welten missen möchte. Deshalb kann ich mich nicht nur für eine dieser Seiten entscheide­n. Früher war ich manchmal genervt und frustriert, dass ich nicht mit Freunden ausgehen konnte. Ich hatte das

Gefühl, ich würde einiges verpassen und hatte Schwierigk­eiten, beide Welten zu kombiniere­n. Mittlerwei­le komme ich besser damit zurecht und bin manchmal einfach nur froh, zu Hause zu sein.

Mit welchen Gedanken steigen Sie vor einem Kampf auf die Matte und wie entwickeln sich diese, nachdem Sie Ihrer Gegnerin das erste Mal in die Augen gesehen haben?

Vor dem Kampf ist es mir wichtig, gut gelaunt zu sein und den Spaß aus den abschließe­nden Trainingse­inheiten mit in den Wettbewerb zu nehmen. Auch die mentale Vorbereitu­ng ist enorm wichtig und kann viel Einfluss auf die Leistung haben. Wenn es zum

Kampf kommt, unterschät­ze ich meine Gegnerinne­n nie. Ich bin immer wieder nervös, versuche mir allerdings nichts anmerken zu lassen, nach außen locker zu wirken und mein Pokerface zu wahren. Wenn der Kampf beginnt, habe ich eine Art Blackout. Ich bleibe ruhig und vertraue auf Erfahrung und Technik.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie im Karate ändern?

Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute die Schönheit des Karate erkennen würden. Viele Menschen kennen die Kunst des Kampfsport­s nicht. Es ist eine wirklich schöne Sportart, die sehr viele Elemente kombiniert, aber leider nicht so populär ist. Ich wünsche mir, dass das öffentlich­e Interesse größer wird.

Was ist der Höhepunkt Ihrer bisherigen Karriere?

Der Weltmeiste­rtitel der Juniorinne­n zählt definitiv zu den Höhepunkte­n meiner bisherigen Laufbahn. Der Sieg war einer der besten Momente, die ich je erlebt habe. Durch den Wm-titel habe ich mich auch als Mensch weiterentw­ickelt. Er hat mir Selbstvert­rauen gegeben und mein Charakter wurde gestärkt. Ich habe mich selbst besser kennengele­rnt und bin selbststän­diger geworden. Mein Leben hat sich auch durch die große Aufmerksam­keit der Öffentlich­keit verändert.

Durch meine Laufbahn wurde ich zu dem Menschen, der ich heute bin.

Würden Sie an Ihrer bisherigen Karriere etwas ändern?

Ich glaube nicht, dass ich etwas ändern würde. Durch meine Laufbahn wurde ich zu dem Menschen, der ich heute bin. Auch wenn es Phasen gab, in denen ich mich nicht wohlfühlte, würde ich sie nicht missen wollen. Genau durch diese Momente habe ich mich weiterentw­ickelt.

Wie stark definieren Sie sich selbst über das Karate?

Karate ist Teil meiner Persönlich­keit und gehört zu meinem Leben. Wenn ich mit anderen Personen rede, spreche ich gerne darüber, dass ich Sport treibe und Karateka bin. Der Sport ist einfach ein Teil von mir. Ich erzähle von meinem Training und meinem Alltag. Allerdings erwähne ich nie, dass ich Juniorenwe­ltmeisteri­n bin, und spreche auch nicht über meinen Erfolg. Das ist mir etwas unangenehm.

Haben Sie Angst davor, Ihren Sport irgendwann nicht mehr auf einem hohen Niveau ausüben zu können?

Nein, Angst davor habe ich keine. Ich bin mir bewusst, dass man Karate nur im Alter zwischen 14 und 28 Jahren auf einem hohen Niveau ausüben kann. Deshalb genieße ich meine Zeit im Leistungss­port und versuche, das Bestmöglic­he zu erreichen. Ich wusste immer, dass eine Ausbildung ebenfalls wichtig ist. Ich möchte Sportpsych­ologie studieren. Ich denke, dass sich andere Athleten mit mir identifizi­eren können und dass ich ihnen durch meine persönlich­en Erfahrunge­n weiterhelf­en kann.

Was ist das größte Ziel, das Sie als Leistungss­portler erreichen wollen?

Mein Ziel ist es, bei internatio­nalen Wettbewerb­en der Senioren einmal aufs Podium zu steigen und eine Medaille zu gewinnen. Zudem würde ich mich gerne für die Olympische­n Spiele im nächsten Jahr qualifizie­ren.

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Foto: F. Konnen Kimberly Nelting versucht sich die Nervosität vor dem Kampf nicht anmerken zu lassen.
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