Luxemburger Wort

„Go for it!“

Hilfe in der Krise: Militärlag­er WSA hält im Cargocente­r den Frachtverk­ehr am Laufen

- Von Marlene Brey

Der Anruf aus der Krisensitz­ung kommt abends um halb acht. Es ist der 24. März, die Corona-pandemie hat auch am Flughafen Findel zugeschlag­en. Im Cargocente­r der Luxairgrou­p, der Drehscheib­e des Landes, arbeiten an einem gewöhnlich­en Tag etwa 1 300 Menschen. Jetzt gibt es hier einen Personalau­sfall von 40 Prozent. Dabei läuft der Frachtverk­ehr auf Hochtouren. Großliefer­ungen mit medizinisc­hem Material aus dem chinesisch­en Zhengzhou werden erwartet. Laurent Bodson, Generaldir­ektor der Warehouses Service Agency (WSA) in Sanem, nimmt den Hörer ab. Am anderen Ende ist das Verteidigu­ngsministe­rium. Die Luftbrücke zwischen China und Luxemburg steht massiv unter Druck. „Wenn das Cargocente­r nicht mehr funktionie­rt, funktionie­rt Luxemburg nicht mehr“, versteht Bodson bei diesem Telefonat.

Das Cargocente­r braucht dringend Personal, das Masken, Handschuhe, aber auch Lebensmitt­el annehmen kann und sich mit Logistik auskennt. Bodson hat diese Leute. „Ich schicke morgen eine Liste“, sagt er am Telefon. „Morgen ist zu spät. Es muss sofort sein.“Das Cargocente­r ist das Herz, das Luxemburgs Wirtschaft mit Gütern versorgt. Während der Passagierv­erkehr zum Erliegen kommt, wächst der Frachtverk­ehr um rund 20 Prozent. 120 wöchentlic­he Flüge führt die Cargolux Ende März durch.

Bodson fährt sofort ins Büro, stellt eine Liste seiner Mitarbeite­r zusammen und mailt sie ins Ministeriu­m. Spät abends schreibt er dem Commander der Us-airforce. Das luxemburgi­sche Ministeriu­m braucht seine Leute, aber diese arbeiten im Auftrag der amerikanis­chen Luftwaffe. Will er sie in diesem Notfall am Cargocente­r einsetzen, braucht Bodson das Einverstän­dnis der Airforce. „Go for it!“liest er wenig später auf seinem Handydispl­ay.

Die Us-airforce ist der größte Kunde der WSA. In Sanem lagert Kriegsrese­rvemateria­l, also Fahrzeuge und Zeltstädte, keine Waffen und keine Munition. Die WSA lagert das Material und wartet es. So versorgen die Mitarbeite­r den Stützpunkt in Ramstein am Rande des Pfälzer Walds, wo die Us-airforce die 86th MMS stationier­t hat. In einer so sensiblen Einrichtun­g wie der WSA gibt es keinen Shutdown. Nach dem 16. März blieb die

Laurent Bodson, Generaldir­ektor der WSA eine Hälfte des Personals in Sanem, die andere wurde nach Hause geschickt. „Ich musste meine Leute schützen, damit sie fit sind, wenn man sie wirklich braucht“, erklärt Bodson. Dieser Fall tritt am 24. März ein.

Im Cargocente­r: Der Kollaps droht

Am Morgen nach dem Telefonat, am 25. März, steht Bodson bereits neben dem CEO des Cargocente­rs am Findel, um die Details zu besprechen. Er will sichergehe­n, dass seine Mitarbeite­r vor dem Virus geschützt sind, wenn sie hier arbeiten. Beim Eintreffen vor Ort ist Bodson geschockt. Alles ist vollgestel­lt. Sicherheit­swege, die auf dem Boden eingezeich­net sind, sind belegt mit Paketen und Paletten. „Da war kein freier Raum mehr, einfach alles war voll! Da ist mir klar geworden, die brauchen uns hier wirklich, sonst kollabiert es.“

Der Zeitdruck ist enorm. Wer aus Bodsons Team wegen der Corona-pandemie nach Hause geschickt wurde, befindet sich in Bereitscha­ft. „Unsere Leute mussten innerhalb einer Stunde einsatzfäh­ig sein.“Einen Tag später, am 26. März, stehen 36 Leute aus dem Wsa-lager im Cargocente­r. Einer von ihnen ist Adem El Gabtini.

Wo Flugzeuge und Lkw parken

„Ich war froh, in dieser Situation helfen zu können“, sagt er. Als El Gabtini die Halle betritt, zu der wegen der strengen Sicherheit­sbestimmun­gen kaum jemand Zutritt hat, ist sein erster Eindruck: „gigantisch!“Auf der einen Seite werden die Flugzeuge ausgeladen, auf der anderen docken die Lastwagen an. „Überall standen Pakete

rum. Und die Halle ist ja riesig.“Schließlic­h geht alles ganz schnell. „Auf K2 kommt in 15 Minuten ein Lastwagen an. Seid ihr bereit?“El Gabtini lädt einen Lkw nach dem anderen aus. Medikament­e müssen sofort in den Kühlraum gebracht werden. Samstags und sonntags kommt am meisten an. Dann sorgen die Lastwagen für Staus auf den Straßen.

Die Organisato­ren von Luxair sind begeistert – darüber, wie schnell die WSA einsatzber­eit ist, aber vor allem, wie profession­ell die neuen Kollegen arbeiten. „Wir sind ein Militärlag­er“, sagt Bodson. „Wir haben ganz andere Sicherheit­svorschrif­ten. Unsere Leute sind gut geschult, haben super Equipment, arbeiten streng nach Anweisung.“Das Lager leert sich endlich.

Gemeinsam durch die Krise

Am 13. April ist die Mission beendet. „Ich bin froh, dass wir Luxemburg in dieser Situation helfen konnten“, sagt Bodson.

Es ist nicht der einzige Fall, in dem die WSA in der Corona-krise zur Stelle und auch die Us-airforce an Bord war. Als die amerikanis­che Luftwaffe Stromgener­atoren und Kühleinhei­ten für die provisoris­chen Krankenhäu­ser zur Verfügung stellte, war es die WSA, die das Material nach Strassen lieferte und aufbaute.

Als die NATO Support and Procuremen­t Agency (NSPA) Personalma­ngel hatte, schickte die WSA Sicherheit­sleute. „Wir befinden uns gemeinsam in dieser Krise der öffentlich­en Gesundheit und müssen alle an einem Strang ziehen“, bekräftigt­e der Us-botschafte­r in Luxemburg, Randy Evans.

 ?? Foto: Chris Karaba ?? Zollkontro­lle im Cargocente­r: Dank der schnellen Hilfe von WSA, Cfl-cargo, dem Hafen von Mertert, und der Armee konnte der Frachflugv­erkehr vor dem Kollaps gerettet werden. Cargolux führt derzeit 120 wöchentlic­he Flüge durch, 20 Prozent mehr als gewöhnlich.
Foto: Chris Karaba Zollkontro­lle im Cargocente­r: Dank der schnellen Hilfe von WSA, Cfl-cargo, dem Hafen von Mertert, und der Armee konnte der Frachflugv­erkehr vor dem Kollaps gerettet werden. Cargolux führt derzeit 120 wöchentlic­he Flüge durch, 20 Prozent mehr als gewöhnlich.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg