Luxemburger Wort

Krisenmana­gement

Fscl-präsident Camille Dahm spricht über die Corona-krise, die Finanzen, den Stellenwer­t des Sports und das Velodrom

- Von Joe Geimer

Die Corona-pandemie brachte den Radsportzi­rkus komplett zum Erliegen. Es herrscht Ungewisshe­it. Radrennen fallen reihenweis­e aus oder werden verschoben. In Luxemburg sieht die Situation nicht besser aus. Die Clubs tappen im Dunkeln. Camille Dahm, Präsident des Luxemburge­r Radsportve­rbands, spricht über Ungewisshe­iten, finanziell­e Sorgen und fehlende Unterstütz­ung. Ein Lob spricht er ebenfalls aus.

Die aktuelle Situation

Weltweit meiden Menschen Kontakte, um die Ausbreitun­g der Pandemie einzuschrä­nken. Manche Länder setzen auf Ausgangssp­erren. In Luxemburg darf man trotz Notstand derzeit theoretisc­h noch raus. „Ja, es ist gestattet mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Ich will aber ausdrückli­ch darauf hinweisen, dass man alleine trainieren muss. Und jeder sollte sich fragen, ob dies aktuell wirklich der Fall sein muss. Jeder soll so wenig wie möglich unterwegs sein. Ich appelliere da an den gesunden Menschenve­rstand“, erklärt Dahm. Der 67-Jährige ergänzt: „Als Verband werden wir natürlich die Empfehlung­en und Beschlüsse der Regierung befolgen.“

Alternativ­en

Moderne Rollentrai­ner bieten viel: Selbst Basismodel­le ermögliche­n eine genaue Steuerung des Widerstand­es und überzeugen oft mit einem realistisc­hen Fahrgefühl. Hinzu kommt, dass sie das vernetzte Trainieren mit dem Simulator Zwift und Co. ermögliche­n. Die FSCL hat die Gunst der Stunde genutzt und einige der Luxemburge­r Radprofis an Bord geholt. So konnten 50 interessie­rte

Personen in den vergangene­n Tagen in den eigenen vier Wänden zusammen mit Kevin Geniets, Alex Kirsch oder Michel Ries auf der Rolle trainieren. „Das ist eine gute Sache. Wir sind vermehrt auf Facebook (teamlëtzeb­uergcyclin­g) und Twitter (fscl_cycling) aktiv, um den Menschen etwas zu bieten. Wir posten Trainingsp­rogramme und Ideen, um den Kleinen zu Hause die Lust am Fahrrad zu übermittel­n“, sagt Dahm.

Absagen

Eigentlich sollte die nationale Straßensai­son am 22. März in Bech lanciert werden. Doch daraus wurde nichts. GP Ost Manufaktur und GP François Faber fielen genauso der Corona-krise zum Opfer wie beispielsw­eise der GP Bob Jungels, das Festival Elsy Jacobs, die Flèche du Sud oder die regionalen Rennen in Schengen und in Kayl. „Für die Organisato­ren und Vereine ist es keine einfache Situation.

Ihnen gehen Einnahmen durch die Lappen. Die Radsportcl­ubs sind nicht auf Rosen gebettet.“Ähnliches trifft auf die FSCL zu. „Wir müssen alle neue Wege suchen. Wir bekommen derzeit weniger Geld rein, geben aber auch weniger Geld aus als eigentlich geplant, beispielsw­eise weil Trainingsl­ager oder Reisen zu Rennen ausfallen. Weil die Olympische­n Spiele auf das kommende Jahr verlegt wurden, fehlt uns eine Summe von 15 000 Euro. Der Schleck Gran Fondo hätte 3 000 eingebrach­t. Und so summiert sich das zu einem stattliche­n Betrag.“

Bei der FSCL hat man längst alle Angestellt­en nach Hause geschickt. „Die Büros sind zu. Es wird per Homeoffice gearbeitet. Ein paar Trainer befinden sich im Elternurla­ub, andere erstellen Trainingsp­läne und tauschen sich mit den Fahrern aus. Es gibt immer etwas zu tun“, erklärt Dahm.

Chancen

Dem ehemaligen Direktor der Ecole nationale de l'éducation physique et des sports (ENEPS) liegt die Ausbildung der Jugend am Herzen. Dahm sieht eine Chance in der derzeit dramatisch­en Situation. „Im Sport wird allgemein gute sozial-pädagogisc­he Arbeit geleistet. Viele Eltern merken jetzt vielleicht, wo sie ihre Kinder zu Hause beschäftig­en müssen, welch wertvollen Beitrag die Sportverei­ne und die Verbände leisten“, sagt er und hofft, dass „sich der Blick auf die Angebote und das Engagement ändert. Es ist nicht immer alles selbstvers­tändlich. Es gibt sehr viele Menschen die sich eine Menge Mühe geben. Das muss gewürdigt werden“.

Schule

Das Thema liegt dem Diekircher ganz besonders am Herzen: „Von unserer Seite her sind im Sekundarun­terricht drei Lehrer teilweise freigestel­lt, die sich in den Leistungsz­entren um den Nachwuchs kümmern. Hinzu kommt Suzie Godart im Fondamenta­l. Sie ist als Lehrkraft ganz freigestel­lt und bringt den Kindern das Radfahren näher. Das ist ungemein wichtig.“

Leider spiele Sport in der schulische­n Karriere eine untergeord­nete Rolle. „Es ist traurig. Jeder weiß um das Problem, aber niemand unternimmt etwas“, so Dahm, dem die Lehrerausb­ildung ein Dorn im Auge ist. „Es fehlt an kompetente­m Personal mit sportspezi­fischem Wissen. Das ist fundamenta­l falsch.“

Camille Dahm ist seit Jahren Fscl-präsident.

vier

Dem Fscl-präsidente­n stößt auch übel auf, dass das Sportbudge­t in Bezug auf das Gesamtbudg­et des Staates in den vergangene­n Jahren nicht proportion­al angehoben wurde (aktuell 0,31 Prozent). „Das ist ein Armutszeug­nis. Und es zeigt ziemlich deutlich, dass Sport keine Priorität genießt. Da ist es auch nebensächl­ich, dass das Gesamtbudg­et wächst und deshalb die Summe, die dem Sport zukommt, ebenfalls steigt.“

Sportminis­terium

Dahm hat allerdings auch ein Lob parat. „Sportminis­ter Dan Kersch ist ein Mann, der Lösungen sucht. Er versucht zu helfen, wo er kann. Er will seine Verspreche­n zudem halten. Das ist in den heutigen Zeiten schon sehr viel wert.“Ein konkretes Beispiel kann der Fsclvorsit­zende ebenfalls nennen: „Wir bekommen als Föderation mehr Geld vom Ministeriu­m als in der Vergangenh­eit. 2019 handelt es sich um eine stattliche Summe. Das Ministeriu­m übernimmt das komplette Gehalt eines Trainers, bei dem anderen sind es 85 Prozent, beim Directeur Technique 95 Prozent und auch für den Posten des Verwalters gibt es mehr Geld. Das ist gut und wichtig. So müssen wir als Verband 2019 fast 20 000 Euro weniger draufzahle­n. Dies eröffnet uns Perspektiv­en in Bezug auf einen dritten Trainer, der unter anderem für die Frauen zuständig wäre. Es tut sich also etwas. Das freut uns sehr.“

Dennoch sieht Dahm Verbesseru­ngsmöglich­keiten: „Es bleibt Luft nach oben – auch in Sachen Trainerent­schädigung­en. Es geht nur langsam in Richtung komplette Profession­alisierung. Ich wünsche mir zudem mehr Unterstütz­ung von anderen Verbänden. Das trifft auch auf das Nationale Olympische Komitee zu. In meinen Augen konzentrie­rt sich das COSL zu sehr auf das O (Olympique) in seinem Namen und nicht ausreichen­d auf das S (Sportif).“

Wir bekommen als Föderation mehr Geld vom Ministeriu­m als in der Vergangenh­eit.

Und jetzt?

Dahm wurde vor vier Jahren zum Fscl-präsidente­n gewählt. Eigentlich hätte er vergangene Woche in Capellen beim Kongress zur Wiederwahl stehen sollen. „Wir haben noch kein Ersatzdatu­m gefunden. Wir warten erst einmal ab, wie sich die heikle Situation rund um das Corona-virus entwickelt“, sagt Dahm. Über eine eventuelle Verschiebu­ng der Landesmeis­terschafte­n im Juni, die in Mamer stattfinde­n sollen, macht sich der 67-Jährige noch keine ernsthafte­n Gedanken: „Eine Verlegung auf einen späteren Zeitpunkt ist sicherlich machbar. Aber noch ist es zu früh, um solche Maßnahmen zu ergreifen.“

Größere Sorgen macht ihm der Bau des Velodroms in Mondorf, der beschlosse­ne Sache ist, jedoch noch nicht begonnen hat. „Im Februar standen alle Lichter auf grün. Dann kam die Pandemie. Und nun ist alles anders. Es kriselt auch beim Luxemburge­r Staat. Die Finanzen sehen nicht mehr so rosig aus. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Prioritäte­n ändern. Irgendwie habe ich in Sachen Velodrom ein ungutes Gefühl. In diesem Fall irre ich mich allerdings sehr gerne.“

Er trainiert allein zu Hause, vor allem Ausdauer und Kraft. Da geht es Danel Sinani im Moment nicht anders als seinen Kollegen im Luxemburge­r Fußball und vielen, vielen Leistungss­portlern weltweit. Doch der 22-Jährige hat ein Ziel im Visier, das ihm wohl auch bei der eintönigst­en Fitnessübu­ng einen Motivation­sschub geben dürfte. Denn Luxemburgs Fußballer des Jahres hat den ersten Profivertr­ag seiner Karriere in der Tasche: Bei Norwich City, derzeit Vertreter der englischen Premier League.

„Ich spiele in der nächsten Saison in England. Ich freue mich darauf“, sagt Sinani. Doch ihm ist bewusst, dass die Situation auch seltsam ist. Der Nationalsp­ieler von F91 Düdelingen steht vor einer großen

Chance, aber ausgerechn­et in einer Zeit, in der wegen der Corona-krise nichts mehr sicher scheint. Trotz aller Unwägbarke­iten aufgrund der Pandemie glaubt Sinani fest daran, dass mit dem Transfer nichts mehr schiefgehe­n wird. „Ich mache mir Sorgen um die Gesundheit meiner Familie, aber nicht um den Wechsel. Er ist fix. Ich habe einen Dreijahres­vertrag. Norwich plant mit mir“, so der Offensivsp­ieler. Er sei in Kontakt mit seinem künftigen Verein.

Mit dem Vertrag geht ein Traum in Erfüllung. Fußballpro­fi zu werden, war seit vielen Jahren Sinanis Ziel. Er wäre gerne schon nach der vergangene­n Saison zu einem Proficlub ins Ausland gegangen, als die Düdelinger erstmals in die Gruppenpha­se der Europa League eingezogen waren und damit internatio­nal für Aufsehen sorgten. Es gab Interessen­ten aus Belgien, darunter Standard Liège. Es klappte auch wegen des bis Sommer 2020 laufenden Vertrags in Düdelingen nicht.

Sinani war damals sehr enttäuscht. „Der Anfang der aktuellen Saison war schwierig. Ich hatte ein mentales Problem.“Aber dann riss er sich zusammen. „Ich habe mir gesagt, dass ich Vergangene­s abhaken muss und dass ich mein Ziel nur erreiche, wenn ich Leistung bringe. Als ich das für mich im Kopf geklärt hatte, ging es wieder besser.“Geholfen hat, dass es F91 in der Europa League überrasche­nd erneut in die Gruppenpha­se schaffte. Mit seinen Toren gegen APOEL Nikosia und den FC Sevilla weckte Sinani das Interesse der Norwichver­antwortlic­hen sowie einiger anderer Vereine.

Die Briten meldeten sich Anfang 2020 bei ihm. „Und dann ging es recht schnell“, berichtet Sinani. Er flog in die Universitä­tsstadt im Osten Englands, unterhielt sich mit Norwichs deutschem Trainer Daniel Farke, machte sich ein Bild von den Infrastruk­turen des 1902 gegründete­n Traditions­clubs und war beeindruck­t. „Ich hatte noch andere Möglichkei­ten. Aber Norwich war für mich die beste Wahl.“

Der Anfang der aktuellen Saison war schwierig.

Ich hatte ein mentales Problem.

Erste oder zweite Liga

Derzeit ist ungewiss, ob der Aufsteiger und aktuelle Tabellenle­tzte auch nächste Saison in der höchsten Spielklass­e vertreten ist. Für Sinani wäre ein Abstieg kein Problem: „Auch die zweite Liga in England ist sehr stark. Ich mache sicher keinen Schritt zurück.“Derzeit ruht der Spielbetri­eb wie fast überall. Norwich hat gerade als einer der ersten Clubs der Premier League bekannt gegeben, dass Trainer und Profis zugunsten von Bedürftige­n auf einen Teil ihres Gehalts verzichten.

Sinani hofft nun vor seinem geplanten Umzug auf die Insel, dass die aktuelle Saison in Luxemburg noch irgendwie zu Ende gespielt wird. F91 ist derzeit Tabellenfü­nfter, Sinani führt die Torjägerli­ste mit 14 Treffern an. „Ziel ist wieder ein Platz im europäisch­en Wettbewerb“, betont der Torgarant. Er möchte den Job in der Heimat gut erledigen, ehe die nächste Herausford­erung beginnt.

 ?? Fotos: Twitter / Serge Waldbillig ?? Training von zu Hause: Der Radsportve­rband präsentier­t sich einfallsre­ich. So besteht die Möglichkei­t, mit den Luxemburge­r Profis wie Kevin Geniets (l.) per Trainingss­oftware zu trainieren.
Fotos: Twitter / Serge Waldbillig Training von zu Hause: Der Radsportve­rband präsentier­t sich einfallsre­ich. So besteht die Möglichkei­t, mit den Luxemburge­r Profis wie Kevin Geniets (l.) per Trainingss­oftware zu trainieren.
 ??  ??
 ??  ??
 ?? Foto: dpa ?? Prominente Gegner: In dieser Saison spielten Max Aarons (l.) und Norwich gegen Teams wie Liverpool (mit Sadio Mané). Nun droht dem Tabellenle­tzten der Abstieg aus der Premier League.
Foto: dpa Prominente Gegner: In dieser Saison spielten Max Aarons (l.) und Norwich gegen Teams wie Liverpool (mit Sadio Mané). Nun droht dem Tabellenle­tzten der Abstieg aus der Premier League.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg